Netzwerke Feine Gesellschaft
Eines Tages wird Ihr Telefon klingeln. Am anderen Ende wird sich dann vielleicht ein seriös klingender älterer Herr melden und Sie fragen, ob Sie sich vorstellen können, Mitglied in einem ganz feinen Kreis zu werden.
Er wird vielleicht die Namen von Leuten wie Norbert Platt fallen lassen, der Nummer eins des Luxuskonzerns Richemont . Möglicherweise wird er auch über den langjährigen McKinsey-Chef Jürgen Kluge oder den Aufsichtsratsvorsitzenden der Allianz , Henning Schulte-Noelle, sprechen. Sie alle tragen den kleinen runden Button der Rotarier am Revers. Und von genau dieser Vereinigung wird der Herr am anderen Ende der Leitung sprechen.
Mit diesem Anruf werden Sie Teil eines Aufnahmerituals, das noch heute den Regeln gehorcht, die von den Gründern elitärer Zirkel wie den Rotariern oder dem Lions Club vor rund einem Jahrhundert festgelegt wurden. Der Ritus hat sich bis heute genauso wenig verändert wie die grundlegende Idee der Clubs: junge Männer und Frauen unterschiedlichster Berufe zusammenzubringen, die sich in wirtschaftlich schwierigen Zeiten gegenseitig unterstützen.
Der Grundgedanke ist keineswegs antiquiert. Mehr denn je gehört ein breites Netzwerk zu den wichtigsten Faktoren einer erfolgreichen Karriere. Wie aber funktionieren die Edelzirkel? Lohnt sich die Mitgliedschaft? Und wie lassen sich die altehrwürdigen Vereine für die Karriere nutzen?
Fest steht: Das Engagement bei Rotary und Lions Clubs beansprucht vor allem jene Ressource, die bei jeder Führungskraft knapp ist: Zeit.
Entscheidend ist es daher, sich Zutritt zu den Netzwerken zu verschaffen, die genau zu der Lebens- und Berufsphase passen, in der der Manager sich gerade befindet. So mag es beim Berufsstart durchaus sinnvoll sein, über elektronische Kanäle wie OpenBC die Zahl der Kontakte für eine gewisse Zeit zu maximieren. In späteren Jahren kommt es vor allem auf deren Qualität an.
Die Diener der guten Sache
Vereinigungen wie die Rotarier oder die Lions warten freilich nicht auf Bewerbungen. Sie suchen sich ihre Mitglieder traditionell selbst aus, was ihnen einen elitären Ruf eintrug, ähnlich einer Loge, deren Mitglieder sich in holzvertäfelten Hinterzimmern gegenseitig Aufträge zuschanzen.
Das Auswahlprinzip bei Rotariern und Lions basiert darauf, möglichst unterschiedliche Berufsgruppen miteinander in Kontakt zu bringen und den Kreis auf beruflich bereits etablierte Mitglieder zu beschränken. "Wir nehmen nur Leute auf, die schon bewiesen haben, dass sie etwas können und die richtige Einstellung zum Bürgersinn haben", sagt der Hamburger Notar Horst Hellge (69), einer von 19 Zentralvorständen der weltweit 1,2 Millionen Rotarier. Rotary-Mitglied werden also nicht Berufsstarter, die Karriere machen wollen, sondern diejenigen, die bereits einige Karriereschritte gemacht haben.
"Ob einer Professor oder Handwerker ist, spielt keine Rolle", sagt Hellge, "wir suchen, unabhängig von der Herkunft, wirkliche Führungskräfte, die repräsentativ sind für ihre Branche." Das gilt auch für den anderen großen Club, die Lions, und Edmund Krug (56) ist das beste Beispiel dafür. "Ich stamme aus einfachen Verhältnissen", sagt er. Als Sohn einer alleinerziehenden Mutter hat sich der Mann von der mittleren Reife zum stellvertretenden Direktor bei der feinen Hamburger Berenberg Bank hochgearbeitet. Sein Motiv, den Lions beizutreten? "Als ich die Einladung erhielt, sagte ich mir: Ich habe so viel erreicht in meinem Leben, nun ist es Zeit, der Gesellschaft etwas zurückzugeben."
