Billigflüge "Keine Gratissemmeln"
mm:
Herr Muscati, wie vertreiben Sie sich die Zeit, wenn Sie im Flugzeug unterwegs sind?
Muscati: Ich ruhe mich aus oder lese.
mm: Was lesen Sie denn, wo es doch auf Ihrer Linie nichts zu lesen gibt?
Muscati: Mitgebrachtes meistens.
mm: Eine Zeitung oder eine Tasse Kaffee zwischendurch können beim Fliegen also doch ganz angenehm sein?
Muscati: Aber auch stören. Auf einer kurzen Strecke kann es für die Passagiere sehr wohltuend sein, wenn sie in Ruhe gelassen werden. Dass sie etwas schlafen können, ohne dauernd von irgendeinem Wagen oder Flugbegleiter aufgeschreckt zu werden. Der Bordservice auf kurzen Strecken ist ein Relikt, das es in Amerika etwa schon lange nicht mehr gibt, ein überholtes Ritual.
mm: Als ehemaliger Lufthansa-Manager haben Sie allerhand Annehmlichkeiten an Bord kennen gelernt. Warum soll der Fluggast der Germania, deren Geschäfte Sie führen, darauf verzichten?
Muscati: Auf einer kurzen Strecke habe ich nicht das Bedürfnis, etwas zu essen. Wenn ich sehe, wie die Brötchen an Bord oftmals aussehen, vergeht's mir sowieso. Der Verzicht auf diesen Service war für uns ein Experiment. Und das ist gelungen, wie die Reaktion der Passagiere zeigt.
mm: Keine Zeitungen, keine Nüsschen, keine Gratissemmeln, keine Lounge, keine Vielfliegermeilen - was muten Sie Ihren Gästen sonst noch zu?
Muscati: Das sind ja keine Zumutungen. Wir versuchen - das ist unser Ehrgeiz und unser Ansatz -, ein sehr preisgünstiges Angebot auf den Markt zu bringen. Die Kosten verursacht nicht im Wesentlichen das Material, sondern die Bereitstellung. Das ist der Wagen, der mit dem Essen an das Flugzeug heranfährt, das ist die Beladung. Wer bereit ist, auf diese Zugaben zu verzichten, kann die Preise senken. Und dies ist schließlich auch ein Service ...
"Der Vorhang ist der Unterschied"
mm: ... niedrige Preise - und sonst gar nichts?
Muscati: Sicher. Wir verstehen unter Produktqualität einen zuverlässigen Flugbetrieb, eine sehr hohe Pünktlichkeitsrate - und die erfüllen wir mehr als alle anderen. Der Wegfall des Services verbessert diese Performance sogar noch. Weil wir nicht nach jedem Flug reinigen und laden müssen, gewinnen wir Zeit und können aufgetretene Verspätungen wieder aufholen. Gerade für den Geschäftsreisenden ist es wichtiger, dass er pünktlich ankommt, als dass er unterwegs Kaffee trinkt.
mm: No Frills, keine Extras, lautet die Zauberformel, nach der Germania und einige andere Fluggesellschaften derzeit das Fliegen billiger machen. Welche Chancen rechnen Sie sich aus?
Muscati: Die Konzepte sind sehr unterschiedlich. Manche Airlines haben sehr wohl Extras an Bord, lassen sich die aber bezahlen. Dabei kommt es sicher auch auf die Länge der Strecke an. Wenn Sie einen Zwei-Stunden-Flug haben, ist es eine andere Situation, als wenn Sie Kurzstrecke fliegen. Letztlich ist das eine Leistungs-Nutzen-Kosten-Betrachtung. Die Reaktionen der Passagiere jedenfalls sind sehr positiv.
mm: Wie hoch ist der Anteil von Geschäftsreisenden unter Ihren Passagieren?
Muscati: Mit Sicherheit über 70 Prozent. Das ist immerhin unsere Hauptzielgruppe. Deshalb wollen wir das innerdeutsche Netz künftig so gestalten, dass wir primär die Früh- und Spätverbindungen forcieren, genau die Zeit, in der die Geschäftsreisenden fliegen.
mm: Eine Business-Class bieten Sie aber nicht an?
Muscati: Nein. Die wird auch gar nicht gebraucht. Der Unterschied zwischen Business-Class und Economy ist doch einzig der Vorhang. Und obendrauf kriegen Sie ein Brötchen, wahrscheinlich das teuerste der Welt.
mm: Ein Flug zwischen Berlin und Frankfurt kostet bei Ihnen 99 Euro ...
