Exklusivranking Die besten Städte für ihre Karriere
Wer in der Stadt der Liebe leben will, muss bescheiden sein. Nicht in der Liebe selbst, aber bei den irdischen Ansprüchen - etwa bei der Wohnungssuche. Mehr als 80 Quadratmeter sind in der Regel nicht drin. Schuld daran ist Georges-Eugène Haussmann, der im 19. Jahrhundert auf Weisung von Napoleon III. aus Paris eine große, moderne Hauptstadt machen sollte.
Und so ließ der Baron aus grobem Haustein große Gebäude mit kleinen Räumen errichten. Ein typisches Zimmer in den Altbauten entlang den breiten Boulevards misst gerade mal 15 Quadratmeter.
Ein geräumiges Heim im Herzen der Metropole muss daher teuer erkauft und aufwändig umgebaut werden. Léo Apotheker (52) kann sich diesen Luxus leisten. Der Marketing- und Vertriebsvorstand des Softwarekonzerns SAP zog vor gut einem Jahr aus der Peripherie mitten hinein ins vornehme 17. Arrondissement und ließ sich dort innerhalb von drei Monaten ein adäquates Zuhause in gediegen historischem Ambiente gestalten: "Es ist eine sehr komfortable Wohnung" - mehr mag er nicht verraten.
Apotheker lebt schon seit 1984 in Paris, zunächst arbeitete er für eine US-Firma, ehe er 1988 für SAP die französische Niederlassung aufbaute. Und er kann sich kaum vorstellen, woanders zu leben und zu arbeiten.
Dass Paris als Sieger aus dem großen europäischen manager-magazin-Metropolen-Ranking hervorgeht, überrascht ihn nicht: "Paris ist für Manager eine sehr angenehme und leichte Stadt. Sie finden hier gut ausgebildete Leute, die auch bereit sind, viel zu arbeiten. Hier können Sie auch abends um acht jemanden im Büro erreichen." Und weil Paris insgesamt überaus attraktiv sei, habe er auch keinerlei Schwierigkeiten, neue Mitarbeiter in die Stadt an der Seine zu holen.
Auslandsstationen gelten für Führungskräfte seit jeher als zwingende Bausteine für eine erfolgreiche Karriere. Ihre Bedeutung hat sich im Zuge der Globalisierung noch einmal deutlich gesteigert. Internationale Ausbildung, die Erfahrung im Umgang mit anderen Kulturen und Mentalitäten sind heute gängige Aufstiegshilfen, in großen Konzernen fast schon Grundvoraussetzungen für höhere Weihen.
Die Folge: Jobwechsler und besonders Berufseinsteiger suchen ihre Unternehmen verstärkt danach aus, welche Karrierechancen ihnen potenzielle Arbeitgeber im Ausland bieten können.
Wer aufsteigen will, muss hinaus
Viele Junge zieht es wegen der unsicheren Zukunftsaussichten am "Standort D" hinaus in die Fremde. So hält es etwa in der Umfrage "Generation 05" von manager magazin und McKinsey mehr als die Hälfte der Absolventen für denkbar, dass sie sich einmal im Ausland eine Existenz werden aufbauen müssen.
Manager mit ein paar Jahren Berufserfahrung dagegen treibt oft die Sehnsucht nach dem Ausland, der Reiz des kleinen Abenteuers, gepaart mit der Orientierung an den Biografien der wirklich Erfolgreichen. Ein Vorstand ohne einige Auslandsstationen im Lebenslauf ist heute kaum noch vorstellbar.
Wer aufsteigen will, muss also hinaus - aber wohin? manager magazin hat ein Expertenteam der Universität Mannheim unter der Leitung des Regionalforschers Paul Gans beauftragt, herauszufinden, wo es sich in Europa am besten leben und arbeiten lässt.
In einer aufwändigen und in dieser Form bislang einzigartigen Studie überprüften die Wirtschaftsgeografen 58 europäische Städte im Hinblick auf sieben wichtige Kategorien, von Einkommen und Lebenshaltungskosten bis zu Karrierechancen und Wohnungsmarkt Europas Metropolen im Test. Die Städtetester konnten dabei auf die Daten der Managementberater von Towers Perrin, der Immobilienexperten von Jones Lang LaSalle sowie auf die Expertise der Bonner Steuerkanzlei Flick Gocke Schaumburg zurückgreifen.