Ganz dem Manageransatz "denke global, handle lokal" verpflichtet, organisiert Krug, dessen Club sich im hanseatischen Nobelhotel "Atlantic" trifft, Spenden für ein kirchliches Kinderprojekt im Hamburger Problemviertel St. Georg. Mit der Unterstützung der Lions können zum Beispiel 40 Kinder aus verschiedenen Nationen in ein Freizeitlager auf Sylt fahren.
Kontaktbörse statt Karrieremaschine
Das ist die eine Seite. Über die andere wird vorwiegend hinter vorgehaltener Hand gesprochen. Unter dem Siegel der Verschwiegenheit räumen etliche Lions- und Rotary-Mitglieder ein, dass viele Clubs tatsächlich nicht viel mehr sind als elitär gestimmte Altherrenrunden, die sich allwöchentlich bei gutem Essen und dicken Zigarren dem wohligen Gefühl hingeben, es geschafft zu haben - und sich beruflich auch schon mal gegenseitig helfen.
Sollte Sie also der anfangs geschilderte Anruf tatsächlich erreichen, sollten Sie Erkundigungen über den Kreis der potenziellen Clubkollegen einholen. Sonst erleben Sie womöglich die gleiche Enttäuschung wie der ehemalige Deutschland-Chef des Axa-Versicherungskonzerns, Claus-Michael Dill (52).
Als ihn ein Beirat seines ehemaligen Arbeitgebers Gerling vor rund zehn Jahren in einen Kölner Club einlud, traf Dill auf eine Runde "sehr in sich ruhender älterer Herren", die nichts mit seinem damaligen Job als Chef eines global orientierten Unternehmens zu tun hatten. "Meine Welt bestand aus Quartalszahlen, deren Welt aus dem Rheinland der 70er Jahre", erinnert sich Dill. Vor eineinhalb Jahren quittierte er die Mitgliedschaft und sagt heute: "Beruflich sind die Kontakte zu meinen Ex-McKinsey-Kollegen viel wertvoller."
Wer nicht zu einem Netzwerk à la McKinsey-Alumni gehört, für den können sich aus der Zugehörigkeit zum richtigen Club aber auch ganz praktische Vorteile fürs Berufsleben ziehen lassen, wie ein 40-jähriger Topmanager gegen das Versprechen verrät, seinen Namen zu verschweigen. "Ich hatte irgendwann ein rein persönliches Problem mit einem Wirtschaftsprüfer in unserem Haus", erzählt der Vorstand eines Chemieunternehmens, "da genügte dann ein kurzer Anruf beim Chef der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, einem Rotary-Clubkollegen, um diesen Mitarbeiter binnen einer halben Stunde gegen einen Kollegen auszutauschen, mit dem wir besser klarkamen."
Dass die Rotarier beim beruflichen Aufstieg helfen, mag auch er nicht behaupten: "Praktisch ist das Netzwerk beim Umzug in eine andere Stadt. Dann genügt ein Blick ins örtliche Mitgliederverzeichnis, und schon hat man Kontakt zu Anwälten, Professoren und Managerkollegen auf höchstem Niveau."
Personalberater wie Heiner Thorborg (62) und Hermann Sendele (65) sehen das ähnlich, nützlich seien die Clubs vor allem in gesellschaftlichen und privaten Dingen. "Rotary ist wunderbar, wenn man einen guten Arzt braucht", sagt Thorborg. Und Hermann Sendele meint: "Für die Karriere bringt das null komma null." Als Netzwerke für den Aufstieg, sagt der Doyen der deutschen Headhunter, "funktionieren vor allem Alumnivereinigungen renommierter Universitäten wie der Aachener RWTH und der Business Schools wie Insead oder Harvard."
