Editorial Modell Daimler?
Aus, vorbei. Wenn die Aktionäre mitmachen, wird es die gute alte Daimler-Benz AG bald nicht mehr geben. Geboren wird eine wahre Superfirma, die neue Daimler Chrysler AG. Die vereinten Unternehmen werden Milliarden einsparen, werden sich in ihren Produkten und in ihren regionalen Aktivitäten aufs trefflichste ergänzen. So heißt es.
Die Manager-Community starrt gebannt nach Stuttgart: Was ist das, diese Daimler Chrysler AG ein zum Scheitern verurteilter Akt der Gigantomanie? Oder das Modell für den Weltkonzern des nächsten Jahrtausends? Die Chancen stehen 50:50, bestenfalls.
Der Start, keine Frage, war ein Meisterwerk. Jürgen Schrempp zeigte, was er drauf hat, und inszenierte in atemberaubendem Tempo einen fehlerlosen transatlantischen Merger. Juristisch, formal, auf den obersten Führungsebenen. Doch die Entscheidung, ob das Werk gelingt, fällt nicht in den Büros der Konzernstrategen, sondern auf den Etagen darunter. Und da sind die Zweifel groß, daß hier zusammenfindet, was zusammengehört.
Es erweist sich ja schon als ungemein schwierig, Unternehmen zu vereinigen, die aus dem gleichen Land stammen. Die Trennungslinien von Siemens & Halske und Siemens-Schuckert durchziehen den Münchner Konzern bis heute, 32 Jahre nach der Vereinigung. Die Daimler-Manager haben bei ihren Aufkäufen in den 80ern bereits teuer für die Erfahrung zahlen müssen, daß Unternehmenstraditionen ein beachtliches Beharrungsvermögen besitzen.
Wie soll das erst über eine Distanz von 7000 Kilometern klappen mit zwei riesigen Organisationen, bei denen sich Landes- und Firmenkultur jeweils eng vermengen? Daimler feiert derzeit wieder Triumphe mit seinen Autos. Nicht zuletzt weil sich das Unternehmen "in seinem Innersten nach wie vor als Technik- und Denkfabrik begreift", wie die "FAZ" beim Test der neuen S-Klasse begeistert notierte. Chrysler hingegen gilt als Autokonzern, der sich besonders gut darauf versteht, alte Technik unter neuem Blech zu verstecken. Und der entsprechend Cash ausschüttet, worauf die US-Aktionäre, beim neuen Konzern in der Mehrheit, großen Wert legen.
Der Chrysler-Mann Thomas Stallkamp wird künftig im Holdingvorstand für das gesamte Pkw-Programm verantwortlich zeichnen. Da darf man gespannt sein. Bruno Sacco, Chefdesigner bei Daimler, ließ den neuen Kollegen schon mal öffentlich wissen, die Stuttgarter hätten "nicht die Absicht, die Designhoheit im gemeinsamen Konzern den Chrysler-Leuten zu überlassen". Kompetenzstreiterei statt Konzentration auf Produkte und Märkte? Jürgen Schrempp, im Zusammenfügen von Unternehmen erfahren, weiß sicherlich, worauf er sich eingelassen hat. Sein Mut ist bewundernswert. Er wird mit Daimler Chrysler Maßstäbe setzen. So oder so.