Allianz Arena Das Ufo von Fröttmaning

Wenn am kommenden Montag das neue Münchener Fußballstadion offiziell eröffnet wird, löst es eine über 30 Jahre alte Legende ab. Schon vorher ist es selbst zu einer geworden – auch, weil die alles überstrahlende Hülle vom Inhalt abgelenkt hat.

München - Was hinter der so riesig wie leicht wirkenden Fassade gespielt wird, ist sowieso klar, doch das neue Fußballstadion im Norden von München verrät auch, wer drinnen spielt: Glühend rot wie ein Feuerball oder luftig blau wie der bayerische Himmel wird es ab der kommenden Bundesligasaison am Autobahnkreuz in Fröttmaning leuchten, je nachdem welche der beiden Münchener Mannschaften gerade dort spielt.

Wie das aussieht, wenn ein Gutteil der 2874 rautenförmige Luftkissen von hinten mit schlichten Neonröhren beleuchtet wird, war bereits in der vergangenen Woche kurz zu sehen, bei einem Freundschaftsspiel der Seniorenteams der beiden dort spielenden Mannschaften - und die Münchener kamen aus dem Wow! und Oh! Rufen kaum noch heraus.

Ein himmlisches Stadion: Neue Fußballarena in Fröttmaning, beleuchtbar in den Vereinsfarben Blau und Rot ...

Ein himmlisches Stadion: Neue Fußballarena in Fröttmaning, beleuchtbar in den Vereinsfarben Blau und Rot ...

Foto: DDP
... und in neutralem Weiß: Stadion vor malerischem Abendhimmel

... und in neutralem Weiß: Stadion vor malerischem Abendhimmel

Foto: DDP
Könnten die Farben von 1860 sein, aber auch die des Sponsors: Die Allianz kaufte die Namensrechte, deshalb heißt das Fröttmaninger Stadion offiziell Allianz-Arena

Könnten die Farben von 1860 sein, aber auch die des Sponsors: Die Allianz kaufte die Namensrechte, deshalb heißt das Fröttmaninger Stadion offiziell Allianz-Arena

Foto: DDP
Probelauf vor halbvollen Rängen: Freundschaftsspiel der Seniorenmannschaften am 19. Mai 2005

Probelauf vor halbvollen Rängen: Freundschaftsspiel der Seniorenmannschaften am 19. Mai 2005

Foto: DPA
Esplanade, über die man zum Stadion gelangt: Darunter können 10.000 Autos parken

Esplanade, über die man zum Stadion gelangt: Darunter können 10.000 Autos parken

Foto: DPA
Bald wird er heilig sein: Arbeiter beim Verlegen der letzten Meter des Rasens auf dem Spielfeld

Bald wird er heilig sein: Arbeiter beim Verlegen der letzten Meter des Rasens auf dem Spielfeld

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Das Ufo ist gelandet
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Am Montag und Dienstag der kommenden Woche wird das 340 Millionen Euro teure Stadion nun mit einer Doppelpremiere offiziell eröffnet, und ab dann wird für alle zu sehen sein, was die Schweizer Architekten Jacques Herzog und Pierre de Meuron versteckt haben hinter ihrer Fassade, so verborgen wie es bei einem Stadion noch nicht vorgekommen ist.

Und das ist in erster Linie viel Beton. Beim Einstieg in das "Schlauchboot" ist der Zauber vorbei. So extravagant das neue Stadion von außen auch ist, drinnen herrscht die gleiche funktionale Tristesse wie in den bereits bekannten Spielstätten auf Schalke oder im Hamburger Volkspark - funktional, gesichtslos und zurzeit auch noch geschichtslos, aber dafür, dass sich zumindest Letzteres ändern wird, werden vor allem die für geniale Spielzüge und allerlei Eskapaden bekannten Profis des FC Bayern sicher sorgen.

Bis zu 66.000 Menschen können ihnen dabei im modernsten Fußballstadion der Welt zugucken und dazu auf silbergrauen Sitzen Platz nehmen, die auf den steil bis unter das runde Dach nach oben ragenden Rängen angebracht sind. Einen Kessel habe man in Anlehnung an die "alten, hässlichen englischen Stadien" schaffen wollen, sagt de Meuron, die Idee von der "Geschlossenheit des Raumes" umsetzen; "die Energie und der Geist des Spiels können nicht entweichen".

Bauernstuben im modernsten Stadion

Bauernstuben im avantgardistischen Kunstwerk

Damit "alle Konzentration dem Fußball" gelte, wurde das Innere des Fröttmaninger Stadions "ohne optische Spielereien" konzipiert. Auffällig sind in erster Linie die blauen Werbebanden der Allianz, die der Arena für angeblich 90 Millionen den Namen gibt. "Das nur dem Fußball und seiner räumlichen Suggestion gewidmete Stadion bezieht auf eindeutige Weise Stellung. Der Fußballplatz ist ein Kampfplatz. Der Zuschauer wird zum Teil einer kalkulierten Raumdramaturgie", schrieb das Feuilleton der "Süddeutschen Zeitung" in einer ersten Betrachtung.