Trainingscamps für Jungmanager
Es sind denn auch nicht die in Hierarchiestufen messbaren Fortschritte, die Leute wie die Gründerin der Hamburger Werbeagentur Com.Unit, Pia Schaf (43), an den Lions Club binden: "Der Hauptwert im Lions Club liegt darin, sich mit Fachleuten aus anderen Branchen, etwa Bankern und Architekten, über den Beruf auszutauschen und sich dabei gleichzeitig mit den eigenen Werten auseinanderzusetzen."
Eine Begegnung hat ihre Haltung als Führungskraft in ganz besonderer Weise verändert. "Bei irgendeiner Gelegenheit stieß ich auf einen dieser toughen Jungmanager, einen total unsympathischen Kerl. Einige Monate später betreute ich als Lions-Mitglied einen Sportwettbewerb für Behinderte und traf denselben Mann wieder - nur hatte er diesmal sein schwerstbehindertes Kind dabei. Seitdem bin ich achtsamer und hoffentlich weniger spontan mit meinen Vorurteilen. Und derartige Erkenntnisse gebe ich auch gern an meine Mitarbeiter weiter."
Die Fähigkeit, fremde Personen richtig einzuschätzen, sich in den unterschiedlichsten Situationen und Konstellationen sicher bewegen zu können, ist die berufliche Basis jeder guten Führungskraft. Die Nachwuchsorganisationen von Lions und Rotariern bieten dabei geeignete Trainingscamps und sind im Gegensatz zu den Hauptorganisationen offen für alle Interessenten.
Bernhard Arnold (29), Rechtsanwalt für Patentrecht in der Düsseldorfer Kanzlei von Freshfields Bruckhaus Deringer, hat im Leo Club, der Jugendorganisation der Lions, zwei wichtige Dinge gelernt, die an keiner Universität gelehrt werden: Mitarbeitermotivation und Selbstwahrnehmung.
Während seines Jurastudiums in Passau organisierte er etwa Benefizkonzerte, später deutschlandweite Spendenaktionen für die Opfer der Tsunami-Katastrophe. "Als Präsident des lokalen Leo Clubs hatte ich ja keinerlei Druckmittel, um meine Leute zu führen", sagt Arnold. "Also musste ich lernen, jedes Mitglied einzeln zu motivieren. Mit der Zeit hatte ich ein Gespür dafür, wie ich mit unterschiedlichen Menschen umgehen muss und sie einsetzen kann: Wer arbeitet besser allein? Wer ist im Team besser aufgehoben? Wen bitte ich um Schreibtischarbeiten? Wen kann ich hinausschicken, um Spendengelder zu akquirieren?"
Außerdem half ihm seine herausgehobene Rolle, das eigene Auftreten zu polieren. Arnold: "Es gab die verschiedensten Gelegenheiten auszutesten, wie ich bei fremden Leuten ankomme. Außerdem fand ich nach und nach heraus, wie viel Vorbereitung für welche Art von Auftritten nötig ist."
Nach dem Studium gründete er in seiner Heimatstadt Essen einen eigenen Leo Club, dem er wohl noch eine Weile treu bleiben wird. So lange jedenfalls, bis sich ein älterer, seriös klingender Herr am Telefon meldet und ihn fragen wird: "Möchten Sie Mitglied eines feinen Kreises werden?"
Netzwerke für Berufseinsteiger
Karriere starten: Netzwerke für Berufseinsteiger
Rotaract & Leo Clubs: Lernen, helfen, feiern. So lautet das Programm bei Rotaract, der Nachwuchsorganisation der Rotary Clubs, in der sich junge Menschen von 18 bis 30 Jahren engagieren. Mittels sozialer Projekte und gemeinsamer Feiern sollen insbesondere internationale Freundschaften gepflegt werden. Auch bei den Leo Clubs, dem Lions-Nachwuchs, stehen neben Partys die sogenannten Activities im Mittelpunkt. Die Clubmitglieder gehen zum Beispiel zum Plätzchenbacken in ein Behindertenheim oder unternehmen Ausflüge mit kranken oder alten Menschen.
www.rotaract.de
www.leo-clubs.de
Lunchclub Deutschland: Aus New York importiert ist die Idee, sich zum Mittagessen zwanglos, aber zielgerichtet mit Männern und Frauen zwischen 30 und Ende 50 zu treffen. Auf diese Weise kommen Marketingleute mit Ingenieuren an einen Tisch und Personaler mit Bankern. Die bunte Mischung bietet die Möglichkeit, planvolles Networking ohne allzu großen Zeitaufwand zu betreiben.
