Geldanlage Umschichten
Kleinigkeiten wie eine Weltfinanzkrise können Alfred Roelli nicht sonderlich beeindrucken. Der Mann ist sogenannter Börsenbulle und damit Vertreter des pekuniären Zweckoptimismus. "Bis Ende des Jahres hat sich der Dax wieder auf 6000 Punkte erholt, verspricht Roelli, Leiter des Private Banking bei der Deutschen Bank. Die steigenden Gewinne der Unternehmen trieben den Deutschen Aktienindex bald wieder nach oben, glaubt der Optimist.
"Das ist nur Gesundbeterei, widerspricht der Münchner Vermögensverwalter Jens Ehrhardt. Angesichts der Asien- und Rußland-Krise müßten die Gewinnprognosen für das nächste Jahr gründlich nach unten revidiert werden. Der Geldexperte, man ahnt es: ein sogenannter Börsenbär, hat bereits Konsequenzen gezogen: "In unsicheren Zeiten lasse ich die Finger von Aktien. Er rät: "In doubt stay out.
So gespalten wie zur Zeit war das Lager der Börsenprofis schon lange nicht mehr. Ist die Jahrhunderthausse zu Ende? Der Deutsche Aktienindex fällt seit Wochen. Allein im August verlor er fast 18 Prozent. Dies ist der schärfste Kurseinbruch binnen Monatsfrist seit September 1990. Behalten die Bären etwa recht?

Noch ist die Lage unklar. Selbst dem einst überzeugten Wall-Street-Bullen Ralph Acampora, Chefanalyst des New Yorker Brokerhauses Prudential, haben die Krisen jede Freude an optimistischen Prognosen verdorben Wechsel-Kurs. Bis auf 7400 Punkte, so seine Prognose, könnte der Dow-Jones-Index jetzt fallen.
Auch die sonst optimistischen Experten der US-Investmentbank Goldman Sachs sehen Gefahren. Die weltweiten Kurseinbrüche, prophezeit Goldman-Sachs-Topstratege Jeffrey Weingarten, hätten fatale Auswirkungen auf die Konjunktur in den Industriestaaten. Vor allem für die USA sieht Weingarten schwarz. Folge: "Die US-Wirtschaft kann die Weltwirtschaft nicht mehr mitreißen.
Das bekommen die Anleger zu spüren. Dem deutschen Aktienmarkt ist es nicht gelungen, sich von der Weltleitbörse in New York abzukoppeln. Auch wenn hiesige Banker immer wieder behaupten, die Krisen in Japan und Rußland gefährdeten deutsche Unternehmen nicht die Aktienkurse fallen auf breiter Front. "Eine Diversifikation zwischen den verschiedenen Weltaktienmärkten funktioniert nicht, sagt Thomas Neisse, Asset-Manager der HypoVereinsbank in München. In Crash-Situationen seien alle Börsen gleichermaßen betroffen: Fallen die Kurse in den USA, fallen sie auch in Europa.
Neisse glaubt nicht, daß sich nach den jüngsten Kurseinbrüchen eine Jahresend-Rallye anschließt und die Aktien rasant klettern wie 1997. "Ich erwarte für längere Zeit eine Waschbrettformation, erklärt der Vermögensverwalter. Das bedeutet teilweise stark schwankende Kurse. Vertrackt an dieser Konstellation: Die alten Rekorde werden so schnell nicht wieder erreicht. Nach oben geht es erst wieder nach einer längeren Pause.
Gewiß, auf lange Sicht haben sich die Bullen an den Aktienmärkten immer behauptet (siehe Graphik). Deswegen schauen sie jetzt wieder hoffnungsfroh in die Zukunft. Die Optimisten wissen: Wer rechtzeitig in Aktien investiert hat und warten kann, zählt fast immer zu den Gewinnern. Anleger, die beispielsweise Anfang dieses Jahres deutsche Blue chips gekauft haben, liegen bei mehr als der Hälfte der Dax-Titel immer noch im Plus trotz der jüngsten Talfahrt an der Börse.
Allerdings sei jetzt eine Zeit der Besinnung gekommen, sagt Asset-Manager Neisse. Das Depot sollte überdacht und eventuell neu strukturiert werden. Die hektische Flucht in festverzinsliche Wertpapiere zum Beispiel könne sich schon bald als Fehlentscheidung erweisen. Auch Anleihen sind volatil. Ein leichter Zinsanstieg genügt, und sprunghafte Investoren erleben ihren zweiten Crash, diesmal mit Obligationen.
Anleger könnten in turbulenten Zeiten eine Bauchlandung vermeiden, wenn sie bestimmte Spielregeln beachteten. Neisses Empfehlungen:
- Suchen Sie sich ein Investmentthema und verfolgen Sie es unbeirrt. Wer beispielsweise von der Restrukturierung des Bankensektors überzeugt ist, sollte jetzt Aktien der Geldhäuser kaufen egal, ob die Branche derzeit unter der Krise leidet.
- Realisieren Sie begrenzt Kursverluste. Es kann sinnvoll sein, Aktien innerhalb der sechsmonatigen Spekulationsfrist jetzt mit Verlust zu verkaufen. Wer sich von neuen Investitionen kurzfristig hohe Gewinne verspricht, kann diese dann mit den Verlusten verrechnen. In diesem Fall streicht der Anleger die Erträge steuerfrei ein.
- Aktien nachkaufen. Wer von den Werten in seinem Depot überzeugt ist, sollte die Aktien, wenn sie wie jetzt besonders billig sind, nachkaufen. Grundsätzlich gilt für Börsenturbulenzen: nicht die gesamte Liquidität auf einmal einsetzen.
Sein Geld verteilt der Asset-Manager zu gleichen Teilen auf amerikanische Dollar-Obligationen, deutsche Geldmarktfonds, internationale Blue chips; dazu einen Fonds für europäische Nebenwerte.