Weil aber nicht nur die Einkommen, sondern auch die Ansprüche von Berufseinsteigern und Topmanagern weit auseinander klaffen, haben die Wirtschaftsgeografen gesonderte und auf die speziellen Bedürfnisse von Managern unterschiedlicher Hierarchiestufen zugeschnittene Analysen erstellt. Die Ergebnisse zeigen, wie unterschiedlich die Attraktivität der Metropolen Europas für Einsteiger, Angehörige des mittleren Managements und des Topmanagements ist Von Paris nach Luxemburg und zurück.
Das Eldorado für Europas Wirtschaftselite: Wo es sich am besten leben und arbeiten lässt*
Rang | Stadt/Land | Gesamtwertung |
---|---|---|
1 | Paris (F) | 100 |
2 | Frankfurt (D) | 99 |
3 | Luxemburg (L) | 97 |
4 | Prag (CZ) | 93 |
5 | München (D) | 92 |
6 | Düsseldorf (D) | 87 |
7 | Brüssel (B) | 85 |
8 | Stuttgart** (D) | 79 |
9 | London (GB) | 76 |
9 | Wien (A) | 76 |
Die Resultate stecken voller Überraschungen. So schneiden etliche deutsche Städte überdurchschnittlich gut ab, während es angesagte Trendziele wie Barcelona nur ins Mittelfeld schaffen.
Und dass mit Paris eine Stadt Gesamtsieger wurde, die zwar als Inbegriff des Savoir-vivre gilt, deren Ruf als Wirtschaftsmetropole allerdings gegenüber der Anziehungskraft Londons verblasst, hat gute Gründe. Schließlich wurden in der mm-Untersuchung nicht nur Standortfaktoren für Unternehmen und Investoren betrachtet, sondern auch jene Faktoren bewertet, die für den Alltag eines Managers und seiner Familie relevant sind.
Miete von 2000 Pfund pro Monat
Seinem Image als führende Kulturmetropole wurde Paris auch nach harter Faktenprüfung gerecht. Den Gesamtsieg verdankt Paris aber seinem überragenden Abschneiden in den Kategorien Lebensqualität und Verkehrsinfrastruktur. Vergleichsweise niedrige Lebenshaltungskosten sorgten zudem dafür, dass Paris den ewigen Rivalen London auf Distanz halten konnte.
Vor allem wegen des hohen Preisniveaus reicht es für die britische Hauptstadt nur zu Platz 9 - auch wenn die Stadt für viele Jungmanager das Traumziel schlechthin ist. "Meine Karriere wäre in keiner anderen Stadt möglich gewesen", sagt Rolf Elgeti. Mit 29 Jahren ist der gebürtige Mecklenburger bereits Chefstratege für den europäischen Aktienmarkt beim niederländischen Finanzriesen ABN Amro .
"Solange du Leistung bringst, fragt dich in der City keiner nach deinem Alter oder deinem Titel." Bereits während seiner ersten Tage in der Londoner Bankenmeile erarbeitete Elgeti eine Studie über den Einfluss von Aktienoptionsprogrammen auf den Kursverlauf. Sein Chef überließ es Elgeti, die Studienergebnisse vor den Großkunden der Bank zu präsentieren - im Rest Europas nahezu ein Ding der Unmöglichkeit, schließlich war Elgeti zu diesem Zeitpunkt nur Praktikant.
Nirgendwo sonst finden ehrgeizige Banker derart viele potenzielle Arbeitgeber; nirgendwo sind die Hierarchien durchlässiger, auch für Ausländer; nirgendwo in Europa werden Tag für Tag größere Summen bewegt - kein Zweifel: Den Titel als Finanzhauptstadt des Kontinents hat sich London verdient.
Doch besonders die hohen Mieten zogen Londons Platzierung im mm-Metropolen-Ranking nach unten. Ein kleines Reihenhaus im Wohnviertel Wimbledon, das bei ausländischen Managern beliebt ist, kostet ohne Weiteres 2000 Pfund Miete pro Monat, bei landestypisch mäßiger Bauqualität.