OpenBC & LinkedIn: Internetbasierte Netzwerke locken mit Masse und Komfort: Networking vom Schreibtisch aus. Die 1,5 Millionen OpenBC-Nutzer (das sich jüngst in Xing umbenannte) können für 5,95 Euro pro Monat per Websuche in den Mitgliederprofilen die passenden Kontakte knüpfen, gefiltert etwa nach Kenntnissen und Hochschulausbildung. LinkedIn verschafft den Zugang zu mehr als sieben Millionen Mitgliedern in den USA, in Asien und Europa.
www.openbc.com
www.linkedin.com
Netzwerke für Aufsteiger
Karriere ausbauen: Netzwerke für Aufsteiger
Young Presidents' Organization: Wer mindestens 50 Mitarbeiter unter sich hat und einen der schönen Titel President, Chairman of the Board, Chief Executive Officer, Managing Director, Managing Partner oder Publisher trägt, kann Mitglied in der Young Presidents' Organization werden. Zu den deutschen Mitgliedern zählen Unternehmer Otto Happel, Tchibo-Chef Dieter Ammer und Jürgen Heraeus, Aufsichtsratschef des gleichnamigen Edelmetallkonzerns. Neben beruflichen Kontakten pflegen die Chefs auch die Geselligkeit bei exklusiven Reisen und bilden sich ihr ganz eigenes Bild der Welt bei Fragestunden mit politischen Führern wie Fidel Castro.
manager-lounge: Die manager-lounge ist der Club des manager magazins und wurde im Jahr 2000 als Vereinigung für Führungskräfte im mittleren und oberen Management gegründet. Wie bei den Lions oder Rotariern können neue Mitglieder nur auf Einladung beitreten. Zusätzlich gibt es feste Aufnahmekriterien, unter anderem ein Mindestjahresgehalt von 75.000 Euro für Manager bis 35 Jahre und 150.000 Euro für Führungskräfte ab 46 Jahren. manager-lounge ist kein rein elektronisches Netzwerk. Bei Business Breakfasts berichten zum Beispiel erfolgreiche Manager vor einem ausgewählten Teilnehmerkreis über ihre Karriereerfahrungen.
www.managerlounge.manager-magazin.de
Netzwerke für Etablierte
Karriere veredeln: Netzwerke für Etablierte
Übersee-Club Hamburg: Am 8. Januar 1932 hielt Jahrhundertökonom John Maynard Keynes einen Vortrag über "Prospects of Sterling and the Gold-Standard" im gediegenen Ambiente des Clubs an der Hamburger Binnenalster. Im Geiste solch berühmter Vordenker und in dem zufriedenstellenden Gefühl, nicht nur theoretisch etwas von Wirtschaft zu verstehen, treffen sich hier Größen wie Versandhaus-Chef Michael Otto mit anderen Hochkarätern aus Politik und Management. Mitglied zu sein ist schon gut, bei Veranstaltungen erwartet zu werden ist noch besser.
China Club & Berlin Capital Club: Gästeclubs wie der Berliner China Club verlangen rund 10.000 Euro Aufnahmegebühr. Selbst Vermögende fragen da schon mal: Was bringt mir das? Nun, man kann dann zum Beispiel hören, was der Berater der US-Außenministerin über "rechtliche Fragestellungen im Kampf gegen Terrorismus" erzählt. Oder einfach nur lecker essen und dabei aufs Brandenburger Tor schauen. Längst etabliert ist dagegen der Berlin Capital Club mit ähnlichem Konzept, aber nicht ganz so vorzüglicher Aussicht. Er ist dem weltweiten Netzwerk International Associate Clubs angegliedert, das vor über 20 Jahren in Hongkong gegründet wurde.
www.china-club-berlin.com
www.berlincapitalclub.de