Immobilien Der steinige Weg zum Reichtum

Dank niedriger Zinsen sind Eigenheime so günstig wie selten zuvor. Was aber taugen die eigenen vier Wände als Geldanlage? manager magazin hat nachgerechnet und sagt, wo der Hauskauf tatsächlich lohnt.
Von Jonas Hetzer

Tom Friess gefällt es in seiner deutschen Wahlheimat. Seit knapp sechs Jahren schon lebt der 37-jährige Schweizer mit seiner Frau und seinen beiden Töchtern in der bayerischen Kleinstadt Pullach südlich von München. Hier, wo auch der Bundesnachrichtendienst sein Hauptquartier hat, wohnt die Familie des Vermögensverwalters unweit des Forstenrieder Parks mitten im Grünen, in einer Doppelhaushälfte mit Garten - für rund 1500 Euro Miete monatlich plus Nebenkosten.

Natürlich hat sich das Ehepaar Friess darüber Gedanken gemacht, sich ein eigenes Domizil zu kaufen. Für den Finanzprofi Friess aber kommt eine Investition in der Größenordnung eines Einfamilienhauses nur dann in Frage, wenn sie sich auch rechnet. Ein Haus zu kaufen, "nur weil es dann meins ist", davon hält er nicht viel.

Also warf er seinen Rechner an, verglich die Mietkosten mit dem Aufwand für die Finanzierung, stellte der zu erwartenden Wertsteigerung der eigenen vier Wände die möglichen Erträge an den Kapitalmärkten gegenüber, die er vermutlich erzielen würde, wenn er sein Kapital anstatt in Beton in Wertpapiere steckt. Ergebnis: Wohnte er mit seiner Familie weiterhin zur Miete, wäre er in 30 Jahren um über 400.000 Euro reicher als wenn er sich jetzt ein ähnliches Haus zum Marktpreis von aktuell rund 600.000 Euro zulegen würde.

Kaufen oder mieten? Für die meisten Deutschen fällt die Antwort auf diese Frage anders aus. Nach einer Studie der Allianz ziehen 79 Prozent die eigenen vier Wände der Mietwohnung vor.

Der Hauptgrund für die klare Präferenz ist die festgemauerte Überzeugung, dass die selbst genutzte Immobilie die beste aller möglichen Altersvorsorgeformen ist. Häuser und Wohnungen stehen im Anlagekatechismus der Bundesbürger für wertbeständiges Investment und die Mietersparnis für eine willkommene Entlastung der Haushaltskasse.

Satter Wertzuwachs war gestern

"Es wäre schön, wenn es so einfach wäre", sagt Vermögensverwalter Friess und zeigt auf seinen Computerbildschirm mit den komplexen Berechnungen seines Eigenheimprojekts. Von den zahlreichen Variablen, die die Wirtschaftlichkeit eines Immobilienkaufs bestimmen, sind vor allem zwei Faktoren entscheidend:

  • Das Verhältnis von Kaufpreis und Miete: Je höher der Kaufpreis und damit die monatliche Tilgungsrate im Vergleich zur Miete ist, desto weniger lohnt sich der Erwerb. Diese Relation jedoch variiert je nach Standort beträchtlich. In Berlin und München etwa liegen zwar die Mieten fast auf demselben Niveau. Die Kaufpreise dagegen klaffen weit auseinander. Wer sich für eine Eigentumswohnung entscheidet, muss in der bayerischen Metropole fast das 20fache einer Jahresmiete berappen. In Berlin ist nur gut das 12fache fällig.


  • Wertentwicklung: Noch in den 90er Jahren konnten sich Häuslebauer über ansehnliche Wertzuwächse freuen. Die Preise für Einfamilienhäuser stiegen von 1990 bis 1999 um durchschnittlich knapp 3,2 Prozent jährlich, hat das Hannoveraner Pestel Institut ermittelt.
Steigerungsraten, die in Zukunft kaum wieder erreicht werden dürften. Der sich abzeichnende Bevölkerungsrückgang wird, da sind sich nahezu alle Experten einig, langfristig kräftig auf die Preise drücken.

Das Bad Homburger Analysehaus Feri etwa prognostiziert, dass die Besitzer von Einfamilienhäusern bis zum Jahr 2020 durchschnittlich nur noch mit jährlichen Wertzuwächsen von gut 2 Prozent rechnen können.

Die Preise von Eigentumswohnungen werden sich laut Feri sogar noch schwächer entwickeln. Bei diesen Zuwachsraten geht es wohlgemerkt um den Durchschnittswert. An vielen Standorten werden die Steigerungen noch niedriger ausfallen. Nach Abzug der Inflationsrate dürften viele Immobilien sogar an Wert einbüßen.

