UBS Herren des Geldes
Auf den ersten Blick verhält sich Linda Chew (44), klein, zart, dunkler Pagenkopf, wie eine typische Asiatin. In Gegenwart ihres Vorgesetzten bleibt die dreifache Mutter stets eine Schrittlänge zurück, spricht nur, wenn sie gefragt wird. Dann allerdings erzählt Chew, Kundenberaterin in der Hongkonger Niederlassung des Schweizer Bankriesen UBS, Dinge, die westliche Geldprofis vor Neid erblassen lassen dürften.
Ihr erfolgreichstes Kundengespräch im vergangenen Jahr? Ein Treffen mit einem chinesischen Unternehmer, der der UBS danach umgerechnet 30 Millionen Schweizer Franken anvertraute. Man meint sich verhört zu haben: 30 oder 13? Hongkong-Dollar vielleicht? Sie schüttelt vorsichtig lächelnd den Kopf. Thirty. Swiss Franks.
Ob sie danach eine Party geschmissen und sich für den Rest des Jahres ihrem Nachwuchs gewidmet habe? Schlagartig verschwinden Lächeln und mädchenhafte Attitüde. Kühl gibt Chew zu Protokoll: Das bankinterne Ziel pro Kopf und Jahr in ihrer Position liegt bei 100 Millionen Franken.
Willkommen bei der UBS! Bienvenue im Universum des mit rund 3000 Milliarden Schweizer Franken an Kundengeldern größten Vermögensverwalters der Welt, eines Finanzkolosses, dem Anleger 2006 Quartal für Quartal im Schnitt weitere 38 Milliarden überwiesen! Welcome to the world of money!
Rund ein Drittel des Kundenvermögens sammelten die Eidgenossen mit Investmentfonds ein. Der Großteil indes stammt von den Reichen und Superreichen dieser Welt, Kunden des sogenannten Wealth Managements. Kein anderer Konzern wächst in dieser Disziplin derart schnell wie die Schweizer. Zum Vergleich: Das durchaus nicht unbedeutende Hamburger Bankhaus Berenberg brauchte 417 arbeitsreiche Jahre, um in etwa die Summe zusammenzubekommen, die die UBS alle drei Monate bei betuchten Privatiers rund um den Globus einsammelt.
Nicht nur international, auch bei deutschen Vermögenden - 500.000 Euro gelten als Mindestanlagesumme - legt die UBS seit vier Jahren ein nicht nur für Schweizer Verhältnisse ungewöhnliches Tempo vor: Sal. Oppenheim, die größte deutsche Privatbank, haben die Eidgenossen bereits eingeholt.
Willkommen, Bienvenue, Welcome!
Ein Etappensieg, mehr nicht. "Die Größe ist Vergangenheit. Ich will schneller wachsen als alle anderen", sagt Deutschland-Chef Jürg Zeltner (39) mit einem Lächeln, das an Ferdinand Piëch nach einem gelungenen Deal erinnert. Nach Oppenheim jagt Zeltner nun den Marktführer, die Deutsche Bank. Bis 2010 will er den Frankfurter Primus erreicht haben, und nicht wenige Branchenkenner trauen ihm das auch zu.
Willkommen, Bienvenue, Welcome! Kunden, die eine der noblen UBS-Niederlassungen am Hamburger Ballindamm, in der Züricher Bahnhofstraße oder an der New Yorker Park Avenue betreten, geht es wie den Besuchern des "Kit-Kat-Club" aus dem Broadway- Klassiker "Cabaret". Sie müssen viel Geld mitbringen und bekommen dafür nichts als ein Versprechen - im Falle der UBS das Versprechen auf exzellenten, persönlichen Service: "You & Us - UBS".
Der Slogan "tönt gut", wie die Schweizer sagen. So gut, dass mittlerweile sogar 80 Prozent der Deutschen die Marke UBS kennen. Andere Ausländer wie Merrill Lynch oder Credit Suisse kommen auf deutlich geringere Bekanntheitsgrade.
Bleibt nur die eine Frage: Kann die UBS ihr Versprechen halten?
Muss ein börsennotierter Finanzkoloss mit einer selbst gesetzten Zielrendite von 20 Prozent seinen Anlegern nicht zwangsläufig teure Produkte ins Depot drücken? Und selbst wenn die Antwort nein lautet: Ist ein Moloch mit Millionen von Klienten und mehr als 12.000 Kundenbetreuern an 690 Standorten von Bad Homburg bis Bahrain überhaupt in der Lage, Qualität, individuelle Beratung und darüber hinaus ordentliche Renditen zu liefern?
