Geschäftsberichte Die neue Info-Elite
Großer Auftrieb im Ballsaal des Frankfurter "Arabella Sheraton Grand Hotels". manager magazin hatte zur Preisverleihung des alljährlichen Wettbewerbs "Der beste Geschäftsbericht" geladen, und gut 200 Vertreter der Financial Community kamen.
Vorstände, Fondsmanager, Kommunikations- und Investor-Relations-Profis diskutierten angeregt die Themen des Tages: Rußland-Krise, Holocaust-Klagen, Börsenentwicklung - und die spannende Frage, wer von ihnen in diesem Jahr den großen manager-magazin-Test gewonnen hatte.
Rolf-E. Breuer, Vorstandssprecher der Deutschen Bank und Festredner bei der manager-magazin-Veranstaltung, brachte die zunehmende Bedeutung der jährlichen Reports auf den Punkt: "Der Geschäftsbericht ist für uns das wesentliche Instrument im Wettbewerb um Kapital, Kunden, Mitarbeiter und - last but not least - um unser Ansehen in der Öffentlichkeit."
Die Herausforderung für die Zukunft sei, im Geschäftsbericht den unterschiedlichen Ansprüchen deutscher und internationaler Aktionäre gleichermaßen gerecht zu werden. "Das fängt bei der Sprache an", sagte Breuer. "Benutzt man zu viele englische Ausdrücke, heißt es gleich, man sei der deutschen Sprache nicht mehr mächtig." Andererseits verlangten gerade ausländische Investoren präzise Informationen. Da komme man um manche Fachtermini nicht herum.
Der Deutsche-Bank-Chef hat das Dilemma im hauseigenen Geschäftsbericht gut gelöst. Er landete im mm-Rating unter den Banken auf Platz zwei. Die größte Stärke des Deutsche-Bank-Reports: seine exzellente Sprache. Außerdem wurde das Geldinstitut Branchenprimus in der Kategorie Inhalt.
Vom Qualitätsstandard des größten deutschen Bankhauses sind die meisten anderen Unternehmen weit entfernt. 540 Geschäftsberichte bewertete die mm-Jury, 217 erreichten weniger als 37,5 Prozent der maximalen Punktzahl. Das Juryurteil: "mangelhaft".
Kein Ruhmesblatt für die Manager dieser Firmen. Dabei müßten sie wissen, daß eine offene und faire Kommunikation mit den eigenen und potentiellen Aktionären rund um den Globus für den langfristigen Erfolg eines Unternehmens von entscheidender Bedeutung ist.
"Bei vielen Firmen ist nur das Geld der Aktionäre willkommen, die Eigentümer sind es aber nicht", kritisiert Professor Jörg Baetge, wissenschaftlicher Leiter der managermagazin-Untersuchung und einer der renommiertesten deutschen Bilanzforscher.
Unter der Federführung von Baetges Institut für Revisionswesen an der Universität Münster werden alljährlich die Geschäftsberichte der 500 größten deutschen sowie der 40 größten europäischen Unternehmen mit äußerster Gründlichkeit geprüft.
Ziel des Wettbewerbs: Die Unternehmen sollen motiviert werden, endlich die Interessen der Aktionäre in den Mittelpunkt zu stellen. Stichwort: Shareholder Value. Inhaltlich aussagekräftig müssen die Jahresreports vor allem sein. Außerdem sollen Sprache und Optik dem Leser Vergnügen bereiten.
Das Prüfverfahren, bei dem die Berichte anhand von insgesamt 329 Kriterien aus den Kategorien Inhalt, Sprache und Gestaltung seziert werden, ist weltweit einmalig.
Rund dreieinhalb Stunden pro Report nimmt allein der inhaltliche Test in Anspruch. Neben Studienleiter Baetge waren dieses Jahr 27 Jungakademiker wochenlang im Einsatz. Anhand von 267 Einzelkriterien, die auf Basis großangelegter Befragungen von Wirtschaftsprüfern und Finanzanalysten immer wieder aktualisiert werden, durchforsteten sie die verschiedenen Abschnitte der Reports: Lagebericht, Anhang, Bericht des Aufsichtsrats und - soweit vorhanden - das Vorwort des Vorstandsvorsitzenden. Erstmals berücksichtigten die Experten die zunehmende Ausrichtung der Firmen an internationalen Bilanzierungsregeln: den International Accounting Standards (IAS) oder den US-Rechnungslegungsvorschriften GAAP. Zu diesem Zweck führten sie 75 zusätzliche Kriterien in die Bewertung ein.
Die Juroren |
Inhalt
Moderator: Jörg Baetge,
Professor für Revisionswesen, Universität Münster. Hermann Clemm, Wirtschaftsprüfer, Kanzlei Fiedler & Partner, München. Patricia Döhle, Redaktion manager magazin. Eberhard Scheffler, Wirtschaftsprüfer, Hamburg. Joachim H. Wetzel, Inhaber Berenberg Bank, Hamburg. Xaver Zimmerer, Geschäftsführender Gesellschafter Interfinanz GmbH, Düsseldorf. Optik Moderator: Olaf Leu, Professor für Kommunikationsdesign, Fachhochschule Mainz. Klaus Rainer Kirchhoff, Geschäftsführender Gesellschafter Kirchhoff Kommunikationsberatung, Hamburg. Heidrun Schell, Art Director manager magazin. Sprache Moderator: Rudi Keller, Professor am Germanistischen Seminar, Universität Düsseldorf. Kimberly Duenwald, German Department University of California at Davis. Petra Radtke, Germanistisches Seminar, Universität Düsseldorf. Christoph Seeger, Redaktion manager magazin. Ulrich Weber, Rechtsanwalt, Kanzlei Ulrich Weber & Partner. |
Die Top ten aus Industrie und Handel sowie die besten fünf aus den vier anderen Kategorien kamen schließlich in die dritte und letzte Runde: eine Sitzung der Gesamt-Jury, in der jeder Geschäftsbericht noch einmal durchgecheckt wurde.
