US-Luxusvillen Millionär für eine Stunde
San Francisco - Von außen verrät nicht viel, dass man gerade vor einem der spektakulärsten Häuser von San Francisco steht. Ruhig ist es in der schmalen, steilen Seitenstraße, ein schwitzender Jogger keucht den Berg hoch, in der Querstraße rumpelt ein Linienbus vorbei. Nichts deutet darauf hin, dass das dreistöckige, gelbe Haus mit den kleinen, spanischen Balkonen etwas Besonderes ist.
Wer genauer hinschaut, dem fällt allerdings das etwas zu groß geratene Vordach über dem Eingangsportal auf. Wobei Vordach vielleicht etwas zu profan klingt für die weit geschwungenen Glasflügel, die von gusseisernen Säulen getragen werden. Und deren geschliffene Muster wilde Schatten auf den hellen Marmorboden werfen. Willkommen in der Scott Street 2820, dem derzeit teuersten Haus in San Francisco.
27,5 Millionen Dollar - so viel will der derzeitig Besitzer Ken Paige für die Stadtvilla in Cow Hollow, einer der begehrtesten Wohngegenden der Stadt. "Mit seinen Boutiquen, Galerien, Designergeschäften und Restaurants ist Cow Hollow eine der mondänsten Wohngegenden San Franciscos", heißt es dazu im Prospekt der Villa, wo auch gleich die Namen einiger der "besten Privatschulen" und Weinrestaurants angegeben werden.
Um einen adäquaten Käufer zu finden, veranstaltet Paine in unregelmäßigen Abständen Dinnerpartys, bei denen die Gäste das Objekt in Augenschein nehmen können, und hat die beiden erfolgreichsten Immobilienmaklerinnen der Stadt - zwei Schwestern - engagiert. Die Tür der Villa steht offen, auf dem Bürgersteig ein kleines Schild: For Sale.
Meterlang ziehen sich die Muster
Dabei ist es unwahrscheinlich, dass einer der zufälligen Passanten sich zum Kauf entschließt. Dass man für den Prachtbau ein bisschen mehr Kleingeld auf den Tisch legen muss, als eine durchschnittliche Familie normalerweise für den Hauskauf zur Verfügung hat, wird schnell klar: Die gusseisernen Streben der Eingangstür sind mit Adlern und Palmenblättern aus reinem Gold verziert. Der Boden der großen Empfangshalle - aus weißem Marmor - ist mit quadratischen Inkrustationen aus dunklerem Marmor versetzt. Die schweren Holzdecken beeindrucken mit handgefertigten Schnitzereien - meterlang ziehen sich die Muster, bis zu der goldenen Borte am Ende des Raumes.
Links spiegeln sich rote, gelbe und grüne Lichtreflexe in einem gläsernen Jugendstil-Wasserfall, original Tiffany, wie die Maklerin betont. Auf der rechten Seite windet sich ein breiter Treppenaufgang nach oben, die Brüstung aus einem etwas dunkleren, von feinen Streifen durchzogenen Marmor. Von der Decke hängen wie die Überbleibsel einer längst vergangenen Zeit verschiedene Jugendstilleuchter, sie sollen wohl ablenken von den in die Decke eingelassenen runden Flutern, die den Raum in ein sanftes, sattgelbes Licht tauchen.
Ein Speisesaal für zwölf Personen
Ein Speisesaal für zwölf Personen
Der mittlere Flügel führt ins - nun ja - Esszimmer. Auch wenn das kein angemessener Ausdruck für den riesigen Speisesaal ist, in dessen Mitte eine lange, schwere Tafel steht, von einem mit feinen Goldfäden durchwirkten Brokattuch bedeckt.
Eine Vase mit weißen Lilien schimmert auf den kristallenen Gläsern, dem schweren, silbernen Besteck und dem antiken, cremeweißen Porzellan. Zwölf Personen finden hier Platz - würde man die mit hellem Samt gepolsterten Stühle aus schlichtem, dunklen Holz durch die weitaus profanere Ikea-Klapp-Variante ersetzen, wären es wahrscheinlich doppelt so viele.
Die hohe Decke ist mit breiten, handgefertigten Stuckborten verziert, deren Muster sich in den Umrahmungen des großen Kamins wiederfindet. Dessen Umrandung bilden zwei aufrecht sitzende Löwen, die mit ruhiger Konzentration das Wandgemälde auf der gegenüberliegenden Seite zu betrachten scheinen: eine handgemalte Seekarte aus dem Jahr 1915.
Hier also soll sie speisen, die Familie, die nach Vorstellung von Maklerin Barbara Callan hier einziehen könnte. "Es muss aber nicht zwangsläufig eine Familie sein, man könnte die Villa auch hervorragend als Konsulat nutzen", sagt sie. Tatsächlich scheinen die insgesamt sieben weitläufigen Schlafzimmer, acht Bäder, fünf Terrassen und sechs Balkone für die amerikanische Durchschnittsfamilie etwas überdimensioniert - auch wenn es eine reizvolle Idee ist, nervende Kinder oder den gestressten Ehepartner in das Schlafzimmer am anderen Ende der Villa verbannen zu können.