Die Suche nach Antworten beginnt in der Züricher Bahnhofstraße. "Cartier", verheißt ein Plakat auf einem Bauzaun, "wird jetzt noch größer." Irgendwo müssen die Zinsen ja bleiben, die ein paar Schritte weiter in der UBS-Zentrale verdient werden.
Alle wichtigen Anlageklassen im Blick
Genau das ist der Job von Klaus Wellershoff (43), vierfacher Vater mit ebenso ausgeprägtem Selbst- wie Sendungsbewusstsein. Immer am letzten Montag im Monat versammelt der UBS-Chefökonom in einem schmucklosen Konferenzraum im 4. Stock des Hauptquartiers sein Investmentkomitee um sich. Es sind ein gutes Dutzend Kapitalmarktexperten diverser Nationalitäten, die weltweit alle wichtigen Anlageklassen und Regionen im Blick haben.
An diesem Spätnachmittag Ende Januar kommen die Anlageprofis schnell auf die US-Wirtschaft zu sprechen, debattieren über eine mögliche Rezession, und Wellershoff stellt sein Talent beim Aufspüren populärer Fehleinschätzungen unter Beweis.
Er traut der Entwicklung in den USA nicht, die viele Investoren zu diesem Zeitpunkt noch positiv beurteilen, bohrt nach, verlangt vom zugeschalteten New Yorker Kollegen immer wieder neue Zahlen. Der sieht die Lage ähnlich skeptisch, opponiert vehement gegen die von Kollegen angedachte Strategie, den Dollar-Anteil aufzustocken. "That's wonderful", ruft Wellershoff, der Spaß an kontroversen Diskussionen hat.
Als Chefökonom gibt Wellershof, der bei Vorträgen leicht Säle mit Hunderten von Zuhörern füllt, die strategische Verteilung der Kundengelder auf Währungen und Regionen, auf Aktien, Renten, Immobilien oder alternative Anlagen vor, im Deutsch der Banker die "Asset Allocation".
Aus Kundensicht eine wichtige Aufgabe, vielleicht die wichtigste überhaupt. Glaubt man den Ergebnissen der modernen Kapitalmarktforschung, dann sorgt nicht etwa das Aufspüren der heißesten Kursraketen für hohe Renditen - 50 Prozent des Wertzuwachses resultieren aus der klugen und langfristigen Verteilung der Gelder auf die verschiedenen Anlageklassen.
Am Ende der Diskussion beschließen Wellershoff und seine Leute, die Dollar-Investments in den Kundendepots unterzugewichten. Ende Januar eine weitsichtige Entscheidung, denn wenige Wochen später wird die Immobilienkrise in den USA für heftige Verwerfungen an den Kapitalmärkten sorgen.
Vom Markt nicht abhängen lassen
Klaus Wellershoff gehört zu den Kapitalmarktprofis, die sich gewöhnlich nicht vom Markt abhängen lassen. Eine Fähigkeit, die der Mehrheit der Fondsmanager abgeht. Die guten Zahlen verdankt er der eigenen Expertise und seinen zahlreichen Mitarbeitern. Wellershoff ist der einzige Anlagechef einer Großbank, der ein eigenes und weltweit aufgestelltes Research-Team dirigiert, das ausschließlich im Dienst der Privatkundschaft arbeitet.
Das zahlt sich aus. In den fünf Jahren seit Wellershoffs Amtsantritt schnitt das UBS-Team mit seinem Strategiefonds, der die Entscheidungen des Komitees eins zu eins abbildet, deutlich besser ab als die Konkurrenz.
Oliver Adler (52) erinnert entfernt an John Malkovich und hat auch im Auftreten etwas von der Nonchalance eines gelangweilten Hollywoodstars. Er schlendert mehr, als dass er geht. Das Hemd hängt nachlässig aus der Hose. Im Gespräch verschränkt der Ex-Investmentbanker hin und wieder die Arme hinter dem Kopf, so als wolle er fragen: "Baby, what's new?"
Mit der Pose ist es allerdings schlagartig vorbei, wenn Adler auf sein persönliches Baby zu sprechen kommt: die "Portfolio-Factory". Dahinter verbirgt sich ein ausgeklügeltes Softwaresystem, mit dem die UBS die Anlage von rund 250 Milliarden Franken steuert. Ein gigantischer Batzen Geld, der jenen Kunden gehört, die das Management ihres Vermögens komplett der UBS überlassen. Sie alle haben sich irgendwann für eine von mehr als 2000 unterschiedlichen Portfoliovarianten entschieden.