Auch sonst ist London teuer - wohlwollend formuliert. Für eine normale Tribünenkarte beim Fußball-Erstligisten FC Chelsea können schon mal 300 Pfund fällig sein. Und "Chez Gerard" am Bishopsgate, wo die Investmentbanker gern gelungene Deals begießen, berechnet für das Glas Champagner 20 Pfund - in der Happy Hour. Sicher, auch das Gehaltsniveau in London zählt zu den höchsten in Europa.
Doch ausgerechnet im Heimatland des Thatcherismus klafft für Besserverdienende zwischen Brutto und Netto bisweilen eine größere Lücke als im angeblich so leistungsfeindlichen Deutschland. Der britische Spitzensteuersatz ist mit rund 40 Prozent nur geringfügig niedriger als hier zu Lande, und den britischen Finanzbeamten ist Ehegattensplitting fremd. Schlecht für Führungskräfte wie Elgeti, dessen Ehefrau in London nicht berufstätig ist, sondern sich um die gemeinsame Tochter kümmert.
Eine Erfahrung, die auch Holger Dierssen (49) im vermeintlichen Steuerparadies Schweiz machen musste. Seit Januar 2005 arbeitet der gebürtige Däne bei Clariant in Muttenz nahe Basel, als Marketingchef für "Masterbatches", konzentrierte Pigmentpräparationen, die das Unternehmen für die kunststoffverarbeitende Industrie, etwa für Firmen wie Lego und Playmobil, herstellt.
"Hier geht der Punk ab"
Ehegattensplitting ist im Alpenland so unbekannt wie in London. Das führt dazu, dass sich Ehepartner trotz niedrigerer Steuersätze (im Kantonsdurchschnitt 37 Prozent) unterm Strich kaum besser stellen als in Deutschland.
"Der Spareffekt für Verheiratete ist gering und geht ohnehin für die höheren Lebenshaltungskosten wieder drauf", sagt Dierssen, der 1975 bei Hoechst einstieg und mit der Übernahme des Spezialchemikalienbereichs durch Clariant 1997 dorthin wechselte.
In der mm-Rangliste ist das kleine Basel überraschend im oberen Drittel gelandet (Platz 16), gleichauf mit dem weltläufigen Genf und nur zwei Plätze hinter Zürich. Dierssen wundert das nicht; er fühlt sich wohl hier.
Im vergangenen Juli zog die gesamte Familie in das Städtchen Liestal, knappe 20 Minuten von der Baseler Innenstadt entfernt, der 20-jährige Sohn studiert in Zürich, die beiden Töchter, 14 und 16 Jahre alt, gehen auf eine Schweizer Schule - und sind begeistert von der Gruppenarbeit, die hier den Frontalunterricht weitgehend ersetzt hat. Selbst die Lehrer seien engagierter als in Deutschland. "Die haben den Kindern sogar Nachhilfeunterricht in Französisch angeboten, kostenfrei und in ihrer Freizeit", schwärmt Dierssen.
Das Vorurteil vom wortkarg verstockten Schweizer kann Dierssen nicht nachvollziehen. Als die Familie einzog, kamen die Nachbarn und organisierten eine Willkommensparty. "In Deutschland warten die Leute darauf, dass man sich selbst vorstellt." Seine Töchter finden sogar das Nachtleben in Basel besser als in Frankfurt. "Hier geht der Punk ab", sagen sie.
Basel macht es Zuzüglern leicht, die Stadt im Dreiländereck zu lieben, mit den Skigebieten im Umland und dem Elsass zum Greifen nah, dem warmen Klima und der pittoresken Altstadt auf den Hügeln am Rhein.
Zürich, die traditionelle Konkurrentin, gilt zwar als angesagter, aber auch als leicht verschnöselt. Basel, die Weltstadt im Taschenformat, ist entspannter, bodenständiger; obwohl wohlhabender als der glitzernde Nachbar, ist das Schweizer Understatement hier am augenfälligsten. "So mancher fährt hier mit dem klapprigen Fahrrad durch die Stadt und hat zu Hause in der Garage den Jaguar stehen", sagt Roland Schmitt (35).
Schmitt hat in Basel Betriebswirtschaft studiert, dann in der Stadt bei Roche angefangen, war für den Pharmakonzern in Istanbul und Finanzchef in Oslo. Vor vier Jahren kehrte er nach Basel zurück, als Controller für die Region Lateinamerika.
