Topmanager "Das Ego ist die Triebfeder"
mm:
Ein Vorstandsvorsitzender arbeitet heute an der Grenze der Belastbarkeit. Haben Sie nicht manchmal genug von dem Mordsstress?
Schumacher: Nein. Meine Aufgabe bietet mir enorme Gestaltungsmöglichkeiten. Ich kann sehr viel bewegen; kaum ein Markt ist turbulenter und anspruchsvoller als das weltweite Chipgeschäft. Das reizt mich und kompensiert die hohe Belastung, die ein solcher Job mit sich bringt.
mm: Gestalten schön und gut. Muss der Chef einer Börsenfirma nicht in erster Linie Öffentlichkeitsarbeiter sein?
Schumacher: Natürlich muss der Vorstand eines börsennotierten Konzerns auch die Darstellung nach außen beherrschen, aber ohne Akzeptanz von innen wird er die Firma nicht nachhaltig nach vorn bringen können. Den größten Teil meines Arbeitstags nimmt deshalb die Kommunikation mit meinem Führungsteam und den Mitarbeitern ein. Ich bekomme jeden Tag rund 100 E-Mails; auch durch diese moderne Form des Gedankenaustauschs haben wir den Elfenbeinturm überwunden und für offenen Dialog über traditionelle Hierarchiestufen hinweg gesorgt.
mm: Finden Sie im hektischen Tagesgeschäft noch Zeit zur Selbstreflexion?
Schumacher: Das Nachdenken über sich selbst kommt bei vielen Managern und auch bei mir zu kurz. Ich versuche, in dieser Hinsicht an mir zu arbeiten. Denn nur die wirklich kritische Auseinandersetzung mit der eigenen Arbeit schafft Impulse für eine sich immer wieder erneuernde Unternehmensführung - und führt auch zu einer inneren Balance.
mm: Haben Sie Ihr inneres Gleichgewicht schon gefunden?
Schumacher: Ehrlich gesagt, noch nicht so ganz. Aber ich befinde mich auf dem Weg der Besserung. Bis vor zwei Jahren habe ich jede Nacht nur vier bis fünf Stunden geschlafen und bei allen Anlässen viel zu viel gegessen. Das war wohl eine Art Ersatzbefriedigung. Dann habe ich gemerkt: So geht es nicht mehr weiter.
mm: Was haben Sie getan?
Schumacher: Ich habe rund 25 Kilo abgenommen und seitdem mein Gewicht im Griff. Ich treibe auch wieder Sport. Was ich noch nicht geschafft habe, ist eine vernünftige Arbeitszeitregelung. Ich bin jeden Wochentag 15 Stunden im Einsatz.
mm: Wie oft quälen Sie Versagensängste?
Schumacher: Vielleicht klingt das überheblich, aber berufliche Herausforderungen haben mich noch nie geängstigt.
mm: Das klingt nicht überheblich, nur unglaubwürdig.
Schumacher: Es stimmt dennoch. Die Anforderungen werden immer brutaler, Komplexität und Geschwindigkeit nehmen ständig zu. Während man früher in aller Ruhe zwischen mehreren Optionen abwägen konnte, gibt es heute den Zwang zu schnellen Entscheidungen. Man muss daher von einer Sache überzeugt sein und sie konsequent umsetzen. Dann ist man auch nicht verunsichert.
mm: Wie wichtig ist für einen CEO moderner Prägung ein starkes Ego?
Schumacher: Zunächst: Der Begriff Ego ist für mich nicht unbedingt negativ besetzt. Ich verbinde damit nicht automatisch Personenkult oder Profilierungssucht. Das Ego ist die Triebfeder. Einen solchen Job macht man ja nicht in erster Linie des Geldes wegen. Ohne Selbstbewusstsein und einen starken Willen, etwas zu bewegen, kann man nicht zigtausende auf ein Ziel ausrichten. Das ist conditio sine qua non.
mm: Einer allein wird es kaum schaffen, sei er noch so willensstark.
Schumacher: Richtig. Der CEO braucht ein Vorstandsteam, das gut eingespielt ist. Aber man muss akzeptieren, dass sich die öffentliche Wahrnehmung eines Unternehmens stark auf den Mann an der Spitze konzentriert. Insofern verstehe ich mich als CEO amerikanischer Prägung. Alle erfolgreichen Wettbewerber von Infineon werden nach diesem Prinzip geführt. Und auch wir haben damit gute Erfahrungen gemacht.