Die Geschmacksrichtungen reichen von ultrakonservativ bis spekulativ, enthalten je nach Kundenwunsch Private Equity oder Hedgefonds, werden in zig verschiedenen Währungen angeboten und sind nach regionalen Besonderheiten differenziert, kurz: bieten für jeden Anleger die passende Mischung. Trotz der Vielzahl der Varianten, sagt Adler, "entscheiden wir über jede Veränderung in den Depots bis zur letzten Kommastelle quasi per Mausklick".
"Eine Fabrik? - Ja, hoffentlich!"
Das spart Kosten und erklärt zum Teil die hohe Profitabilität der Vermögensverwaltung à la UBS, trägt aber auch Häme von der Konkurrenz ein: Die UBS sei eine Fabrik, mit individueller Kundenbetreuung habe das nichts mehr zu tun.
Bei solchen Sätzen verliert Adler den Rest seiner Coolness. "Sind wir eine Fabrik? Ja, hoffentlich!", fährt er auf. "Zumindest, wenn es um die Umsetzung unserer Anlageentscheidungen geht". Dann beginnt er, die Vorteile der maschinellen Geldverwaltung aufzulisten.
Der erste Pluspunkt: ein hoher Qualitätsstandard. Die Anleger profitieren direkt vom Know-how der Wellershoff-Truppe und der ihnen untergeordneten Teams, die innerhalb der vom Investmentkomitee vorgegebenen Anlageklassen die besten Aktien, Anleihen, Fonds oder Zertifikate auswählen. Die Anlageexperten bestimmen über detaillierte Vorgaben die Arbeit der Portfoliomanager der verschiedenen Depottypen.
Der zweite Pluspunkt: Die Bündelung der millionenschweren Orders, die jede der von Wellershof ausgelösten Umschichtungen nach sich zieht, garantiert niedrige Abwicklungskosten. Und, was beinahe noch wichtiger ist, den Zugang zu erstklassigen Anlagevehikeln - etwa Hedge- und Private-Equity-Fonds mit hohen Mindestanlagesummen.
Wie viel das den Kunden bringt, hat nur wenige Büros von Adler entfernt in nächtelanger Fleißarbeit Navtej Sehmi (47) herausgefunden, ein studierter Flugzeugingenieur. Sehmi hat sämtliche Depots zum Fliegen gebracht, zumindest auf seinem Bildschirm. "Project Shotgun" heißt die Analyse, weil die Portfolios wie dunkle Einschüsse in einem Koordinatenkreuz aus Risiko und Rendite verteilt sind.
Das Ergebnis von "Shotgun": Die in der Portfoliofabrik verwalteten Depots haben im Schnitt ein deutlich besseres Risiko-Rendite-Profil (also eine höhere Rendite bei gleichem Risiko oder die gleiche Rendite bei geringerem Risiko) als alle anderen Portfolios.
Mit Bleistift und einem Blatt Papier
Würde "Asterix und Obelix" noch einmal verfilmt, Jochen Sauerborn (63) könnte die Rolle des Druiden übernehmen. Mit seinem von tiefen Furchen durchzogenen Gesicht und den schlohweißen Haaren wäre der Grandseigneur unter den deutschen Geldmanagern die perfekte Besetzung für den sympathischen Magier.
Zumal Sauerborn vielleicht keinen Zaubertrank, aber doch die Rezeptur für die erfolgreichste Vermögensverwaltung hierzulande entwickelt hat: Sauerborn Trust im hessischen Bad Homburg. Ein virtueller Safe, in dem die reichsten Familien Deutschlands ihre Milliarden deponieren und den Sauerborn vor zweieinhalb Jahren für rund 100 Millionen Euro an die UBS verkaufte.
Ein Aufschrei ging damals durch die Branche, so als hätten Asterix-Fans mitansehen müssen, wie sich die Gallier den Römern ergeben. Sauerborn verkauft seine Unabhängigkeit! Verkommt zum Vertriebsanhängsel! Die Konkurrenz stand schon bereit, um die davonlaufenden Kunden abzugreifen. Ein ehrlicher unter ihnen gibt heute zu: "Ich habe keinen einzigen abbekommen."
Dieter Feddersen (72), Ex-Aufsichtsratschef der Berliner Bankgesellschaft und Vertreter einiger vermögender Familien, weiß warum: "Die UBS hat bei Sauerborn nichts geändert, hat nicht einmal den Versuch unternommen, vermehrt eigene Produkte zu platzieren."
Hinter der Nichteinmischung steckt Methode. "Wenn wir anfangen würden, unsere Fonds oder Zertifikate bei dieser Klientel aggressiv zu vermarkten, wären die Kunden schnell weg, und wir hätten uns den Zusammenschluss sparen können", weiß UBS-Deutschland-Chef Zeltner.