Wo also lohnt sich der Kauf eines Eigenheims, und in welchen Regionen können Mieter am Ende mit dem größeren Vermögenszuwachs rechnen? Die Immobilienexperten von Feri haben die Wert- und Mietentwicklung von Einfamilienhäusern und Eigentumswohnungen in den 66 wichtigsten Regionen bis zum Jahr 2020 hochgerechnet. Finanzprofi Friess, Geschäftsführer des Münchener VZ Vermögenszentrums, hat mit Hilfe dieser Daten für manager magazin die Alternativen Kaufen und Mieten für sämtliche Standorte durchgerechnet (siehe: "Methode").

Überraschender Effekt im Osten

Das zentrale Ergebnis der Untersuchung: Trotz insgesamt niedriger Wertzuwächse bleibt das Eigenheim vielerorts auch in Zukunft ein geeignetes Instrument zum Vermögensaufbau und zur Alterssicherung.

Der Hauptgrund für dieses Resultat sind die derzeit vergleichsweise geringen Kosten. Zum einen sind die Preise für Wohnimmobilien seit Mitte der 90er Jahre vielerorts gefallen. In ostdeutschen Städten wie Rostock, Leipzig oder Chemnitz sind Häuser und Wohnungen heute mitunter 30 bis 50 Prozent billiger zu haben als noch vor zehn Jahren. Auch im Westen waren mancherorts rückläufige Preise zu verzeichnen.

Hinzu kommt, dass die Finanzierung des Eigenheimkaufs so günstig ist wie kaum jemals zuvor. Auf Baudarlehen sind aktuell nur um 4 Prozent Zinsen fällig - festgeschrieben für zehn Jahre.

In vielen Regionen zahlen Häuslebauer für Zins- und Tilgung deshalb weniger, als bei einer vergleichbaren Wohnung an Miete fällig wäre. Der überraschende Effekt der billigen Schulden: In Regionen, die eigentlich als wenig attraktiv für Immobilieninvestments gelten, ist der Erwerb des Eigenheims wirtschaftlich gesehen günstiger als ein Mietvertrag.

Beispiel Rostock: Die Hansestadt ächzt unter einer Arbeitslosenquote von über 17 Prozent, immer mehr Menschen verlassen die Ostsee-Metropole. Besserung scheint kaum in Sicht. Bis 2020, prophezeien die Experten von Feri, wird die Einwohnerzahl von Rostock um gut 5 Prozent zurückgehen. Das Siechtum drückt Wohnungspreise und Mieten - schlechtere Rahmenbedingungen für ein Immobilieninvestment sind kaum denkbar.

Wer aber dauerhaft in der alten Hafenstadt an der Ostsee leben möchte, könnte als Eigenheimbesitzer viel Geld sparen. Eine Dreizimmerwohnung mit 70 Quadratmetern Wohnfläche kostet im Schnitt gerade einmal 76.000 Euro - und damit nur knapp das Zehnfache einer Jahresmiete. Wer 70 Prozent des Kaufpreises mit einem Darlehen finanziert, hätte monatlich weniger für den Schuldendienst zu berappen als ein Vermieter verlangen würde. Die Differenz zwischen Miete sowie Zins und Tilgung kann fürs Alter zurückgelegt werden.

Ganz anders sieht die Situation in wirtschaftlich stabilen Regionen mit hoher Lebensqualität aus, in denen Bauland knapp ist: Orte wie München, Heidelberg oder Stuttgart. Hier sind die Haus- und Wohnungspreise in den vergangenen Jahren mitunter stark gestiegen, während sich die Mieten nur moderat erhöhten.

Die Lebensabschnittsimmobilie

Im Kreis Starnberg sieht es ähnlich aus. Rund um Münchens größtes Freibad leben die meisten Spitzenverdiener der Republik, hier genießen Prominente wie Fußballstar Michael Ballack, TV-Manager Georg Kofler oder Romancier Patrick Süßkind Alpenpanorama und angenehmes Klima. In keiner anderen von Feri analysierten Region kosten die eigenen vier Wände mehr. Der Wert einer Villa oder eines Apartments am Starnberger See liegt aber vor allem im Prestige. Zur Vermögensbildung sind sie eher ungeeignet - was auch die Berechnungen von Vermögensverwalter Friess zeigen.

Ein Ergebnis, das mitunter sogar dann seine Gültigkeit behält, wenn der Immobilienbesitzer seine Schulden vollständig getilgt hat. Gewiss, er kann in seinem Heim mietfrei wohnen - ein Vorteil, der einem steuerfreien Zusatzeinkommen gleichkommt. Doch was wäre, wenn er sein Einfamilienhaus verkaufen und den Erlös in Wertpapiere investieren würde?

Beim derzeitigen Preis- und Mietniveau in Starnberg müsste der Erlös eine jährliche Rendite von gut 4 Prozent nach Steuern bringen, um die Mietkosten zu decken - eine durchaus erreichbare Zielmarke.