Nicht in die kalkulierte Raumdramaturgie passen bis auf wenige Ausnahmen die Einrichtungen der bis zu 240.000 Euro teuren Logen, die überwiegend plüschige Hotelbars und gelegentlich gemütliche Bauernstuben nachahmen. Zu den Ausnahmen gehört eine in einem kleinen Architektenwettbewerb vergebene Loge, die die Rasenfläche als Thema aufgreift. Die Business-Lounge mit reichlich goldenem Retro-Kitsch aus den 70ern fällt ebenfalls aus dem Rahmen.

Aber dafür haben Herzog/de Meuron den Wettbewerb um den Stadionbau auch nicht gewonnen. Sie versprachen und schufen ein avantgardistisches Kunstwerk mit magischer Ausstrahlung auf einem trostlosen Gelände im Münchener Norden, neben zwei Müllbergen und einer vor sich hin müffelnden Kläranlage.

Kritik an der "Inszenierungsarchitektur"

Beim Anmarsch auf dem "Esplanade" getauften Zugangsweg, unter der in Europas größtem Parkhaus fast 10.000 Autos verschwinden, löst der Blick auf die Kunststoffhülle Glücksgefühle aus, die de Meuron, ein Lob auf die eigene Kreation, als "Poesie für den Fußballfan" beschreibt. Stadion-Geschäftsführer Bernd Rauch fühlt sich beim Anblick der "neuen Fußball-Welt" an den Starnberger See versetzt: "Zu jeder Tageszeit wirkt es anders. Die Dynamik, der Lichteinfall ..."

Der Hamburger Architekt Volkwin Marg, beim damaligen Wettstreit einer der Verlierer, warf den Siegern seinerzeit allerdings leicht beleidigt "Inszenierungsarchitektur" vor und beanstandete die Tendenz, "die Hülle vor den Inhalt zu stellen". Sein Stadionentwurf hatte deutlich stärker erkennen lassen, dass es sich um ein Stadion handelt, dabei aber weitaus weniger markant gewirkt als der Entwurf der Baseler Architekten.

Die beiden vielfach ausgezeichneten Schweizer setzen ihre "Architektur der Sinne" derzeit mit außergewöhnlichen Projekten fort. Das Stadion für die Olympischen Spiele 2008 in Peking wird bereits gebaut. Der Clou der Arena, die an ein riesiges Vogelnest erinnert: Das Stadiongerippe wird nicht eingehüllt, sondern selbst zur Hülle. Und in Hamburg ist ein "Elbphilharmonie" genanntes Konzerthaus in der Finanzierungs- und Planungsphase. Auf einen alten Hafenspeicher sollen zwei Konzertsäle und ein Luxushotel gesetzt werden und damit der zwischen historischer Speicherstadt und Elbe gerade im Bau befindlichen Hafencity eine Attraktion bescheren.

Von Gerd Münster, dpa

Die Geschichte des Stadionneubaus

Zähes Ringen - die Geschichte des Stadionneubaus

März 1997: Die Münchener Fußballclubs können in diesem Jahr große Erfolge verbuchen: der FC Bayern München wird mal wieder Meister und der TSV 1860 München nimmt am Uefa-Cup teil. "Fußball schauen", sagte der ehemalige Nationalspieler und -trainer Franz Beckenbauer, "soll allen Spaß machen und ein tolles Erlebnis sein." Deshalb fordert er ein neues fußballgerechtes Stadion. Doch die Stadt will keinen Neubau, sondern einen Umbau des Olympiastadions.

September 1997: Der Verwaltungsbeirat des FC Bayern München, dem der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) vorsteht, stimmt für den Bau eines eigenen Stadions. Rund 500 Millionen DM sollen investiert werden. Doch am Gedanken des Umbaus des Olympiastadions hält die Stadt fest.

März 1999: Nach einem neuerlichen Stadiongipfel mit Münchens Oberbürgermeister Christian Ude (SPD), Beckenbauer und 1860-Präsident Karl-Heinz Wildmoser heißt die Devise: Bau einer völlig neuen Multifunktionsarena in der Nähe der Neuen Messe Riem.

Januar 2001: Nach langem Hin und Her schließen der FC Bayern und der TSV 1860 ein Bündnis zum Neubau eines eigenen Stadions mit 66.000 Plätzen und modernster Architektur.

Februar 2001: Fünf mögliche Standorte wurden gefunden. In einem erneuten Gipfeltreffen wurden das Gelände nördlich des Messegeländes Riem, Fröttmaning, Freiham, Olympiapark Süd und das Hochschulsport-Gelände als mögliche Standorte in Erwägung gezogen.

Juli 2001: Der neue Standort soll München- Fröttmaning heißen. Doch noch muss das Stadion-Komitee zittern, denn das letzte Wort hat die Münchener Bevölkerung beim Bürgerbegehren am 21. Oktober 2001.

