Wenn ehemalige Teilnehmer über Baden-Baden berichten, klingt das stets so, als kämen sie frisch aus dem Pfadfinderlager: Riesensache, tolle Stimmung, Wiedersehen fest geplant.
Das Getue um Baden-Baden werde total übertrieben, sagen andere. Ein Welpenklub sei die Veranstaltung, ein Debütantenball der Konzerne. Irgendwie ein bisschen aus der Zeit.
So reden diejenigen, die keine Einladung erhalten. Unternehmensberater und andere neumodische Dienstleister zum Beispiel. Sie werden nicht recht ernst genommen von den Organisatoren.
Seit fast 50 Jahren bereiten sich in Baden-Baden die Nachwuchsstars der Konzerne auf ihren Weg ins Topmanagement vor. Die von Firmen getragene "Gesellschaft zur Förderung des Unternehmernachwuchses" lädt zweimal pro Jahr je 30 Führungskräfte ins Palais Biron. Die Herren - und seit einigen Jahren regelmäßig auch ein, zwei Damen - lernen, streiten und feiern drei Wochen lang, in der letzten Woche mit Unterstützung ihrer Ehepartner.
Viele Jahrgänge sind zu verschworenen Gemeinschaften zusammengewachsen, die sich über Dekaden die Treue halten. Das Netzwerk der mehr als 2600 noch lebenden Ehemaligen spannt sich durch die gesamte deutsche Wirtschaft.
Die Entsendung in den barocken Kurort gilt als eine Art Ritterschlag: Sie beweist, dass ein Unternehmen einem Manager höchste Ämter zutraut. Fast alle Absolventen
steigen ein paar Jahre später in oberste Leitungsfunktionen auf. Viele reisen bereits als Topmanager an, wie in diesem Frühjahr Siemens-Bereichsvorstand Lothar Pauly.
Das Tagungsprogramm ist von schnörkelloser Nützlichkeit - Großkaliber der Wirtschaft referieren über Kernthemen der Unternehmensleitung. DaimlerChrysler-Vorstand Rüdiger Grube spricht über Markenmanagement, BASF-Chef Jürgen Strube philosophiert über Führung, Nestlé-Altstar Helmut Maucher erinnert sich seiner Zeit als Konzernchef.
Doch die Vorträge sind nicht das Wichtigste. Entscheidend ist, was in der Freizeit geschieht. Sich abends oder wochenends hinter dem Laptop zu verschanzen gilt als
verpönt. Wer unbedingt mit seiner Firma telefonieren muss, kann das vor dem Frühstück erledigen.
Der Weg dorthin
Jürgen Bertsch, Geschäftsführer des Trägervereins, macht möglich, wonach immer es die Damen und Herren gelüstet: Go-Kart fahren oder Kochen, Theaterbesuche oder Kneipennächte.
In solch trauten Runden mutieren ehemals reservierte, kontrollierte Hochleistungsarbeiter bald zu Duzfreunden, die sich nach ein paar Tagen ihre intimsten Sorgen erzählen. Oft werden aus Zufallsbekannten enge Verbündete, die sich auch später weiterhelfen.
Zahllose Anekdoten berichten davon, wie sich in Baden-Baden die Richtigen fanden. Beispielsweise die Geschichte von Henning Schulte-Noelle und Ihno Schneevoigt: Der Allianz-Chef und sein Personalvorstand besuchten 1985 gemeinsam einen Kurs im Palais Biron. Schneevoigt arbeitete damals für IBM. Sieben Jahre später holte ihn
Schulte-Noelle nach München.
Auch zwischen Referenten funkt es. So moderierte der ehemalige RWE-Finanzvorstand Clemens Börsig 1999 eine Diskussionsrunde, Ex-Deutsche-Bank-Vorstand Rolf-E. Breuer saß auf dem Podium. Überraschend blieb Breuer zum Mittagessen und zog Börsig ins Gespräch. Ein halbes Jahr später wechselte Börsig in die Führung der Deutschen Bank.
Den Teilnehmerkreis komponiert Organisator Bertsch gemeinsam mit Günther Fleig, Personalvorstand bei DaimlerChrysler, und dem ehemaligen DZ-Bank-Topmanager Friedrich-Leopold von Stechow.
Ersten Zugriff auf die Plätze haben Unternehmen, die dem Trägerverein angehören. Aber auch Nichtmitgliedsfirmen können Manager entsenden. Selbst für "Seiteneinsteiger", sagt Bertsch, also Manager aus Ost-Unternehmen, Frauen,
Wissenschaftler oder Politiker, werden Plätze reserviert.
Interessierten sei allerdings eine ausdrückliche Warnung mitgegeben: Sich selbst ins Gespräch zu bringen, ist so ziemlich der sicherste Weg, niemals eingeladen zu werden - das gilt übrigens auch für Referenten. Auf wohlwollende Prüfung kann nur hoffen, wer von jemandem empfohlen wird, der das Vertrauen von Bertsch, Fleig und von Stechow genießt.
Um das Netzwerk lebendig zu halten, pflegt Bertsch das Vereinsintranet und organisiert für jeden Kurs Folgetreffen - innerhalb von vier Jahren mal in Prag oder London, mal in Lissabon oder Madrid. Danach müssen sich die Ehemaligen
selbst um den Zusammenhalt kümmern.
Natürlich haben sich manche Jahrgänge mit der Zeit aus den Augen verloren. Selbstredend auch, dass sich hier und dort ein Gefälle auftut zwischen den extrem Erfolgreichen und den minder Glücklichen.
Da geht es in Baden-Baden nicht anders zu als in anderen Zirkeln: Das Netz hilft nur den Tüchtigen. Doch diesen oft ein Leben lang.
Im Profil: Schule der Manager
Organisation: Rund 100 namhafte deutsche Firmen tragen die 1955 gegründete "Gesellschaft zur Förderung des Unternehmernachwuchses", die die Baden-Badener Unternehmergespräche veranstaltet.
Zugang: In der Regel auf Empfehlung des Arbeitgebers.
Auswahl: Sieben Jahre Führungserfahrung, davon zwei in der Firmenleitung oder eine Stufe darunter.