"Oslo ist zwar so schön wie Basel, aber verkehrstechnisch am Ende der Welt", sagt der gebürtige Süddeutsche. Zahlreiche internationale Konzerne und der auch mit Billigcarriern gut zu erreichende Flughafen verleihen dem 165.000-Einwohnerdorf Basel dagegen den speziellen, fast schon metropolenartigen Charakter.
Hot Spot für junges Werbevolk
Dass Basel im mm-Ranking nicht noch besser abschneidet, liegt neben den hohen Lebenshaltungskosten an seiner vergleichsweise niedrigen Dynamik, die auf einen Bevölkerungsschwund in den vergangenen Jahren zurückzuführen ist.
Die Baseler Abteilung für Stadtmarketing stemmt sich gegen den Trend: Sie hilft Neuankömmlingen bei der Wohnungssuche, gibt Tipps für Behördengänge und veröffentlicht regelmäßig eine umfangreiche Broschüre mit Informationen für Neu-Baseler.
Solche Einstiegshilfen gelten heute als unverzichtbar. Im globalen Wettbewerb sind Städte längst zu Markenprodukten geworden, die um Touristen, Bürger und Investoren konkurrieren. Sie werben für sich wie Haushaltsgerätehersteller für Kühlschränke oder Waschmaschinen. Natürlich spielen im Kräftemessen der Metropolen harte Fakten wie Steuern und Verkehrsanbindung eine Rolle. Aber wie bei jeder Marke ist auch das Atmosphärische wichtig, das Bild, das potenzielle Neubürger in ihren Köpfen haben.
Dieses Image kann eine Stadt langsam wachsen lassen - oder sie kann es planmäßig hochzüchten, wie Barcelona es seit den Olympischen Spielen 1992 getan hat. Als die Hauptstadt Kataloniens den Zuschlag für die Sommerspiele bekam (auf Betreiben des aus Barcelona stammenden IOC-Präsidenten Juan Antonio Samaranch), startete Barcelona ein umfassendes Facelifting.
Heute findet sich die Stadt unter den Top Ten in der Rubrik Lebensqualität. Sie könnte noch besser abschneiden, wenn nicht die extrem dichte Bebauung und der Mangel an Grünflächen wären. Ganze Viertel wurden damals abgerissen und neu hochgezogen, Straßenzüge verschwanden hinter Bauplanen.
Als sie wieder auftauchten, galt die Mittelmeermetropole mit den vom katalanischen Stararchitekten Antonio Gaudí entworfenen Fassaden als Touristenmekka und quirliger Hot Spot für junges Werbevolk. In der deutschen Werberszene gab es lange Zeit nur ein Thema: Wann man denn seinen Agenturjob in Barcelona antreten würde.
Ilka Gülzau (27) hat wahrgemacht, wovon andere nur redeten. Seit Anfang 2005 arbeitet die Norddeutsche bei der Agentur Atletico International. Sie weiß, dass die hohe Lebensqualität in Barcelona noch andere Gründe hat als saubere Luft und geringe Säuglingssterblichkeit: Von ihrem Arbeitsplatz in der Agentur bis zum Strand sind es fünf Gehminuten, zum Skifahren in den Pyrenäen eine Stunde mit dem Auto.
Arbeiten, wo andere Urlaub machen
Es wimmelt von Tapas-Bars, trendigen Clubs und - im Vergleich zu Deutschland - preiswerten Restaurants. "Schon wegen des Klimas spielt sich viel mehr im Freien ab", sagt Gülzau, "auf den Straßen ist immer was los." Das ist auch gut so, denn bei den eigenen vier Wänden ist Kompromissbereitschaft angesagt.
In Barcelona fehlt es wie in vielen anderen spanischen Städten an Wohnungen für Ein-Personen-Haushalte. Das ist wohl mit ein Grund dafür, dass Spanier oft bis weit über 30 bei den Eltern wohnen, was der Stadt wiederum einen reichlich schlechten Urbanitätswert eintrug.
Vielen Wohnungen fehlt die Heizung, obwohl die Temperaturen im Winter schon mal den Gefrierpunkt streifen. Und in einem Land, in dem der Wohneigentumsanteil bei 80 Prozent liegt, herrscht auf dem Mietmarkt ein Gedränge wie vor der Gaudí-Kathedrale "Sagrada Família" zur besten Touristenzeit.
