Deutsche Bank Knete und arbeite

Für seinen Job als Vorstandssprecher hat sich Josef Ackermann viel vorgenommen. Er will das Institut konsequent auf Profitabilität trimmen und den Börsenwert verdoppeln. Kann der Schweizer halten, was er verspricht?
Von Arno Balzer und Georg Jakobs

Einmal im Jahr versammeln sich die 120 ranghöchsten Manager der Deutschen Bank zu ihrem Gipfeltreffen. Auf das nächste Meeting sind die Führungskräfte besonders gespannt. Zumal der scheidende Vorstandssprecher Rolf-E. Breuer (64) und sein Nachfolger Josef Ackermann (54) den Termin vorgezogen haben, auf Anfang Mai.

Drei Wochen vor dem offiziellen Machtwechsel zur Hauptversammlung am 22. Mai möchte Ackermann sein Regierungsprogramm mit den Führungskräften diskutieren. In einem Hotel in Dublin will er sich ihren Segen für seine Pläne holen.

Typisch Ackermann, sagen viele, die den neuen Vorstandssprecher schon näher kennen. Bevor der Schweizer draußen große Reden schwinge, wolle er sicher sein, dass drinnen alle mitzögen.

Seit dem vergangenen Herbst arbeitet Ackermann an seiner Agenda, mit tatkräftiger Unterstützung von Topberater Roland Berger persönlich. Mit überarbeiteten Unternehmensleitlinien will der neue Bankchef einen Wertewandel anstoßen. Seine Botschaft: mehr Leistungsorientierung, mehr Unternehmergeist, mehr Teamwork und vor allem mehr Rendite für die Aktionäre.

Die Mitarbeiter, durch jahrelangen Streit zwischen Traditionalisten und Modernisierern verunsichert und von permanenten Umstrukturierungen genervt, sollen endlich wieder wissen, wo es langgeht.

Zum Beispiel in der Privatkundensparte. Die immer wiederkehrenden Spekulationen, die Tochtergesellschaft Deutsche Bank 24 könnte verkauft werden, sollen aufhören. Ackermann hat entschieden: Das Retailgeschäft bleibt im Konzern. Eine Ehe mit Lloyds TSB, von Breuer propagiert, ist für ihn kein Thema.

Anders als viele glauben, setzt der neue Chef keineswegs auf Investmentbanking pur, auf das Geschäft mit den internationalen Großkunden. Er sieht die Deutsche Bank als "global operierende, multikulturelle Universalbank".

Ackermann will versuchen, Bilanzkraft und Kapitalmarkt-Expertise zu verbinden, und er erhofft sich von diesem Ansatz einen höheren Shareholder-Value als vom lupenreinen Investmentbanking. So nennt er denn auch als seine Vorbilder nicht Goldman Sachs oder Merrill Lynch, sondern die integrierten Giganten Citigroup und J. P. Morgan Chase. Und so, als integriertes Institut, will er den Konzern auch führen.

Die beiden Teilbanken für das Investmentbanking und für Privatkunden/Vermögensverwaltung - erst vor gut einem Jahr formiert - will er jetzt wieder zusammenfügen. Die Deutsche Bank, so Ackermanns Credo, müsse wieder "als Ganzes auftreten und mit einer Stimme sprechen".

Im Team den Shareholder-Value steigern

Ganz oben auf seiner Agenda steht das Thema Shareholder-Value. Sicher, die Deutsche Bank hat in vielen Geschäftsfeldern international enorm aufgeholt. Für den eingefleischten Shareholder-Value-Verfechter ist es jedoch unerträglich, dass die Frankfurter in der Marktkapitalisierung auf Platz 21 der Weltrangliste abgerutscht sind. Ackermann hat sich vorgenommen, die Deutsche Bank wieder unter die Top Five zu führen. Der neue Chef will das Institut konsequent auf Profitabilität trimmen.

Ackermann weiß, dass die Deutsche Bank immer noch zu breit aufgestellt ist. Sie ist zu komplex, und die Kosten sind nach wie vor zu hoch. Die angepeilte Nachsteuerrendite von 15 Prozent wird von den meisten Geschäftsfeldern deutlich verfehlt. Die Deutsche Bank, fordert Ackermann, muss wieder hart gemanagt werden.

Macht es der Neue besser als sein Vorgänger Breuer?

Die Gesellenprüfung hat er bereits bestanden. Dass die Deutsche Bank im Großkundengeschäft - gemessen am Ertrag ­ auf Rang drei in der Welt aufgestiegen ist, das ist weit gehend Ackermanns Verdienst. Vor allem die Integration von Bankers Trust, für die er verantwortlich zeichnete, gilt als beispielhaft. Hier kamen Ackermanns Tugenden zum Tragen: effizientes und lautloses Arbeiten.