Der smarte Aufsteiger ist auf etwas anderes aus: auf das Know-how des Edelgeldverwalters. Unverwechselbar ist der Stil Sauerborns, der nie mit fertiger Präsentation oder Produktvorschlägen zu Erstgesprächen geht, sondern stets nur mit Bleistift und einem weißen Blatt Papier: "Was zählt, ist Zuhören und Verstehen."
Kitschroman im Börsenmilieu
Konkurrenten, die ihre eigenen Produkte bei UBS-Kunden unterbringen wollen, Investmentfondsgesellschaften etwa, bestätigen Zeltners Kurs. "Die UBS macht das schon ganz gut", gesteht ein Wettbewerber fast widerwillig ein.
Interne Zahlen sprechen eine ähnliche Sprache: Beim UBS Managed Fund Portfolio Classic etwa, einer unter deutschen Kunden besonders beliebten Form der fondsgebundenen Vermögensverwaltung, stammen nur rund 40 Prozent aus der UBS-Produktfabrik. Den Rest liefert die Konkurrenz.
Das Konzept kommt an: In den vergangenen drei Jahren stieg das Kundenvermögen des Wealth Managements der UBS in Deutschland um 20 Milliarden Euro. Zehn davon stammen aus Übernahmen. Den Rest vertrauten Betuchte der UBS aus eigenem Antrieb an.
Die UBS-Story klingt wie ein Kitschroman im Börsenmilieu: Da besinnt sich eine Bank auf Beratung und Qualität - und schon läuft der Laden wie geschmiert, verdient klotzig und macht obendrein die Kunden glücklich.
Ganz so holzschnittartig geht es in der Realität nicht zu, ein Körnchen Wahrheit aber steckt in der Geschichte: die Erkenntnis nämlich, dass Beratungsqualität - und nicht Vertriebsstärke - der Schlüssel zum Erfolg im Wealth Management ist.
Natürlich, der rasante Aufstieg der UBS hat auch mit Millioneninvestitionen zu tun. Die ungebremste Expansionsfreude der Schweizer demonstrierte unlängst UBS-Chef Peter Wuffli (49) anlässlich eines Rotary-Treffens in Zürich, bei dem er auf einen hochrangigen Vertreter der Hamburger Berenberg Bank traf. Der Name Berenberg sage ihm nichts, gab Wuffli zu. Aber ob er mal fragen dürfe, wie viel Kundenvermögen die Bank verwalte und ob man sie kaufen könne?
"Perfecting the Client Experience"
Ganz schön frech. Aber allein mit Chuzpe ist der Vormarsch der UBS nicht zu erklären. Gilt doch im Geschäft mit der betuchten Klientel eine unumstößliche Regel: Der Großteil der Neukunden kommt auf Empfehlung der bisherigen Klientel. "Und empfohlen werden wir nur von Kunden, die zufrieden mit uns sind", so Marcel Rohner (42), stellvertretender Vorstandsvorsitzender der UBS und oberster Chef des Wealth Managements. Ohne Qualität kein Wachstum - das ist die simple Analyse.
Der Schweizer ist Analytiker durch und durch. Und Überzeugungstäter. Fixiert sein Gegenüber, um sicherzugehen, dass seine Botschaften auch wirklich ankommen. Er wolle "die Herzen der Mitarbeiter gewinnen, nicht nur die Köpfe", beteuert Rohner. Und wie er das sagt, kann man sich vorstellen, was passiert, wenn jemand den Ideen des Topbankers das Herz verweigert: Dann ist auch der Kopf verzichtbar.
"Perfecting the Client Experience", das hämmert Rohner seinen Leuten seit fünf Jahren ein, investiert in Aus- und Weiterbildung, lässt die aussortieren, die nicht mitziehen. Als er 2003 merkte, dass allein das Hämmern nicht reichte, engagierte Rohner ein Professorenehepaar der US-Universität Wharton.
Mithilfe der Amerikaner schleuste er sämtliche Führungskräfte des Wealth Managements durch eine Art Schnellkurs in Unternehmertum. "Leading for Growth" heißt das Seminar, das einen neuen Geist schaffen soll.
Die Bilanz nach gut drei Jahren: Der Kulturwandel scheint in vollem Gange, der Zufluss an Kundenvermögen pro Kundenberater und Jahr - intern das "net new money" genannt - hat sich von durchschnittlich 13 auf gut 21 Millionen Schweizer Franken erhöht. Das ist nicht nur gut für die Bank. Es ist auch beruhigend für die Kunden. Wer unzufrieden ist, darf sich beschweren - bei Marcel Rohner persönlich.
UBS-Chefökonom: "Vieles spricht für Aktien"