"Die extreme Nachfrage treibt natürlich die Preise", sagt Axel Mohr (40), der 1700 Euro für seine 110-Quadratmeter-Wohnung etwas außerhalb der 1,6-Millionen-Stadt zahlt, wo er mit seiner italienischen Frau und zwei Kindern lebt.
Mohr kam vor gut vier Jahren nach Barcelona, seit 2004 ist er Marketingchef von Seat, dem wichtigsten Kunden von Atletico. Seat wollte eine exklusive Agentur direkt vor der Haustür, und deshalb wurde Atletico vor knapp zwei Jahren in Barcelona gegründet und nicht in Madrid, wohin viele Werbenetzwerke in den vergangenen Jahren ihre Filialen verlegt haben. Dem Boom-Image von Barcelona haben diese Abgänge nicht geschadet: Die Arbeitslosigkeit ist niedrig, die Stadt wächst und gehört nach wie vor zu den dynamischsten in ganz Europa.
Das hat viel mit der Mentalität der "Schwaben Spaniens" zu tun, wie die Katalanen gern genannt werden. "Die Menschen hier sind extrem fleißig, zielstrebig und effizient", sagt Mohr, "das kommt dem deutschen Denken sehr entgegen."
Henkel , Bayer , Boehringer Ingelheim haben hier Werke und Filialen; Kühlkost-König Eismann startete 1992, pünktlich zur Olympiade, vom Brückenkopf Barcelona aus sein spanisches Geschäft und macht heute mit 500 Mitarbeitern 40 Millionen Euro Umsatz. "In Katalonien ist man proeuropäischer, internationaler, offener für Neues und weniger traditionalistisch als im übrigen Spanien", sagt Eismann-Spanien-Geschäftsführer Roland Poschner (39).
Mediterranes Klima und südländische Leichtigkeit, gepaart mit schwäbischem Geschäftssinn - für deutsche Unternehmen eine Traumkombination. Allerdings müssen die einst als arbeitswütig verschrieenen Deutschen hier ein paar Gänge höher schalten: 20 Tage Urlaub sind in Barcelona wie auch im Rest Spaniens die Regel und 1800 Arbeitsstunden im Jahr - gegenüber 1450 in der Heimat. Dafür aber zahlen sie weniger Steuern und Abgaben - und sie dürfen dort arbeiten, wo ihre Landsleute Urlaub machen.
Sehnsuchtsort des Bildungsbürgers
Für viele Job-Emigranten, gerade für Berufseinsteiger, ist die Freizeitgestaltung ein wichtiges Argument. Sie wollen das Nützliche mit dem Angenehmen verbinden. Barcelona mit seinem "Morgens am Strand, mittags Ski fahren"-Faktor bedient ein Image, ein unterbewusstes Verlangen nach Flair und Atmosphäre. Nach einem anderen Leben.
Aber was ist Flair, was ist Atmosphäre? An solchen Fragen zeigen sich die Grenzen von Städte-Ranglisten. Der Reiz, den eine Stadt ausübt, lässt sich bisweilen nur schwer in quantitativ messbare Operatoren fassen.
Die Beliebtheit vieler europäischer Metropolen wurzelt in kaum zu objektivierenden Wünschen. Die tschechische Hauptstadt Prag etwa ist längst zum kollektiven Sehnsuchtsort des deutschen Bildungsbürgertums geworden.
Selbst ein gestandener Fernmeldeexperte wie Roland Mahler wird durch die Stadt in einen erhöhten kulturellen Spannungszustand versetzt: "Die Vielfalt Böhmens und Mährens vor dem Zweiten Weltkrieg hat mich gereizt." Diese Mischung aus slawischem, deutschem und jüdischem Erbe.
"Generalni Reditel" steht an Mahlers Bürotür, Generaldirektor. Mahler hatte sich intern um den Chefposten bei der tschechischen Tochter von T-Mobile beworben, nach langen Jahren treuer Dienste im Postministerium, bei der Deutschen Telekom und schließlich bei T-Mobile. Nun, Anfang 2000, waren Mahlers Kinder aus dem Haus. In Prag winkte die Chance auf einen späten Karriereschritt und ein bisschen Abenteuer.
