Unaufgeregt sei er, sagen seine Partner bei Egon Zehnder,
manche sprechen sogar von einem "gesunden Phlegma". Der in
Holstein aufgewachsene gebürtige Berliner Wilhelm Friedrich
"Fritz" Boyens (56) hat in der Beraterbranche den Ruf, daß
ihn so schnell nichts aus der Fassung bringt.
Das bedächtige Image kann sich der ehemalige
Außenstürmerprofi ("der pfeilschnelle Boyens") des
Hamburger SV gut leisten: Wenn es darauf ankommt,
unterschätzt niemand den Antritt des
Deutschland-Statthalters von Egon Zehnder International,
der vor seinem Jurastudium die Höhen und Tiefen im
Spitzenfußball erlitt und erlebte.
Wer einmal den Atlantik durchquert hat, den schreckt keine
Pfütze mehr. So bewahrte Boyens auch Anfang der 90er Jahre
kontemplative Ruhe, als im Hohen Stift des
ultrakonservativen Executive Search die Fratres
scharenweise zu neuem Glauben konvertierten.
Unzufrieden mit langen Karriere- wegen, starren
Vergütungssystemen und dem ach so leisen Marktauftritt des
Imageführers kehrten Topberater und Nachwuchstalente dem
strengen Zehnder-Regiment reihenweise den Rücken.
Die Abwanderung zur besser zahlenden Konkurrenz leerte vor
allem das Frankfurter Büro, in dem eine Zeitlang kaum
jemand mehr das Licht anknipste.
Davon unbeeindruckt hielt Boyens am kühlen Understatement
als Unternehmensphilosophie fest, so wie es Firmengründer
Egon Zehnder (69) seinen Partnern einst eingetrichtert
hatte.
Für den Schweizer Branchenpionier ist Headhunting noch
heute ein Unwort, und auch seinem Musterschüler Boyens
kommt diese Berufsbezeichnung nur schwer über die Lippen.
Bei Egon Zehnder wird beraten, es werden Probleme gelöst;
eine "Liefermentalität" (Boyens) wollen die
Traditionalisten erst gar nicht aufkommen lassen.
Bei der anspruchsvollen Klientel kommt der
Zehnder-Konservatismus um so besser an, je schriller die
Konkurrenz am Markt agiert. Die Nummer drei in der
deutschen Personalberaterszene hat wieder Tritt gefaßt und
wächst: zweistellig im Honorarumsatz, wie man diskret
versichert.
Die aufgefrischte Boyens-Truppe aus ausgeschlafenen
Jungakademikern (zwei Abschlüsse sind Pflicht) gilt bei
Deutschlands feinsten Adressen inzwischen wieder als erste
Adresse, in Stuttgart bei DaimlerChrysler beispielsweise
oder bei Siemens in München.
Zur Zehnder-Renaissance trägt der soignierte Mann vom
Ballindamm dank seines gewachsenen Beziehungsgeflechts eine
Menge bei. Boyens, der seinen Weg in einer Hamburger
Rechtsanwaltssozietät begann und in den 70er Jahren bei
Erno in Bremen (Spacelab-Programm) das Kaufmännische
erlernte, öffnet heute den jüngeren Partnern viele Türen in
den Topetagen.
Denn einen Teamverlust wie zu Beginn des Jahrzehnts mag der
Mannschaftssportler bei Egon Zehnder nicht mehr
erleben.
Dieter Rickert: Der Altstar der Branche