Gesellschaft Schlaue Fragen zur Zukunft
Der Berufsstand der medialen Windmacher ist für seine Mogelpackungen bekannt. Trendforscher Matthias Horx grenzt sich mit einem überraschend ernsthaften Beitrag über die Welt von morgen davon ab.
Erkenntniswert:
Matthias Horx, Gründer und Inhaber des Zukunftsinstituts im hessischen Kelkheim, hat mit seinem neuen Buch nicht die halb literarische Mogelpackung abgeliefert, die man vom Berufsstand der medialen Windmaschinen erwarten dürfte.
Er leistet vielmehr einen überraschend substanziellen, umsichtigen und womöglich sogar zukunftsweisenden Beitrag zu der spannenden Debatte, wie wir denn morgen und übermorgen leben werden. Horx gibt erst gar nicht vor, etwas zu "erforschen", was es noch gar nicht gibt (nämlich die Zukunft). Er schreibt stattdessen über Politik, Arbeit, Liebe, Lernen, Geburt, Tod und andere nahe liegende, geradezu handgreifliche Themen.
Technologien, die übliche Projektionsfläche seiner Zukunftsforscher-Kollegen, sind ihm weitgehend gleichgültig. Er beschäftigt sich vielmehr mit der Kultur der Zukunft. Die leitet er aus bekannten Thesen und Theorien ab. Auf diese Weise gibt er sie in Form geschliffener Fragen an seine Leser zurück. Die sollen selbst herausfinden, wie sich ihre Zukunft gestalten wird. Für den Autor ist das Ziel eine "Allgemeine Relativitätstheorie des Wandels".
Stil: Dieses Ziel klingt verblasen. Doch Horx verliert sich nicht in Szenarien. Er vermeidet blumige Adjektive und verwirrende Sprachblähungen. Stattdessen bedient er sich mühelos aus vielfältigen Genres. Das Vorwort ist zum Beispiel die Exposition eines Vier- bis Fünf-Personen-Dramoletts. Das geschickt konstruierte Ensemble zieht den Leser sofort tief ins Thema.
Nutzwert: Für sich genommen, ist jedes der vielen Fakten, die Horx referiert, nichts Neues. Interessant wird ihre Verknüpfung - auch mit Gesellschaftstheorie. Horx ist hier sehr belesen und hat folglich immer das passende Zitat parat. Nur manchmal vergaloppiert er sich ins apodiktische Geschwurbel, etwa wenn er sich doch zu Betrachtungen über neue Technologien hinreißen lässt, von den segensreichen Anwendungen von Gentests und "individualisierter Medizin", von Kernspin-Diagnostik und Gesundheitschecks für jede einzelne Körperzelle schwärmt.