Ursprünglich hatte sich Mahler auf eine Wochenendehe eingestellt. Seine Frau blieb zunächst auch im heimischen Bonn. Doch dann besuchte sie ihn immer öfter, kündigte schließlich ihre Stelle als Lehrerin und zog ebenfalls an die Moldau. Heute macht sie mit bei Arbeitskreisen zu tschechischer Literatur und Architektur in der "International Women's Association".
Im Fall von Patricia Broockmann war es nicht nur die Liebe zur Stadt, sondern auch zu einem ihrer Bewohner, die sie den Schritt von Berlin nach Prag wagen ließ. Als Anwältin in einer tschechischen Kanzlei betreut sie heute vor allem deutsche Firmen, die in Tschechien Geschäfte machen wollen. Wie Mahler schwärmt auch Broockmann von "Theater, Oper, dem generell sehr hohen Kulturniveau in Prag".
Das Ranking gibt Broockmann Recht: In der Kategorie "Freizeit, Kultur und Urbanität" erreicht Prag einen hervorragenden dritten Platz. Zudem lässt es sich in Prag als ausländischer Manager billig leben. Nur im verschlafenen Vilnius liegen die Lebenshaltungskosten noch niedriger. Insgesamt belegt Prag im mm-Ranking Platz vier, als attraktivste Metropole Osteuropas.
Deutsche Städte besser als ihr Ruf
Dennoch löst die spezifisch deutsche Schwärmerei von der Kulturmetropole Prag bei ausländischen Beobachtern Verwunderung aus. "Ich weiß nicht, was ihr Deutschen immer mit Prag habt", sagt Jorgen Staun. Der Däne arbeitet als Korrespondent der Kopenhagener Tageszeitung "Berlingske Tidende".
Früher in Berlin, jetzt in Prag. "Verglichen mit Berlin, ist das Kulturleben in Prag ziemlich provinziell. Und wer kann schon genug Tschechisch, um hier eine Theateraufführung zu genießen?" Sonderfall Berlin? Keineswegs. Die deutschen Städte sind generell weit besser als ihr Ruf.
Hier zu Lande lässt es sich im europäischen Vergleich noch immer hervorragend leben und arbeiten. Unter den Top Ten der attraktivsten europäischen Städte finden sich allein vier deutsche. Vier weitere rangieren auf den Rängen 11 bis 20. Doppelt so viele, wie nach den Gesetzen der Wahrscheinlichkeit zu erwarten gewesen wäre.
In keiner Stadt herrscht ein so großer Wohlstand wie in Frankfurt, und nirgendwo genießen die Menschen eine höhere Lebensqualität als in Dresden.
Die beste Lebensqualität? Ausgerechnet in Ostdeutschland? Für David Greenlaw keine Überraschung: "Allein meine Joggingstrecke am Elbufer ist ein Traum." Vor acht Jahren meldete sich der Ingenieur freiwillig, um für seinen Arbeitgeber AMD eine Chipfabrik in Dresden aufzubauen. Zusammen mit drei Dutzend anderen AMD-Mitarbeitern zog der Amerikaner vom Silicon Valley ins Elbetal. Bei AMD Dresden gehört Greenlaw inzwischen zur zweiten Führungsebene. Als Leiter der Prozessintegration kümmert er sich um die Verbesserung des Fertigungsablaufs.
"Ich habe den deutschen Lebensstil schätzen gelernt", sagt Greenlaw, ein ruhiger, nachdenklich wirkender 38-Jähriger. "Zum Beispiel, dass wir von unserer Wohnung in der Neustadt all unsere Einkäufe zu Fuß erledigen können und dass meine kleine Tochter hier in einer sicheren Umgebung aufwachsen kann."
Indirekt hat Dresden sogar dazu beigetragen, dass ein lang gehegter Traum der Familie wahr wurde: Davids Frau trug sich schon lange mit dem Gedanken, Malerei zu studieren. Doch im Silicon Valley war das Leben zu teuer, um auf ein Einkommen verzichten zu können. Im preiswerten Dresden kein Problem: Frau Greenlaw schrieb sich an der Hochschule für Bildende Künste ein (Greenlaw: "eine exzellente Ausbildungsstätte") und arbeitet inzwischen als Porträtmalerin.