Muscati: ... und zwar inklusive aller Gebühren und Steuern. Normalerweise werden die - Beträge bis zu 30 Euro - von den Airlines zusätzlich zum Flugpreis berechnet. Außerdem ist das ein Tarif, der völlig flexibel ist. Sie können immer umbuchen, so oft Sie wollen. Alles zum Einheitspreis. Wenn Sie andere Billig-Airlines nehmen - etwa Ryanair -, kriegen Sie die Flüge nicht unbedingt zum ausgelobten Preis. Und stellen womöglich fest: Statt der versprochenen 30 Euro zahlen Sie effektiv 150 Euro. Das gibt es bei uns nicht.
"Zweimal Weltrekorde geschafft"
mm: Also Berlin-Frankfurt für 99 Euro, während der Fluggast anderswo rund 250 Euro zahlt. Allein durch eingesparte Brötchen bekommen Sie das nicht hin.
Muscati: Wir haben eine sehr schlanke Hierarchie. Wir produzieren nur das selbst, was wir günstiger als Aushäusige bereitstellen können. Wir haben ein Entlohnungssystem, das einzigartig ist: Wir zahlen niedrigere Löhne, aber eine sehr hohe Ergebnisbeteiligung. Damit kann ich günstig kalkulieren, und die Mitarbeiter sind sehr motiviert.
mm: Der Sparkurs wird nicht auf Kosten der Sicherheit geflogen?
Muscati: Nein, auf gar keinen Fall. Wir haben auch dort einen sehr hohen Standard. Bereits zweimal haben wir Weltrekorde geschafft, indem wir Triebwerke über die 3000 Stunden Höchstbetriebsdauer so gewartet haben, dass sie zwischendurch nicht überholt werden mussten.
mm: Die Wartung kaufen Sie zu?
Muscati: Die Wartung machen wir selbst, die Überholung - also die großen Ereignisse - kaufen wir zu. Unter anderem bei Lufthansa.
mm: Auf Ihren Einzelstrecken, von Punkt zu Punkt, sind Sie sehr erfolgreich. Was aber, wenn Sie ein Netz von Verbindungen anbieten würden?
Muscati: Wir wollen keinen Netzbetrieb, wir wollen ein innerdeutsches System Schritt für Schritt aufbauen. Seit Anfang April fliegen wir die Linie Köln-Berlin für 77 Euro. Ab November werden wir Berlin-München bedienen. Und wir arbeiten an Verbindungen Berlin-Stuttgart und Hamburg-München ...
mm: ... jeweils die großen Häfen, keine Provinzpisten wie Ryanair und Co?
Muscati: Nur die Großflughäfen, da unterscheiden wir uns von anderen No-Frills-Fliegern.
mm: Einerseits spartanische Billigangebote, andererseits immer mehr Komfort an Bord: Neuerdings bietet Lufthansa Internet an Bord, Air Canada einen Concierge-Service am Boden. Wohin wird die Reise bei der Geschäftsfliegerei gehen?
"Niemand will den Schnickschnack"
Muscati: Solcher Luxus betrifft die Langstrecke. Auf der Kurzstrecke gibt es konträre Entwicklungen. Die wird immer mehr einer Bahnfahrt ähneln, wo auch niemand den ganzen Schnickschnack will.
mm: Und was ist mit dem Luxuszug Metropolitan, der zwischen Hamburg und Köln verkehrt und Zeitungen, Multimedia, Getränke und sogar einen Business-Lunch im Programm hat?
Muscati: Und, wie es heißt, nicht sonderlich erfolgreich ist.
mm: Neuester Trend aus den USA: United Airlines überlegt, eine Flotte kleinerer Jets einzusetzen, um gut zahlenden Fluggästen mehr Exklusivität und Sicherheit zu bieten. Aussicht auf Erfolg?
Muscati: Diesen Gedanken haben wir vor vielen Jahren schon bei Lufthansa erwogen. Ich glaube nach wie vor, dass so etwas sinnvoll sein kann. Aber nicht für die Germania, wir haben uns auf anderes spezialisiert.
mm: Gibt es irgendetwas anderes als niedrige Preise, womit Sie Gäste zur Germania locken können?
Muscati: Sicher. Das Lächeln und den Charme unserer Stewardessen.
Ryanair: Keine innerdeutschen Flüge TUI: Einstieg ins Billigflieger-Geschäft