Jachtdesign "Immer noch genug Leute mit Geld"
mm.de: In den vergangenen Jahren haben sich die Superreichen der Welt einen Wettlauf darum geliefert, wer die exklusivste, längste und schnellste Jacht besitzt. Ist dieses Rennen angesichts der Krise jetzt beendet?
Oeino: Ich hoffe nicht. Zugegeben, die Nachfrage schwächelt seit Oktober - aber sie ist nicht tot. Viele Kunden warten derzeit ab. Aber es gibt immer noch genug Leute mit Geld, die das Leben an Bord solcher Jachten zu schätzen wissen und vielleicht aus political correctness jetzt keine bestellen.
Sie hatten ja in Deutschland, meine ich, erst kürzlich einen Fall von einem Unternehmer, dessen Jachtkauf in einem ziemlich ungünstigen Moment bekannt wurde. Dabei dauert es in der Regel vier bis fünf Jahre bis eine Jacht fertig ist. Und wer so weit voraus denkt, und das nötige Geld hat, wird auch weiterhin bestellen.
mm.de: Inwiefern haben Sie die Krise denn schon selbst zu spüren bekommen?
Oeino: Unsere aktuellen Projekte laufen alle Gott sei Dank weiter. Aber die Zahl der Anfragen für Neubauten ist bestimmt um die Hälfte gesunken
mm.de: Oft begnügen sich Eigner ja nicht mit einer Jacht. Wenn sie erst einmal Feuer gefangen haben, darf es gerne auch noch eine zweite oder dritte sein. Was ist es, dass an Jachten so süchtig macht?
Oeino: Es ist wie eine Krankheit. Die meisten Jachten sind zwar maßgeschneidert - aber Verbesserungsmöglichkeiten gibt es immer. Es entspricht einfach der menschlichen Natur, immer nach dem besten zu streben. Und aufgrund der langen Wartezeiten war das Ganze für viele auch ein ziemlich einträgliches Geschäft.
Psychologie ist ein Riesenteil des Jobs
mm.de: Bis jetzt ging der Trend immer zu größeren, längeren und opulenteren Jachten. Glauben Sie, dass sich das angesichts von Krise und Klimakatastrophe ändern wird?
Oeino: Ob künftig wieder mehr kleinere Boote gefragt sein werden, ist heute noch schwer zu sagen. Dafür ist es noch zu früh. Es gibt noch eine ganze Menge sehr große Projekte da draußen, die bislang noch keiner zu Gesicht bekommen hat. Aber das kann sich schnell ändern.
Allerdings steigt meiner Einschätzung nach derzeit das Interesse an kleineren Explorer-artigen Jachten, bei denen weniger ein glanzvolles Äußeres, sondern eher praktische Gesichtspunkte im Vordergrund stehen. Die haben dann zwar vielleicht auch einen Helikopter, aber nicht einen, dessen Zweck es ist, die Promis vom Flughafen auf die Jacht zu bringen. Sondern eher ein etwas robusteres Modell, das einen in den Dschungel, zum Fischen oder zum Skifahren auf den Gletscher bringt.
mm.de: Gibt es denn auch Kunden, die sich an Umweltgesichtspunkten orientieren?
Oeino: Klar, auch ökologische Gesichtspunkte und Spritverbrauch gewinnen an Bedeutung. Mit Themen wie Solar-, oder Windenergienutzung beschäftigen sich gerade auch Unternehmer, die ihr Geld damit verdienen. Aber die wissen selbst am besten, dass diese Technologien für eine Jacht in der Größenordnung wie wir sie bauen noch keinen wirklichen Sinn machen. Aber irgendwann wird es eine Alternative sein. Wer es wirklich "grün" haben will, sollte sich derzeit allerdings noch für ein Segelboot entscheiden.
mm.de: Gianni Agnelli soll einmal gesagt haben, wenn man etwas über einen Mann erfahren will, sollte man sich sein Boot oder seine Frau anschauen. Wie sieht das umgekehrt aus: Kann man vom Menschen aus Rückschlüsse auf das Boot ziehen, dass er will? Wie entsteht das Design für eine maßgefertigte Jacht?