Anders als Breuer, der Meister des öffentlichen Auftritts, will Ackermann stärker nach innen wirken. Die neue Führungsstruktur mit einem stark verkleinerten Vorstand und einem operativ voll verantwortlichen Group Executive Committee gibt ihm alle Macht, seine Agenda auch abzuarbeiten. Ein Vorstandssprecher, auf den alle operativen Berichtslinien zulaufen - diese Voraussetzung hatte bisher keiner von Ackermanns Vorgängern.

Seit das neue Führungsmodell offiziell verkündet wurde, herrscht Ruhe an der Front. Der noch Anfang des Jahres am offenen Marktplatz ausgetragene Streit ist verflogen. Seit Ackermann-Rivale Thomas R. Fischer (54) den Vorstand verlassen hat, gibt es keine Zweifel mehr an der neuen Nummer eins.

Klarheit hat Ackermann auch in der Standortfrage geschaffen. Es gebe keinen Plan und keine Beschlussvorlage, das Hauptquartier von Frankfurt nach London zu verlegen.

Zweifeln an seinem Bekenntnis zur neuen Heimat begegnet er offensiv. Seit mehr als fünf Jahren, seit er für die Deutsche Bank arbeite, vesteuere er hier zu Lande sein Einkommen, erklärt er jedem, der es hören will. Zusätzlich zahle er in der Schweiz noch Vermögensteuer.

Bei den Mitarbeitern in der Zentrale führt Ackermann sich keineswegs so anglophil auf, wie man es ihm nachsagt. Als er im November vor rund 400 Mitgliedern der Skisport-Gemeinschaft der Deutschen Bank - Ackermann ist Vorsitzender - die Saison eröffnen wollte, fragte er in die Runde, wer kein Deutsch verstehe. Einer meldete sich. Dem empfahl er, die Sprache zu lernen. Seine Rede hielt er dann in Deutsch.

Brücken schlagen, Mitarbeiter einbinden - auch das zeichnet Ackermann aus. Geschickt hat er seinen Vorgänger in die Neuausrichtung der Bank eingebunden. Die Führungsstruktur wurde in bestem Einvernehmen mit Breuer sowie den Kontrolleuren Hilmar Kopper (66) und Ulrich Cartellieri (64) verabschiedet.

Teamarbeit, so sagen seine Mitstreiter unisono, ist Ackermann wichtig. Er bildet sich eine Meinung und testet diese in vielen Gruppen- und Einzelgesprächen. Dafür nimmt er sich alle Zeit.

Überall Nachholbedarf

Wenn es aber sein muss, handelt er blitzschnell. So im Frühjahr 1998, als der Star des Investmentbanking, Edson Mitchell, bereits gekündigt hatte, um bei der Schweizer UBS anzuheuern. Binnen eines Tages drehte Ackermann, unterstützt von Kopper, den Abtrünnigen um.

Wenn die Performance stimmt, setzt Ackermann sich für seine Leute ein. Holt jemand aus seinem Beritt aber keinen angemessenen Profit heraus, kann er ungemütlich werden. Dies ist die andere Seite des Josef Ackermann. Der Hobbymathematiker liebt Zahlen. Mitarbeiter sagen ihm einen Hang zum Management by Numbers nach.

Kein Wunder, dass der neue Chef präzise Vorstellungen hat, wie die Deutsche Bank in Zukunft aufgestellt sein soll (siehe "Was der neue Vorstandssprecher Josef Ackermann sich für den Frankfurter Geldprimus vorgenommen hat"). Drei Felder will Ackermann global bearbeiten: das gesamte Investmentbanking, die Vermögensverwaltung (Asset Management) und die Betreuung der Superreichen (Wealth Management Services).

Und fast überall sieht er Nachholbedarf. In der Fusionsberatung (M&A) etwa hat die Bank in Deutschland und Europa zwar große Fortschritte gemacht. In den Vereinigten Staaten, dem wichtigsten Markt, ist sie aber immer noch relativ schwach. In der Vermögensverwaltung hat die Deutsche Bank zwar viel zusammengekauft. Der Ergebnisbeitrag ist jedoch dürftig. Vom neuen Spartenchef Thomas Hughes (44) verlangt Ackermann eine rasche Verbesserung.

Noch weit entfernt von der Weltspitze sind die Frankfurter im lukrativen Wealth Management. Ackermanns Landsmann Pierre de Weck (51) soll das ändern - notfalls mit einer Akquisition. Als Basis für eine globale Plattform kommt vor allem eine der noblen Genfer Adressen in Frage.

