

Seit Beginn der Pandemie ist unser aller Fokus vor allem auf einen Ort gerichtet: Das eigene Zuhause. Küchenstudios und Badinstallateure jubeln über Auftragszuwächse. Seit man kaum noch reisen kann und auch große Teile des Berufslebens sich in der eigenen Wohnung abspielen, denken viele neu darüber nach, wie sie eigentlich leben und wohnen wollen. Eine Umfrage des IT-Branchenverbands Bitkom zeigte jüngst: Jeder fünfte Berufstätige würde umziehen, wenn er oder sie zukünftig im Homeoffice arbeiten könnte – wenn Pendelwege wegfallen, darf es auch weiter draußen sein, Hauptsache geräumig und mit Garten.
Wer sich neu orientiert, sollte auch das obere Ende der Skala kennen – und wenn es nur für eine Anregung gut ist, die sich vielleicht auch im Kleineren umsetzen lässt. Seit sieben Jahren geben Mari Luz Vidal und Andrew Trotter das zweimal jährlich erscheinende Magazin Openhouse heraus, das Künstler und Designer in ihren Häusern besucht. Als Essenz ist ein (englischsprachiger) Bildband erschienen, der Fotos von 30 der visionären Wohnhäuser und ihrer Einrichtung versammelt – die zum Teil weit abgeschieden in Naturparks oder an entlegenen Pazifikküsten thronen. Ideale Homeoffice-Bedingungen (wenn das Internet mitmacht). Hier gibt es einen kleinen Einblick in den Band.
Die "Modern Masterpieces of Residential Architecture" zeigen, dass der Weg zum kompromisslosen Wohnglück in ganz unterschiedliche Sphären verlaufen kann: vom brutalistischen Rohbeton bis zu fein verputzten weißen Mauern, von der mexikanischen Ranch bis zum italienischen Palazzo.
Feinster Klinkerbau: José Antonio Coderch entwarf die großzügige »Casa Coderch«, die in Katalonien steht. Das Haus sieht modern aus, wurde aber schon 1972 gebaut. Nach hinten heraus, ins Grüne, öffnet sich die zur Front hin verschlossene Fassade in großzügigen, überdachten Terrassen, einen Pool gibt es auch.
Innen ist das Haus weiß, mit schlichten Linien und Einbaumöbeln, die es behaglich machen. Es ist keine Angeberarchitektur, sondern »down to earth«, wie auch die Wahl das Baumaterials zeigt: Bodenständiger als rote Ziegel ist kaum etwas – und kaum etwas ist unverwüstlicher. Ursprünglich gebaut für eine Familie mit sechs Kindern, wird es jetzt als Airbnb-Bleibe vermietet.
Auch dieses Anwesen liegt in Spanien: »Solo Pezo« wurde von Mauricio Pezo und Sofía von Ellrichshausen entworfen, als eines von 15 außergewöhnlichen Häusern im Los Puertos de Beceite Natural Park in Aragon. Es steht auf einem massiven Betonsockel und blickt aus betonüberschatteten Terrassen weit in die Wildnis. Der nackte Beton kontrastiert mit dem Luxus, der dem Ferienhaus innewohnt: Ein weißer Innenhof bietet einen geräumigen Pool – und die hundert Treppenstufen, die zum Haus führen, garantieren eine gewisse Abgeschiedenheit.
Ein Wohntraum in Weiß: Die Villa Cardo steht unter der heißen Sonne Apuliens in Italiens Stiefelabsatz. Entworfen hat das kantige Gebäude Andrew Trotter. Die dicken Mauern sorgen für angenehmen Temperaturen, ein großzügiger Pool tut ein Übriges, den Aufenthalt angenehm zu gestalten. Was man von diesem Gebäude lernen kann: Es lehnt sich nicht gegen seine Umgebung auf, sondern lernt von der klassischen, klimatisch angepassten traditionellen Baukunst der Gegend, ohne auf eine eigene Formensprache zu verzichten.
Noch ein apulischer Wohntraum: Der Palazzo dell'elefante della torre in Italien geht auf das 17. Jahrhundert zurück. Hier leben Antonio Lodovico Scolari und Christian Pizzinini mit ihrer Kunst- und Designsammlung (zu der auch diese außergewöhnliche Glasperlenleuchte gehört). Das Haus zeigt, wie tröstlich es sein kann, sein Dasein in einen zeitlichen Kontext einzubetten, der weit über die eigene Lebensspanne hinausreicht – in die Vergangenheit wie in die Zukunft.
Das außergewöhnliche Haus einer außergewöhnlichen Frau: Die amerikanische Malerin Georgia O'Keeffe erwarb das Abiquiú House & Studio im Jahr 1945. Teile der schmucklosen Ranch, die sich um einen zentralen Innenhof gruppiert, datierten da schon 200 Jahre zurück. O'Keeffe öffnete die massiven Wände mit zum Teil bodentiefen Fenstern, die spektakuläre Ausblicke einrahmen. Bis 1984 lebte die Malerin hier, gärtnerte und arbeitete.