August 2001: Nach einer europaweiten Ausschreibung reißt sich die Weltelite der Architektur um den Bau des Stadions. Der FC Bayern und der TSV 1860 stellen die acht Planungsgemeinschaften vor, die in der engeren Auswahl stehen.

21. Oktober 2001: Beim Bürgerbescheid stimmt eine überwältigende Mehrheit der Münchener für den Bau des Stadions in Fröttmaning. Zudem erfolgt ein fast einstimmiger Stadtratsbeschluss zum Bau des neuen Stadions und zur Übernahme der Infrastrukturkosten.

November 2001: Zwei der acht Entwürfe haben den Sprung in die nächste Runde geschafft. Die Schweizer Architekten Jacques Herzog und Pierre de Meuron und das Hamburger Büro Meinhard von Gerkan und Volkwin Mang gehen als Gewinner der ersten Runde hervor.

Dezember 2001: Zum gemeinsamen Bau des neuen Münchener Stadions haben die beiden Münchener Vereine zu jeweils 50 Prozent die München Stadion GmbH gegründet.

8. Februar 2002: Die Entscheidung ist gefallen. Das Obergutachtergremium für den Stadionneubau hat seine Empfehlung ausgesprochen und die Bauherren, Bayern München und TSV 1860, haben sich für das Modell der Architekten Herzog/de Meuron entschieden. Gleichzeitig wird bekannt gegeben, dass die Allianz das Namensrecht für vermutlich 90 Millionen Euro kauft und das Fröttmaninger Stadion offiziell Allianz Arena heißen wird. Der Vertrag läuft zunächst bis 30. Juni 2021.

Doppelpremiere zur Eröffnung

Doppelpremiere zur Eröffnung

Mai 2002: Nach dem Abschluss des Raumordnungsverfahrens als Voraussetzung zur Erlangung des Baurechts im Dezember wurde offiziell der Bauantrag eingereicht.

21. Oktober 2002: Der offizielle Startschuss zum Baubeginn des modernsten Stadions Europas ist gefallen. Unter den Augen von Bundesinnenminister Otto Schily (SPD), Edmund Stoiber und Bürgermeister Christian Ude schwebte der Grundstein nach einer Lasershow vom Himmel herab.

13. Februar 2003: Mit der Erteilung der endgültigen Baugenehmigung für die Allianz Arena wurde auch die letzte bürokratische Hürde gemeistert.

4. November 2003: Die Organisationskommission des Fußball-Weltverbandes (FIFA) hat den Spielplan für die WM 2006 festgelegt. Demnach finden in der Allianz Arena mit dem Eröffnungsspiel, drei weiteren Vorrundenspielen, einem Achtelfinale und einem Halbfinale insgesamt sechs Spiele statt.

9. März 2004: 1860-Chef Wildmoser und sein Sohn Karl-Heinz werden wegen Bestechungsverdachts festgenommen. Bei der Vergabe des Bauauftrages sollen sie 2,8 Millionen Euro Schmiergeld kassiert haben. Wildmoser senior wird nach drei Tagen Haft wieder freigelassen.

26. März 2004: Der Stadionrohbau ist zum avisierten Termin fertig gestellt worden. Die letzten 4,5 Kubikmeter Beton wurden in einem feierlichen Akt in das letzte noch zu betonierende Stück im Stadionrund eingebaut.

27. Oktober 2004: Die FIFA-OK hat beschlossen, dass die deutsche Nationalmannschaft das Eröffnungsspiel der Fußball-Weltmeisterschaft am 9. Juni 2006 in München bestreiten wird.

30. April 2005: Das leitende Bauunternehmen Alpine Bau GmbH übergibt die fertig gestellte Allianz Arena offiziell an den Eigentümer München Stadion GmbH.

4. Mai 2005: Das Straßennetz rund um das Stadion wird fertig gestellt. Die neu errichteten Erschließungsstraßen werden zusammen mit dem neuen U-Bahnhof Fröttmaning offiziell eingeweiht.

13. Mai 2005: Im Korruptionsskandal um den Stadionbau wird Wildmoser junior wegen Bestechlichkeit und Untreue nach 14 Monaten U-Haft zu viereinhalb Jahren Haft verurteilt. Gegen eine Kaution von 250.000 Euro wurde der Haftbefehl außer Vollzug gesetzt.

19. Mai: Vor-Eröffnung mit dem Spiel der Traditionsmannschaften vom FC Bayern und TSV 1860.

30. Mai 2005: Als erster der beiden Hausherren tritt der TSV 1860 zum ersten offiziellen Eröffnungsspiel der Allianz Arena im bayerischen Derby gegen den 1. FC Nürnberg an.

31. Mai 2005: Zur zweiten offiziellen Eröffnungsfeier misst sich die Mannschaft des FC Bayern München mit der deutschen Fußball- Nationalmannschaft.

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