Oeino: Psychologie ist ein Riesenteil des Jobs. Das ist nicht anders als bei Architekten oder allen anderen Designern. Man muss die Kunden verstehen - und oft ist denen nicht einmal selbst ganz klar, was sie überhaupt wollen. Meist wissen sie viel eher, was sie nicht wollen oder widersprechen sie sich sogar selbst. Da muss man dann die richtigen Fragen stellen, Vorschläge machen, Vergleiche heranziehen.
Vom Eisbrecher zum Luxusgefährt
mm.de: Ist es wahr, dass für die "Octopus" von Microsoft Mitgründer Paul Allen ein Eisbrecher als Modell diente?
Oeino: Als Inspiration - eine Mischung aus Eisbrecher und Versorgungsschiff. Die ursprüngliche Idee des Eigners war ein ergänzendes Schiff, mit dem man überall hin konnte. Im Designprozess entwickelte sich das Ganze dann zu einer Jacht mit deutlich größeren Dimensionen. So etwas ist ganz typisch für einen Entwicklungsprozess.
mm.de: Wie wird man überhaupt Jacht-Designer?
Oeino: Man muss verrückt sein. Nein, im Ernst: Ich wollte schon als Kind Jachten designen. Schon als ich drei, vier Jahre war, hab ich ständig Boote gemalt. In meiner Familie sind aber auch einige in diesem Geschäft.
mm.de: Wie viele Jachten haben Sie denn in ihrem Leben schon gebaut?
Oeino: Seit ich mein Unternehmen 1994 gegründet habe schätzungsweise knapp 20.
mm.de: Und war schon einmal eine dabei, die Ihnen selbst nicht gefallen hat?
Oeino: Ist das eine Fangfrage? (lacht) Aber es gibt tatsächlich manche Projekte, mit denen man sich mehr identifiziert, die einem persönlich mehr gefallen als andere. Die "Skat" ist für mich so ein Projekt.
87 Meter Luxus
mm.de: Das war jetzt sehr diplomatisch. Und welches war die in Ihren Augen schönste?
Oeino: Die, die wir als letztes designt haben. Die kann ich Ihnen aber nicht zeigen.
mm.de: Sie müssen ja nicht verraten, wer Sie geordert hat. Aber vielleicht ein bisschen, über die Richtung, in die sie geht?
Oeino: Eine 87 Meter lange Privatjacht für einen Herrn aus dem östlichen Teil der Welt. Sie ist sehr aufregend.
mm.de: Wie kommen Namen wie "Octopus", "Skat", "Silver" zustande. Existieren die meist schon vor Baubeginn oder entscheiden sich die meisten Besitzern erst, wenn sie ihre Jacht sehen?
Oeino: Oft bekommen die Projekte Codenamen, um sie nicht direkt mit einem Besitzer in Verbindung zu bringen. "Octopus" war beispielsweise so ein Codename, den die Jacht ganz zu Beginn bekommen hat. Dem Besitzer hat er gefallen und er hat ihn übernommen. Andere nehmen Akronyme von den Namen ihrer Kinder. Das ist von Fall zu Fall völlig unterschiedlich und liegt natürlich ganz in der Hand der Eigner.
mm.de: Ist schon einmal jemand zu Ihnen gekommen und hat gesagt: Ich will eine Jacht, die nicht wie eine aussieht?
Oeino: Ja, die "Skat" ging in diese Richtung. Der Besitzer wollte etwas, das nicht aussah wie andere Jachten, etwas mehrdeutiges. Er wollte so etwas wie eine Erweiterung seines eigenen Hauses in Seattlle, was sich auch in der Menge des verwendeten Glases widerspiegelt. Das war die Anforderung.
mm.de: Haben sie selbst eine Jacht?
Oeino: Ja, eine kleine, und die ist schwer unterbenutzt.
mm.de: Wenn sie unbegrenzt Geld hätten: Was für eine Jacht würden Sie sich bauen?
Oeino: Eine Explorer-Jacht mit ganz viel Deckfläche und einem Helikopter, die mich sowohl in die norwegischen Fjorde als auch zum Skifahren in die Berge bringen könnten. Das Ganze aus einfachen Materialien, vielleicht ein bisschen militärisch vom Äußeren - ähnlich wie die "Skat".
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