Aufräumarbeiten warten vor allem auf dem Heimatmarkt. Jahrelang mühte Breuer sich um eine Lösung für die Privatkundentochter Deutsche Bank 24. Mal wollte er sie verkaufen, mal lud er Wettbewerber "zum Andocken" ein. Zuletzt kündigte er eine europäische Offensive an mit dem Ziel, nach fünf Jahren auf dem Kontinent die Nummer eins im Privatkundengeschäft zu sein.

Unter Ackermann soll Schluss sein mit dem Zickzack-Kurs. Er will die Bank 24 mit ihren gut zwölf Millionen Kunden behalten, schon wegen der Vertriebspower und der relativ billigen Refinanzierungsbasis.

Die Tochtergesellschaft wird jedoch neu strukturiert. Das Geschäft mit den kleinen Privatkunden (Personal Banking) soll sie nur noch in Deutschland betreiben, ebenso das "Business Banking" (Geschäftskunden). Nur die betuchtere Klientel mit mindestens 300.000 Euro Anlagegeld - im Finanzjargon die Affluents - wird europaweit bedient.

Und den Namen der Bank 24 will Ackermann ändern, schlicht in Deutsche Bank. Damit will er signalisieren, dass es keine Kunden zweiter Klasse mehr geben soll.

Auch im Geschäft mit dem Mittelstand will sich die Deutsche Bank auf den Heimatmarkt beschränken und stärker auf die anspruchsvollen, innovativen Unternehmen konzentrieren. Im reinen Kreditgeschäft, so Ackermann, lassen sich nur magere Renditen verdienen. Deshalb sollen die Firmenkundenbetreuer künftig nur noch Geld verleihen, wenn sich zusätzlich profitablere Kapitalmarkt- und Beratungsprodukte verkaufen lassen. Motto: "Es muss Schluss sein damit, dass die Deutsche Bank den Kredit vergibt, die Schweizer die Vermögensverwaltung kassieren und die Amerikaner die Beratungsmandate."

Es fehlt noch an Rentabilität

Große Pläne. Doch Ackermann weiß, dass es mit einer strategischen Kurskorrektur allein nicht getan ist.

Quer durch den Konzern muss er die Kosten drücken. Einsparungen von zwei Milliarden Euro - die Vorgabe stammt noch von Breuer - sollen es jährlich werden. Ackermann will die Komplexität reduzieren. Das Geldhaus leistet sich teure Parallelorganisationen an mehreren Standorten, Dependancen in mehr als 70 Ländern und hält vielerorts fast sein gesamtes Produktspektrum vor.

Zwei Jahre setzt Ackermann für die Umsetzung seines Programms an. Obwohl er sich hier mit Zahlen gegenüber der Öffentlichkeit zurückhalten will: Er hat sich vorgenommen, die Aufwand-Ertrag-Relation deutlich zu drücken. Derzeit gibt die Bank für jeden Euro, den sie einnimmt, gut 90 Cent aus; Ziel sind 65 Cent.

Ackermann steht mächtig unter Druck. Sollte er seine Renditeziele nicht bald erreichen, könnte die Deutsche Bank akut übernahmegefährdet sein. "Dann", so Ackermann, "bin ich nicht sicher, dass wir in zwei Jahren noch Deutsch sprechen."

Ein zweites Szenario wäre ebenso unangenehm. Was ist, wenn die Konkurrenz ihm keine Zeit lässt, wenn der US-Gigant Citigroup vor der Haustür zuschlagen und eine Schweizer Großbank übernehmen würde?

Das würde die Frankfurter notgedrungen in eine Fusion treiben. Beim derzeitigen niedrigen Börsenwert müsste sie sich dann wohl mit der Rolle des Juniorpartners zufrieden geben - das Ende der glorreichen Deutschen Bank.

Ackermann lässt sich durch derlei Gedankenspiele nicht von seinem Kurs abbringen. Er hat sich das Ziel gesetzt, den Börsenwert der Deutschen Bank mehr als zu verdoppeln, auf mindestens 100 Milliarden Euro.

Mit einem solchen Kampfgewicht könnte er das Fusionsmonopoly - so es denn ansteht - lockerer angehen. Aus einer Position der Stärke. Alles andere widerspricht Ackermanns Naturell.

Weiter zu: Wohin die Deutsche Bank will


Porträt: Josef Ackermann - der stille Macher Wertewandel: Die neuen Konzernleitsätze Führungsstruktur: Ackermanns Machtzentrum

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