Interview Nachtasyl für Betuchte
mm:
Herr Bartels, was möchten Sie als Gast in einem Spitzenhotel auf gar keinen Fall erleben?
Bartels: Dass ich eine Reservierung habe. Und gesagt bekomme, es gebe kein Zimmer.
mm: Welche Dienstleistung, welche Ausstattung halten Sie in der Topkategorie für unverzichtbar?
Bartels: Heute geht es immer zuerst um Bad und Bett. Luxushotels wurden ehedem für Leute mit Geld und Macht gebaut. Das waren alte Männer, die nichts vom Bad hielten. Heute kommen auch junge Leute, Männer und Frauen. Denen ist weniger an Gold und Schnörkeleien gelegen als vielmehr an Bad und Bett. Den Anstoß für ein angemessenes Bad gaben ausschließlich die Frauen. Wir Männer haben das nicht vorangetrieben, aber wir sind auch nicht dagegen.
mm: Und das Bett?
Bartels: Die neue Matratze in unseren Hotels ist 38 Zentimeter stark. Immerhin gibt es noch Leute in meinem Gewerbe, die 300.000 Euro in ein Zimmer investieren und stolz sind, wenn sie 20 Euro an der Matratze gespart haben.
mm: Sie sind Herr über 144 Vier- und Fünf-Sterne-Hotels in 57 Ländern. Woran erkennen Sie als Gast unfehlbar, ob ein Luxushotel wirklich seinen Preis wert ist?
Bartels: An zwei Dingen: Ein gutes Hotel wird niemals abgeschabt, altmodisch und verbraucht wirken. Und es wird niemals von unfreundlichen Angestellten betrieben. Die altmodische Hotellerie, die oftmals umso arroganter war, je mehr Sterne sie hatte, ist heute erledigt.
mm: Ein Beispiel?
Bartels: Sie möchten essen, das Restaurant ist leer. Und Sie kommen zum Maître d'Hotel, der fragt: Kommen Sie zum Essen? Sind Sie allein? Haben Sie eine Reservierung? Alles unnütz. Dann führt er Sie an einen kleinen Tisch neben die Tür zur Küche. So ein Maître d'Hotel kann ein Restaurant in den Ruin treiben. Ich möchte, dass er stattdessen sagt: Guten Abend, ich habe noch keinen Gast, bitte suchen Sie sich den Tisch aus, den Sie möchten, unser Koch steht zu Ihrer Verfügung.
"Ein hohes Preisniveau wird erwartet"
mm: Mit einem ehrgeizigen Investitionsprogramm - zwei neue Hotels jeden Monat - wollen Sie an die Spitze der internationalen Hotellerie. Geld spielt keine Rolle?
Bartels: Doch, Geld spielt immer eine Rolle. Man kann nicht neue Hotels bauen, ohne fest an deren Erfolg zu glauben. Wir haben gerade ein Hotel in München eröffnet: Im ersten Monat waren wir bei den Umsätzen unter dem Durchschnitt der Stadt, im zweiten Monat lagen wir im Durchschnitt, im dritten und vierten Monat bereits über Durchschnitt. Dieses Hotel ist also gut angekommen. Ein weiteres bauen wir gerade an der Außenalster in Hamburg. Und wir haben die Verträge für den Neubau im Airrail Center am Frankfurter Flughafen unterschrieben ...
mm: ... dem neuen Bahn-Terminal.
Bartels: Ja, die Plattform ist schon gebaut. Dort werden allein mit der Bahn 3,6 Millionen Menschen pro Jahr erwartet, 49 Millionen am Flughafen. Und es entsteht eine gewaltige Hotelnachfrage.
mm: Von Krisenstimmung ist in der Spitzenhotellerie keine Rede?
Bartels: Wir sind ein zyklisches Gewerbe. Ich bin jetzt 40 Jahre dabei und habe viele Zyklen erlebt. Wenn der Trend nach unten zeigt, dann ist Zeit für Renovierungen, das Training des Personals und die Investition ins Marketing. Damit wir, wenn es wieder aufwärts geht, umso besser gewappnet sind.
mm: In deutschen Metropolen sind die Hotelpreise vergleichsweise niedrig. Dennoch entstehen allenthalben - Berlin voran - neue Herbergen. Goldene Zeiten für den Gast?
Bartels: Die deutschen Großstädte sind im Vergleich zu London, Paris oder New York ausgesprochen billig. Wenn Deutsche ins Ausland fliegen, bezahlen sie sehr wohl die höheren Preise. Der Gast schaut, je weiter er fliegt, umso weniger aufs Geld.
mm: Warum?
Bartels: Wenn das Flugticket 6000 Euro kostet, ist es gleichgültig, ob für Bad und Bett 20 oder 30 Euro mehr oder weniger bezahlt werden. Wer nach New York fliegt, etwa um am nächsten Morgen ein Gespräch mit dem Bürgermeister zu führen, der will auf alle Fälle gut ausgeschlafen sein. Und nicht 8000 Euro ausgegeben haben für eine Stunde Arbeit, während der er vor Müdigkeit nur halb anwesend ist.
mm: Wir dürfen schlussfolgern, dass Sie sich diese transatlantischen Preise auch für Deutschland erträumen?
Bartels: Nehmen Sie Berlin. Hier gibt es 14 Fünf-Sterne-Hotels, vier weitere werden gebaut. Eben weil ein hohes Preisniveau erwartet wird ...
