SAP Erkaltete Liebe
Am 3. März 2000 führte Mark Hoffmann ein folgenschweres Telefonat. Der Chef des US-Softwarehauses Commerce One bot Hasso Plattner (58), dem Mitgründer der weit größeren deutschen SAP, eine strategische Partnerschaft beider Unternehmen an.
"Ich war zunächst skeptisch", erinnert sich Plattner, "weil SAP und Commerce One in vielen Bereichen Wettbewerber sind."
Doch Hoffmann ließ nicht locker und schaffte es, Plattner zu überzeugen. Im Juni 2000 kaufte SAP eine Minderheitsbeteiligung an Commerce One, beide Firmen vereinbarten, im Vertrieb und in der Entwicklung zu kooperieren. Unter massivem Einsatz des Begriffs "visionär", wurde die Ehe als Schulterschluss zwischen alter und neuer Wirtschaft gefeiert.
Wäre Plattner doch bei seinem Misstrauen geblieben. Zwei Jahre später ist das Bündnis so gut wie am Ende. Lediglich die 23-Prozent-Beteiligung kettet die beiden Partner noch aneinander. Die anhaltenden Verluste von Commerce One reißen Millionenlöcher in die SAP-Bilanz.
Ein Lehrbeispiel, das zeigt: So genannte strategische Allianzen in der Informationstechnologie scheitern häufig an der schnöden Realität in den beteiligten Unternehmen.
Die Kooperation von SAP und Commerce One bestand aus zwei Bereichen. Zum einen verkaufte die SAP-Vertriebsmannschaft eine größtenteils von Commerce One entwickelte Software für Internet-Plattformen, auf denen Unternehmen elektronisch mit Waren handeln können. Der Markt für diese Software war jedoch rasch gesättigt. Bald schon verfügte jede Branche über ihre ein oder zwei bevorzugten Plattformen.
Um für neues Geschäft zu sorgen, bastelte eine gemeinsame Entwicklertruppe von Commerce One und der SAP-Tochter SAP Markets an einer Weiterentwicklung der Marktplatzidee: Nun sollten nicht mehr nur Geschäfte über die Web-Plattform abgeschlossen, es sollten auch die Logistiksysteme der beteiligten Firmen elektronisch miteinander verknüpft werden.
Der abgebügelte Rettungsplan
Anfang 2001 kam das neue Produkt auf den Markt, doch die Umsätze blieben hinter den Erwartungen zurück. Die Kunden konnten der hochfliegenden Idee des Produkts nicht folgen.
Blieb das zweite gemeinsame Geschäftsfeld: Beschaffungssoftware, mit der Unternehmen ihren Einkauf via Internet abwickeln. Hier konkurrieren SAP und Commerce One mit ähnlichen Produkten miteinander. Hoffmann und Plattner trafen eine reichlich naiv erscheinende Vereinbarung: Die Vertriebstruppen beider Unternehmen sollten dem Kunden stets jene Software empfehlen, die für seine Bedürfnisse am besten geeignet ist.
In der Praxis priesen die Verkäufer weiterhin lieber die jeweils eigene Software an. Dem Vernehmen nach gab es in Europa während der Kooperationsphase nur einen einzigen Fall, in dem ein SAP-Team eine Lizenz der Beschaffungssoftware von Commerce One verkaufte.
Der gemeinsame Vertrieb am Starrsinn der Verkäufer gescheitert, das Marktplatzgeschäft vorzeitig erlahmt: Für den SAP-Konzern bilden diese Fehlschläge kaum mehr als eine Kette von Ärgernissen. Commerce One hingegen sank tief in die roten Zahlen.
Hoffmann entwickelte einen Rettungsplan: Commerce One sollte zunächst mit der ebenfalls angeschlagenen SAP Markets fusionieren und dann in den SAP-Konzern integriert werden. Hoffmann flog in die Walldorfer SAP-Zentrale, um sein fertig ausgearbeitetes Fusionskonzept vorzustellen. Doch Henning Kagermann (54), zweiter SAP-Chef neben Plattner, bügelte Hoffmann binnen einer halben Stunde ab.
Seit diesem Tag ist das Verhältnis zwischen Commerce One und SAP erkaltet. Beim Kunden stehen sich Verkäufer beider Firmen längst wieder in erbitterter Konkurrenz gegenüber.
Kagermann und Plattner wiederum wollten die Probleme bei der eigenen SAP Markets in den Griff bekommen, indem sie das Unternehmen mit einer anderen Tochter verschmolzen, der SAP Portals. Die untersteht dem SAP-Vorstand Shai Agassi (34). Zusammen mit SAP Markets hat Agassi auch die Zuständigkeit für die verkorkste Partnerschaft mit Commerce One geerbt.
Ob Agassi eine Lösung für das angeschlagene Softwarehaus findet? Die Zeit drängt. Im ersten Quartal 2002 fraßen die anteilig übernommenen Verluste von Commerce One knapp ein Drittel des SAP-Bilanzgewinns auf.
Ein teures Telefonat, das Plattner und Hoffmann da im Frühjahr 2000 geführt haben.
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