Royaler Glamour und Intrigen
Doch weil das weit außerhalb der Vorstellungskraft von Normalverdienern liegt, haben die beiden Makler-Schwestern alles gegeben, um ihr Objekt interessant zu machen: Die Villa biete eine lange Geschichte aus royalem Glamour und Intrigen, schreiben sie auf der Webseite der Villa. "Natürlich hat jedes Gebäude eine Geschichte, aber diese Villa war Legende und Mysterium mit engen Verbindungen zu europäischen Königshäusern."
Was sich spektakulär anhört, war allerdings nur der angekündigte Besuch von Königin Marie von Rumänien, Enkelin der englischen Königin Viktoria und von Zar Alexander II. Sie hatte vor, die Stadt im Jahr 1914 anlässlich der Eröffnung des Panama-Kanals zu besuchen - allerdings machte der Beginn des 1. Weltkriegs ihren Plänen einen Strich durch die Rechnung.
Immerhin bauten die damaligen Besitzer Walker und Maude Graves dafür die Villa aus - und fügten jenen dritten Stock hinzu, in dem sich heute vier der Schlafzimmer befinden.
Am Panorama schwindelig gucken
Ein Panorama, an dem man sich schwindelig gucken könnte
Wobei man besser von Suiten spricht - denn die großen, hellen Räume haben mit profanen Schlafstuben nichts gemein: Dicker, weicher Teppichboden oder dunkles Fischgrätenparkett ziehen sich durch die Räume, die enormen Fensterfronten von schweren, samtenen Vorhängen umgeben. Breite Flügeltüren führen in die Ankleidezimmer, die Suiten bieten neben den ausladenden Betten einen Kamin und allerlei technischer Schnickschnack: Sei es die Miele-Espressomaschine aus Edelstahl, der Mini-Kühlschrank oder ein in einem Spiegel mit opulentem Goldrahmen versteckter Flachbildfernseher.
In den Bädern schimmern die Waschbecken in rötlichem Marmor, der mit Einlegearbeiten aus Gold und Onyx verziert ist, die Armaturen sind ein Design eines deutschen Herstellers. Auch hier überall warmes, schmeichelndes Licht, das riesige Spiegel von allen Seiten zurückwerfen.
Die großzügigen Glastüren der Duschen stehen mit ihrer schlichten Eleganz im vielleicht gewollten Kontrast zu den verspielten, goldenen Armaturen der riesigen Badewanne. Sie dient auch als Hot-Tub - wer will, kann dabei die großen Flügeltüren der Fenster öffnen und direkt auf die hügelige Stadt blicken.
Der tatsächlich spektakuläre Blick aber, der kommt erst noch. Dafür muss man entweder die Treppen weiter in den nächsten Stock oder eben den Aufzug nehmen, eine kleine, eher unscheinbare Glastür öffnen und dann, ja dann steht man auf einer Dachterrasse, die ihresgleichen sucht: Eine schlichte Glasverkleidung zieht sich um den gesamten Grundriss des Hauses, der Boden abwechselnd mit dunklen Holzpanelen oder Steinplatten ausgelegt. Platz, unglaublich viel Platz bietet sich dem Besucher, trotz der dezenten Sofalandschaft in der einen und den fünf Liegestühlen in der anderen Ecke.
Ein Panorama, an dem man sich schwindelig gucken könnte: Links die Golden-Gate-Bridge und die Ausläufer der Marin Headlands, auf der anderen Seite leuchtet die goldene Kuppel des Palace of Fine Arts aus dem Meer der quadratisch gezogenen Straßen, man sieht Alcatraz Island, den berühmten Aussichtsturm Coit Tower, die Hochhäuser des Finanzviertels und dann, quasi im Rücken, die hügeligen Ausläufer der Stadt.
Stundenlang könnte man hier einfach stehen. Wahrscheinlich hat Besitzer Paine das geahnt - und deshalb in einer dezenten Ecke eine Küchenzeile aus Edelstahl einrichten lassen, die jeder angesagten Bar Ehre machen würde: Auch hier die Armaturen Made in Germany, die tiefen Becken werden von zwei großen Grills umrahmt. Prunkstücke sind eine überdimensionierte Kitchen-Aid-Eiswürfelmaschine und ein Weinkühler - damit der Wein, der vorher aus dem Keller im Untergeschoss geholt wurde, auch ausreichend kühl bleibt. Man will ja nicht zwischendurch noch mal nach unten müssen.
Doch nicht jeden scheint der Charme des Hauses zu überzeugen, das Paine angeblich für nur sechs Millionen Dollar gekauft haben soll. Eigentlich, sagt Paine, wollte er die Villa für seinen Sohn und dessen Familie umbauen. Dem sei das Ganze aber ein wenig zu pompös geraten, er habe sich deshalb eine andere Bleibe gesucht. Deshalb verkaufe er jetzt schweren Herzens, an jemanden, "der dieses Haus genauso liebt und sich darum kümmert wie ich".
Wer also wird künftig seine Adresse mit 2820 Scott Street angeben? Zwei Familien aus Hongkong sollen Interesse signalisiert haben. Ob sie allerdings bereit sind, 27,5 Millionen Dollar zu zahlen, bleibt abzuwarten - Anfang des Jahres nämlich war das Haus schon einmal auf dem Markt. Damals sollte es noch 29 Millionen Dollar kosten. Ein Käufer hat sich nicht gefunden.
Fotostrecke: Die 27,5-Millionen-Dollar-Villa