Geschäftsberichte Formkrise
Im Grunde ist es ganz einfach: Soll ein Produkt gefallen, muß es ansprechend verpackt werden. Das gilt auch für Geschäftsberichte. Nur wenn die Optik gut ist, wird es den Lesern leichtgemacht, die Informationen schnell zu finden und zu verstehen.
Doch leider sieht es in der Kategorie Gestaltung im mm-Test noch düsterer aus als bei Inhalt und Sprache.
Zu diesem Fazit kommt der Mainzer Designprofessor Olaf Leu, der mit seinem Team anhand einer Checkliste von 33 Kriterien die visuelle Gestaltung der Geschäftsberichte gründlich geprüft hat. "Die meisten Unternehmen", so Leus Urteil, "können sich nicht darstellen."
Den Firmen fehlt der Mut zu einem eigenen, individuellen Auftritt; viele Berichte heben sich in der Gestaltung kaum voneinander ab. Der Unterschied zu englischen und amerikanischen Reports ist besonders kraß. "Deutsche Unternehmen", klagt Jury-Mitglied Klaus Rainer Kirchhoff, "verkaufen sich im Vergleich zur US-Konkurrenz häufig unter Wert."
Zudem seien deutsche Berichte überwiegend zu technisch, mahnt Designer Leu. Sie muten schon vom Schriftbild her wie Produktprospekte an und nicht wie Lesewerke. So entstehe "keine Atmosphäre".
Der Geschäftsbericht als Imagebroschüre
Vermutlich halten viele Firmen die Optik ihrer Berichte schlicht für unwichtig. Vielleicht überfordert sie aber auch die Fülle von Faktoren, die es bei der Gestaltung zu beachten gilt. Zu einer guten Optik gehören die richtige Schrift, eine eigenständige Photoauswahl, der gezielte Einsatz von Farben und aussagefähige Diagramme und Graphiken. Wichtig ist auch die Auswahl des Papiers und die Gestaltung des Umschlags.
Wer diese Details als Nebensächlichkeiten abtut, verschenkt die große Chance, sein Unternehmen zu präsentieren, den Geschäftsbericht als Imagebroschüre zu verstehen. Designer Leu geht mit Ignoranten deshalb hart ins Gericht: "Es ist eine Frage der Wertschätzung", so der Professor, "ob der Vorstand es den Aktionären leichtmacht, sich über ihr Unternehmen zu informieren oder nicht."
Die beste Optik
Der Geschäftsbericht von Heidelberger Druckmaschinen überzeugt durch seine Übersichtlichkeit. Das einspaltige Layout ist in der lesefreundlichen Type Univers gehalten. Alle Kapitel sind schnell zu finden. Ein gestanztes Kopfregister im Mittelteil des Reports informiert detailliert über die einzelnen Sparten des Unternehmens. Dort findet sich auch ein ausklappbares Sonderblatt mit Diagrammen. Die überwiegend schwarzweißen Bilder sind eigens für den Bericht photographiert worden. Zum leichteren Aufblättern verwendet Heidelberger Druck eine mattlackierte Spiralbindung. Ein aufklappbarer Umschlag in Faltschachtelstärke schließlich, der die Spiralbindung verdeckt, schützt den 94 Seiten starken Innenteil. "Gestalterisch ist dieser Geschäftsbericht ein Meisterwerk", urteilt Designer Leu. |
Bei der Wahl der Schrifttype zum Beispiel liegt Gesamtsieger Daimler-Benz klar vorn. Der Stuttgarter Konzern verwendet ein maßgeschneidertes typographisches System, das aus drei verschiedenen Schriften besteht; je nach Art der zu transportierenden Information setzt Daimler eine andere Type ein. "Ein Unternehmensimage beruht auch auf dem Ausdruck eines eigenen Schriftbildes", erklärt Leu.
Bei den Photos fehlt ein klares Konzept
Ein weiterer Trend ist die Veränderung der Formate. Einige Unternehmen wählen das sogenannte US-Format. Es ist nur wenige Zentimeter kleiner als die deutsche Din-A4-Norm, liegt dadurch aber besser in der Hand. Der Designer nennt das eine gefälligere Proportion.
Zwei Unternehmen, Boss und BMW, waren besonders kreativ und haben ihren Geschäftsbericht als Buch herausgebracht. Für Leu ist die Wahl dieses sogenannten Almanachformats eine zukunftsträchtige Entscheidung. Doch offenbar liegt die Begeisterung mehr bei dem Designer als bei den Anwendern. Leu berichtet von Analysten, die sich nur ungern durch das mit über 240 Seiten sehr umfangreiche Werk von BMW gearbeitet hätten.
Bei Schaubildern und Diagrammen ist generell wieder mehr Übersichtlichkeit eingekehrt. In den vergangenen Jahren waren dreidimensionale Graphiken in Mode. Diese technischen Spielereien vergleicht Designer Leu gern mit der aufwendigen Computertechnik von Hollywood-Science-fiction-Filmen. Die Graphiken vieler Geschäftsberichte wurden durch diesen Trend völlig unverständlich. "Steven Spielberg ist auf dem Rückzug", lobt Leu daher die neue Klarheit.
Bei der Verwendung von Photos muß sich dagegen noch viel verbessern. Nur selten ist hier ein klares Konzept zu erkennen. Leu rügt vor allem die Verwendung zugekaufter Agenturphotos, die Motive ohne direkten Bezug zum Unternehmen zeigen. "Die zugekaufte Szene eines Vertreters, der in Dresden unterwegs ist, ist schlicht unwahr", klagt der Designer.
Gekonnt gestaltet
Die Einzelsieger in der Kategorie Optik |
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Die beste Illustration: | SAP |
Die besten Diagramme: | Altana |
Das beste Photocomposing: | Pro Sieben |
Die beste visuelle Gliederung: | Heidelberger Druck |
Die innovativsten Beigaben: | Audi |
Die beste Titelseite: | Marbert |
Weitere Informationen zur visuellen Analyse nach 33 Kriterien und Kommentar: Prof. Olaf Leu, Fachhochschule Mainz, Fax-Nummer: 06 11/5 31 98 68. |
Statt dessen wird in den meisten Berichten unüberlegt oft Farbe eingesetzt. Farbige Photos sollten aber nur gezielt und sparsam eingesetzt werden. Ein Schwarzweißphoto sei in den meisten Fällen die bessere Lösung und wirke zudem oft eleganter, so Leu.
Wer sich anschauen will, wie gute Gestaltung aussieht, dem empfiehlt Leu den Geschäftsbericht der Heidelberger Druckmaschinen AG (siehe Kasten). Beim Gesamtsieger in der Kategorie Optik gerät der Professor ins Schwärmen: "Der Bericht ist durch und durch gelungen und legt die Meßlatte hoch."
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