Die Rechnung lässt zudem noch unberücksichtigt, dass in älteren Gebäuden immer wieder Sanierungsbedarf entsteht. Reparaturen an Heizung, Dach oder Wasserleitungen können leicht hohe fünfstellige Beträge verschlingen. Ein Problem, mit dem sich Mieter nicht herumschlagen müssen.

Bislang kam ein Verkauf des trauten Heims für das Gros der Häuslebauer zwischen Waterkant und Bodensee allenfalls in Notlagen in Frage. Typisch für die Deutschen war in den vergangenen Jahrzehnten der Kauf eines Hauses nach der Familiengründung im Alter zwischen 30 und 40.

Mit dem Auszug der Kinder diente die Immobilie dann als Altersruhesitz und wurde in den meisten Fällen per Erbe an die nächste Generation weitergereicht. "Im Zentrum stand meist der ideelle Wert, sich selbst etwas aufgebaut zu haben, weniger ökonomisches Kalkül", sagt Reiner Braun vom Berliner Forschungsinstitut Empirica.

In den vergangenen Jahren hat sich dieses Muster beim Immobilienkauf grundlegend geändert. In einer umfangreichen Marktstudie hat Braun festgestellt, dass zunehmend auch jüngere Singles und kinderlose Paare sowie ältere Menschen ab 55 Wohnungen und Häuser kaufen.

Der Forscher erwartet, dass künftig Häuser und Wohnungen verstärkt nach Bedarf der aktuellen Lebensphase ge- und wieder verkauft werden. Das Apartment in einem belebten Stadtviertel vom Single, das Haus mit Garten von der Familie mit Kindern und eine altengerechte, kleinere Stadtwohnung vom Rentnerpaar.

Hinein in die Ballungsräume

Dabei rückt zunehmend der mögliche Verkaufserlös in den Vordergrund. Vor allem in ländlichen Regionen, aber auch in Städten mit schwacher Wirtschaftsstruktur wird ein zum Teil massiver Rückgang der Einwohnerzahlen die Wohnungsmärkte belasten. In Bremen etwa, so hat es das Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung errechnet, wird die Zahl der Haushalte von ursprünglich 291.000 im Jahr 1999 auf 257.000 im Jahr 2020 sinken - ein Rückgang um 12 Prozent. Für Ostthüringen erwarten die Experten sogar ein Minus von 13 Prozent.

Die Raumforscher konstatieren einen klaren Wanderungstrend - raus aus den ländlichen Gebieten, hinein in die Ballungsräume. Vor allem in den so genannten Speckgürteln rund um Großstädte wie Hamburg, Berlin, Stuttgart oder München dürfte in den kommenden Jahren noch verstärkter Zuzug zu verzeichnen sein.

Die Wahrscheinlichkeit, ein Haus oder eine Wohnung zu einem guten Preis wieder veräußern zu können, sollte daher schon beim Kauf berücksichtigt werden. "Nur qualitativ hochwertige Immobilien in attraktiven Wohnlagen bieten noch gute Chancen auf Wertsteigerungen", sagt Thorsten Schilling, der bei Feri die Marktanalysen leitet.

Die Entscheidung für das Eigenheim, so viel steht fest, ist mit erheblichen Unsicherheiten verbunden: Von möglichen finanziellen Schwierigkeiten beim Schuldendienst durch Arbeitslosigkeit oder Berufsunfähigkeit über unvorhergesehene Kosten für Renovierungen bis hin zu Schwierigkeiten beim Wiederverkauf.

Intensive Planung kann jedoch die vielen Unwägbarkeiten erheblich eindämmen. Und abseits von nüchternen Renditevergleichen hat Empirica-Mann Braun noch einen für die Altersvorsorge besonders vorteilhaften Effekt der eigenen vier Wände ausgemacht: Eigenheimbesitzer legen mehr auf die Seite als Mieter.

Braun hat das Sparverhalten von Mietern und Eigentümern untersucht. Ergebnis: Der Wunsch, den Kredit für das Eigenheim möglichst schnell abzustottern, erhöht offenbar die Disziplin in Finanzdingen. Trotz des langjährigen Schuldendienstes horteten die von Braun befragten Häuslebauer bis zur Rente 37.000 Euro Kapital - die Mieter brachten es dagegen nur auf 26.000 Euro.

Die eigenen vier Wände als Mittel zur Selbstdisziplinierung - vielleicht auch ein Grund, über den Kauf einer Wohnung oder eines Hauses nachzudenken.

Ranking: Einfamilienhäuser im Renditevergleich Ranking: Eigentumswohnungen im Ertragsvergleich Methode: Wie Kauf und Miete verglichen werden

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