Wesentliche Fragen in dieser Schlußrunde: Wie wurde das Thema Shareholder Value behandelt? Wie geht das Unternehmen mit Krisen, Affären, Störfällen um? Und wie ist es um Corporate Governance, die Unternehmenskontrolle, bestellt?
Fazit der Forscher: Das Gros der Berichte läßt in puncto Aktionärsorientierung immer noch zu wünschen übrig. Bilanzexperte Baetge mahnt vor allem bessere Informationen zur künftigen Strategie und über die zugrundeliegenden Prämissen an. Sprachforscher Keller moniert den Protokollstil vieler Berichte. Designer Leu urteilt: "Die meisten Unternehmen verkaufen sich optisch unter Wert, verwenden zum Beispiel keine authentischen Photos."
Großunternehmen werden immer besser
Insgesamt werden die Geschäftsberichte immer besser. Es sind aber vorwiegend die großen Aktiengesellschaften, die den Schnitt heben. Die Qualität bei vielen kleineren und mittleren Unternehmen hingegen stagniert.
Eine Ausnahme bilden Firmen, die für ihren Börsengang den Neuen Markt wählen. Dort ist nach einer gewissen Schonzeit die Rechnungslegung nach internationalen Standards Pflicht. Die damit verbundene strengere Informationspflicht und die Verpflichtung zur Transparenz bringen den Börsenneulingen im mm-Rating Punkte bei der inhaltlichen Bewertung.
Anleger-Freunde
Die Top ten aus 540 Geschäfts- berichten (Angaben in Prozent) |
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Unternehmen | Ergebnis |
Daimler-Benz | 79,23 |
Veba | 76,41 |
Bayer | 75,09 |
Henkel | 74,54 |
Harpen | 73,71 |
Vereinsbank | 71,88 |
Thyssen | 71,78 |
Deutsche Bank | 71,23 |
Mannheimer Vers. | 71,23 |
Deutsche Telekom | 70,64 |
Es ist das Resultat harter Arbeit. Daimler-Finanzvorstand Manfred Gentz mußte sich immer wieder gegen Kollegen im eigenen Haus durchsetzen, die aus dem strikt an den Interessen der Aktionäre ausgerichteten Geschäftsbericht lieber einen Hochglanzprospekt für Autos machen wollten.
"Den Daimler-Geschäftsbericht zu lesen ist ein wahres Vergnügen", lobt Bilanzforscher Baetge. "Das gilt auch für die Reports der anderen beiden Unternehmen, die mit ,sehr gut' bewertet wurden: Veba und Bayer."
Bei den Banken landete wie im Vorjahr die Bayerische Vereinsbank auf Rang eins, allerdings mit mehr als 7 Prozentpunkten Abstand zum Sieger bei Industrie und Handel, Daimler-Benz.
In der Assekuranz gelang es der Mannheimer Versicherung, die im vergangenen Jahr von Branchenprimus Allianz auf Platz zwei verwiesen wurde, den Spitzenplatz zurückzuerobern. Wie die Bayernbank schnitten auch die Kurpfälzer mit "gut" ab.
Der Dialog mit den Aktionären ist Chefsache
Pro Sieben holte sich mit gut 64 Prozent die Siegestrophäe in der Kategorie Börsenneulinge, wobei vor allem die sehr gute Sprache und die Gestaltung des Geschäftsberichts überzeugten. Inhaltlich ist der Report noch nicht ganz ausgegoren. Pro-Sieben-Vorstandschef Georg Kofler, der den Bericht weitgehend selbst geschrieben hat, läßt sich die Freude an dem Sieg jedoch nicht verderben. "Pro Sieben ist das einzige Fernsehhaus, das überhaupt einen Geschäftsbericht veröffentlicht", betont der Medienmann - und fügt schmunzelnd hinzu: "Ich sage das als jemand, der einen Hauptaktionär mit dem Namen Kirch hat."
Bei den Auslandsunternehmen machte Fiat das Rennen. Aufsteiger des Jahres ist Bauzulieferer Plettac. Das Unternehmen kletterte von Platz 102 auf Platz 35 nach oben. Die Jury honorierte vor allem die inhaltlichen Verbesserungen.
Top und Flop
Geschäftsberichte, die den größten Sprung nach oben schafften. |
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Unternehmen | Rangplatz | |
1997 | 1998 | |
Plettac | 102 | 35 |
Fresenius Med. Care | 142 | 88 |
SKW trostberg | 97 | 62 |
Gildemeister | 60 | 31 |
Salamander | 80 | 23 |
Geschäftsberichte, die im Ranking am weitesten abrutschten. |
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Unternehmen | Rangplatz | |
1997 | 1998 | |
Ölmühle Hamburg | 199 | 349 |
Ymos | 94 | 203 |
Kaufhalle | 43 | 152 |
Hindrichs-Aufferm. | 245 | 352 |
balcke-Dürr | 53 | 121 |
Bilanzkenner Baetge: "Um aus einer schlechten Bonität eine gute zu machen, benötigt ein Unternehmen in der Regel fünf Jahre. Einen lausigen Geschäftsbericht hingegen können sie mit dem richtigen Team innerhalb eines Jahres in ein Glanzstück verwandeln."
Wie die Berichte inhaltlich informieren