Längst hat Greenlaw seinen amerikanischen Expatriate gegen einen deutschen Arbeitsvertrag eingetauscht. "Unsere Zeit in Dresden ist open ended", sagt er, und dies ist das erste englische Wort, das Greenlaw während des Gesprächs herausrutscht.
Vom Image nicht blenden lassen
Paris vor London, Basel gleichauf mit Genf, Prag auf Platz vier - und am besten leben lässt es sich in Dresden. Die vielen überraschenden Ergebnisse des mm-Rankings zeigen: Beim Schritt ins Ausland sollte man sich vom Image einer Stadt weder blenden noch blockieren lassen.
Selbst in einigen Städten, für die es nur zu einem Platz im unteren Drittel der mm-Rangliste gereicht hat, lässt es sich passabel leben und arbeiten. Nur sollte in dieser Region der Tabelle niemand eine Karriere-und-Lifestyle-Metropole im herkömmlichen Sinne erwarten. Dafür aber bieten Städte wie Istanbul (Platz 42) die Gelegenheit, sich auf die Reize einer fremden Kultur einzulassen.
Frauke Bemberg (29) hat ihr Berufsleben am Bosporus begonnen. Dort landete sie in einer anderen Welt, nur vier Flugstunden von Berlin entfernt, wo sie vor sechs Jahren ihre Promotion in Jura abgelegt hat.
Was hat die junge Frau in die Türkei verschlagen? Es war, zunächst, die Liebe. Ihr Mann Nikolaus (34) wuchs in der Türkei auf und kehrte nach dem Jurastudium in Berlin wieder in das Land zurück, in dem schon seine Eltern und Großeltern gelebt hatten. Seit einigen Jahren arbeitet er als Wirtschaftsreferent bei der Deutsch-Türkischen Industrie- und Handelskammer in Istanbul.
Für Frauke Bemberg hat sich der Wechsel gelohnt. Rasch fand sie einen Job bei einer Stuttgarter Anwaltskanzlei, die in Istanbul deutsche Mittelständler beim Einstieg in den türkischen Markt unterstützt. Bemberg betreut eine Reihe wichtiger deutscher Kunden, ihr Gehalt liegt auf Heimatniveau. Nebenbei bringt sie an der Universität türkischen Studenten die Feinheiten des deutschen Wirtschaftsrechts bei.
Ihre türkischen Kollegen behandeln sie als gleichberechtigte Kollegin. "Die Berufschancen für Akademikerinnen sind hier generell hervorragend", sagt sie, "in wichtigen Positionen findet man hier mehr Frauen als in Deutschland." Eine herbe Belastung für das Alltagsleben sind lediglich der stetig brausende Verkehr und die weiten Wege in die Natur. Wer zum Joggen ins Grüne will, muss sich in der Zehn-Millionen-Stadt einen anderen Sport suchen. Der nächste Wald ist eine Autostunde entfernt.
Bemberg gelingt es deshalb nur mit äußerster Disziplin, das Schicksal der meisten Neuankömmlinge zu vermeiden. "Die meisten Leute nehmen hier rasch einige Kilo zu, weil man einfach kaum Bewegung hat, aber ständig von kalorienreichen kulinarischen Genüssen verführt wird." So mag Istanbul im europäischen Vergleich nicht mit Wirtschaftskraft und Lebensqualität im herkömmlichen Sinne glänzen - macht dies aber für abenteuerlustige Naturen mit einem ordentlichen Schuss Exotik wieder wett.
Erst ganz am Ende der Städte-Rangliste wird es dann so richtig trist. Bei Fish & Chips vor maroder Docklandschaft kann in Liverpool auch von Exotik keine Rede mehr sein. Die nordenglische Heimat der Beatles ist die unattraktivste Metropole für Manager, knapp hinter Marseille. Zwei Schmuddelkinder am Meer, die noch immer unter dem Niedergang des europäischen Schiffbaus leiden. Es hatte halt nicht jede Hafenstadt die Chance, Image und Infrastruktur durch Olympische Spiele aufzupolieren. Barcelona ist nicht überall.
Europas Metropolen im Test Aufwändige Analyse Von Paris nach Luxemburg und zurück