Editorial Mallorca gegen Ibiza
Die Klage über die Gewieftheit der anderen Staaten und den treudeutsch naiven Michel kannte man schon zu Kaisers Zeiten. Sie gerann zum Topos und wurde zum Dauerthema der Karikaturisten. Doch ist das Klischee deshalb in jedem Fall falsch? Die gescheiterte Übernahme des spanischen Versorgers Endesa durch Eon taugt durchaus als Beispiel für deutsche Schlafmützigkeit. Während der Düsseldorfer Energiekonzern peinlich sauber nach den Regeln des Kapitalmarktes spielte, nutzten seine Gegner alle Tricks.
Die spanische Regierung veränderte nicht nur kurzerhand das Übernahmerecht und beauftragte angeblich sogar Detektive, um den Angreifer auszuleuchten. Sie überzeugte auch den italienischen Energiekonzern Enel und den spanischen Bauriesen Acciona, den Deutschen in die Parade zu fahren. Eines von vielen Indizien: Just am Abend, nachdem die Regierungschefs von Italien, Romano Prodi, und Spanien, José Luis Rodríguez Zapatero, auf Ibiza vertraulich über Energiefragen parliert hatten, machte sich Enel auf die Suche nach einer Investmentbank, um ein Angebot für Endesa vorzubereiten.
Dass so das freie Spiel der Kapitalmärkte außer Kraft gesetzt wurde, ist allein schon bedauernswert. Der Fall wird vollends unverständlich, weil es die deutsche Bundesregierung wohl in der Hand gehabt hätte, den Deal für Eon zu retten. Aber Angela Merkel versagte sich - obwohl frühzeitig in Kenntnis gesetzt - die Intervention bei Prodi und Zapatero. Offensichtlich haben die Kanzlerin und ihre Berater nicht erkannt, dass es um mehr geht als um irgendeinen Energiekonzern. Denn jetzt wird über die - unabwendbare und von Brüssel forcierte - Neuordnung des europäischen Strommarktes entschieden. Und jetzt ist auch die Zeit, um den privatisierungsunwilligen Südeuropäern - siehe auch Briefmonopole - die Zähne zu zeigen.
Eon-Chef Wulf Bernotat pflegte seine Wunden aus der Schlacht im Osterurlaub. Leicht gebräunt und erholt dank täglichen Golfens ("Spanien ist ein schönes Land"), empfing er die mm-Redakteure Martin Noé und Dietmar Student in der Nähe seines Feriendomizils auf Mallorca. Das Exklusivinterview zu den Folgen der beispiellosen Übernahmeschlacht lesen Sie ab Seite 50.