"Der Erfolg gibt uns Recht"
mm: ... trotz des Wettbewerbs?
Bartels: Berlin ist die Kapitale von Deutschland und Drehscheibe Europas. Das ist ja nicht geträumt. 200.000 Menschen mit ihren Angehörigen siedeln sich hier zusätzlich an, um zu arbeiten, es gibt 127 Botschaften mit ihren Angestellten und vielen Besuchern. Überdies ist Berlin auch kulturell eine Reise wert. Und das wird sich noch beschleunigen. Darauf bauen wir, wenn wir unser Haus in circa zwei Jahren eröffnen.
mm: Sie wollen auch in der Qualität ganz nach oben und Ihre Wettbewerber Four Seasons und Ritz-Carlton womöglich abhängen. Zum Beispiel mit Kunst und Hightech auf den Zimmern. Reicht das aus?
Bartels: Unser Art & Tech-Programm umfasst das Design und die IT-Ausstattung in den Zimmern. Ich habe es zusammen mit Yvonne Golds entwickelt, einer bekannten Designerin von Museumsausstellungen. Inzwischen verfügen wir über hunderte dieser Zimmer und zählen tausende von Übernachtungen darin. Der Erfolg gibt uns Recht: Ich habe 97 Prozent Preiszustimmung - die Gäste bezahlen den höheren Preis für das teure Bett, die teure Kunst und das teure Badezimmer.
mm: 106-Zentimeter-Fernsehbildschirm, elektronisch gesteuerte Betten, Vitrinen mit Kunstobjekten, das Stück Hermès-Seife - ist es das, was der Manager auf Reisen sucht?
Bartels: Das ist alles durch Marktforschung untermauert. Wir hatten Probezimmer eingerichtet, von denen auch unsere Bankiers überzeugt waren. Für die zählen nicht meine Worte, die wollen was sehen und fühlen.
mm: Wie viel wissen Sie über Ihren wichtigsten Gast, den reisenden Manager? Was sind seine Vorlieben und Wünsche?
Bartels: Wir haben ständig eine sehr präzise Marktuntersuchung laufen, jede Nacht nämlich. Drei Tage später rufen wir jeden Gast an und befragen ihn nach seinem Eindruck. Von daher wissen wir: Ein Teil unserer Gäste liebt das Traditionelle, für die halten wir weiterhin Einrichtungen mit Goldrahmen und dicken Polstern vor. Ein anderer Teil möchte es modern, für den haben wir das Art & Tech-Konzept entwickelt.
mm: Welche Rolle spielen Spa und Restaurant in Häusern der Luxuskategorie?
Bartels: Eine große Rolle. Die Restaurantkultur in Westeuropa ist allerdings so ausgeprägt, dass es für Hotels schwierig ist, sich in diesem Überangebot zu behaupten. Notwendig ist das Hotelrestaurant eigentlich nur in unterentwickelten Ländern, wo es sonst nichts gibt. So haben wir Hotels in Afrika, in denen das Restaurant zugleich das beste des Landes ist ...
"Das Frühstück als Gastgeschenk"
mm: ... das gilt in etwa auch für das Fitnessangebot Ihrer Häuser?
Bartels: Das ist sicher wichtig, aber nicht kriegsentscheidend. Nur eine Minorität macht die Hotelauswahl davon abhängig, ob ein Spa vorhanden ist. Und vielfach wird nach einem Swimmingpool gefragt, den dann doch niemand in Anspruch nimmt.
mm: Verraten Sie uns das Geheimnis, warum der Mieter eines Einzelzimmers zum Preis von 250 Euro auch noch das Frühstück separat berechnet bekommt - mit rund 18 Euro?
Bartels: Diese Frage kann nur aus Deutschland kommen. Der Rest der Welt fragt so etwas nicht, weil dort das Frühstück nie im Preis enthalten war. Die Deutschen haben ohnehin die niedrigsten Preise in Westeuropa und wollen von uns dann noch das Frühstück als Gastgeschenk.
mm: Uns kommen die Tränen.
Bartels: Unser Gewerbe hat nur eine kleine Gewinnspanne. Besonders bei Speisen und Getränken ist die Marge sehr, sehr klein. Weil der Service so teuer ist.
mm: Die Hotelkette Ritz-Carlton wurde bis vor kurzem von Horst Schulze geleitet, Four Seasons wird von Wolf Hengst geführt, Le Méridien von Ihnen. Was bringen Deutsche in der Luxusklasse zu Wege, was andere nicht können?
Bartels: Um 1950 hatten die Amerikaner eine Idee. Sie wollten die Hotellerie weltweit als Industrie aufziehen, hatten aber nicht die richtigen Leute. Die holten sie sich aus Europa, wo es diese wunderbaren alten Traditionshotels gab, wie wir sie aus den Romanen Thomas Manns, aber auch Ernest Hemingways kennen. So zogen Schweizer, Österreicher, Deutsche nach Amerika und lehrten dort die hohe Schule der Herbergswirtschaft. Und einige von ihnen gelangten halt an die Spitze.
mm: Was ist für Sie absoluter Luxus im Hotel?
Bartels: Bett, Bettwäsche, Seife - alles, was meinen Körper berührt, sollte höchste Qualität haben.
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