Das besondere Flair der Umgebung kann man erahnen, wenn man die Garten-Webcam auf der Seite des O'Keeffe-Museums besucht.
Brutalismus mit Büchern: Pedro Reyes entwarf die »Reyes-Fernández Residence & Studio« in Mexico City aus grobem Beton. Das ganze Haus mutet wie eine begehbare Skulptur an. Wohnen, Arbeiten, Studio – alles gruppiert sich um einen zentralen Innenhof. Den zentralen Kern des Hauses bildet die zweistöckige Bibliothek; alles atmet Kunst und Kompromisslosigkeit.
Die Sheats-Goldstein-Residence, erbaut in den frühen 1960-er Jahren von John Lautner, steht in Kalifornien. Luxuriöser geht es kaum: Wohnen auf 1372 Quadratmetern, hinzu kommen Pool und Tennisplatz – verbunden mit großartigen Panoramen. Vor allem das aus dreieckigen Facetten bestehende Dach hat das Haus zum Star in diversen Filmen und Fotoshootings gemacht. Ursprünglich war die Wand des Wohnzimmers offen – lediglich ein Luftschleier sorgte für eine thermische Barriere nach draußen. Auf Dauer reichte das dem Bewohner aber nicht; selbst in Kalifornien kann es kühl werden. Jetzt gibt es eine Glaswand.
"The Iron Lady" heißt diese ungewöhnliche Residenz in Amsterdam. Eigentlich ist eine eiserne Jungfrau eine ziemlich ungemütliche Angelegenheit: Das mittelalterliche Folterinstrument durchbohrte Delinquenten mit grausamen Spitzen. Die Assoziation führt aber in die Irre, denn dieses weitgehend in Schwarz gehaltene Schiff, gestaltet von Birgitta de Vos, hat nichts von der üblichen Enge sonstiger Hausboote, sondern zelebriert Weiträumigkeit in einem nach außen hin verschlossenen Interieur. Als die Iron Lady 1962 als Schüttgutfrachter vom Stapel lief, ahnte wohl niemand, welch glamouröses Zweitleben ihrer harrte.
Culture pure: Das Hotel Martel von Robert Mallet-Stevens in Paris versammelt Klassiker der Moderne. Das Gebäude selbst wurde bereits 1927 fertiggestellt und befindet sich heute im Besitz des Kunst- und Antiquitätenhändlers Eric Touchaleaume, der auch hier lebt. Es ist ebenso Galerie wie Wohnung; das Gebäude erlaubt es, Stil in allen Facetten zu inszenieren. Die zurückgenommene Farbigkeit von Wänden und Einbaumöbeln rückt leuchtende Solitäre wie den grünen Teppich in den Vordergrund.
Noch ein Haus von Mauricio Pezo und Sofía von Ellrichshausen (siehe das zweite Bild, »Solo Pezo«): Die Casa Poli im chilenischen Columio, eine Fahrstunde von der Hauptstadt Concepción entfernt, blickt über den oft rauen Pazifik. Der ebenfalls raue Beton ordnet sich einer strengen Struktur in Form eines Quadrates unter, das durch ein asymmetrisches Kreuz unterteilt wird. Pezo sieht das Haus, das auch als Künstlerresidenz dient, als Vergrößerungsglas für die umgebende Natur.
Living In: Modern Masterpieces of Residential Architecture
Gebundene Ausgabe, englisch, 288 Seiten, Die gestalten Verlag
Das Buch können Sie hier bei amazon oder hier bei Thalia kaufen.
Feinster Klinkerbau: José Antonio Coderch entwarf die großzügige »Casa Coderch«, die in Katalonien steht. Das Haus sieht modern aus, wurde aber schon 1972 gebaut. Nach hinten heraus, ins Grüne, öffnet sich die zur Front hin verschlossene Fassade in großzügigen, überdachten Terrassen, einen Pool gibt es auch.
Innen ist das Haus weiß, mit schlichten Linien und Einbaumöbeln, die es behaglich machen. Es ist keine Angeberarchitektur, sondern »down to earth«, wie auch die Wahl das Baumaterials zeigt: Bodenständiger als rote Ziegel ist kaum etwas – und kaum etwas ist unverwüstlicher. Ursprünglich gebaut für eine Familie mit sechs Kindern, wird es jetzt als Airbnb-Bleibe vermietet.
Foto: Salva Lopez / Living In, gestalten 2020Auch dieses Anwesen liegt in Spanien: »Solo Pezo« wurde von Mauricio Pezo und Sofía von Ellrichshausen entworfen, als eines von 15 außergewöhnlichen Häusern im Los Puertos de Beceite Natural Park in Aragon. Es steht auf einem massiven Betonsockel und blickt aus betonüberschatteten Terrassen weit in die Wildnis. Der nackte Beton kontrastiert mit dem Luxus, der dem Ferienhaus innewohnt: Ein weißer Innenhof bietet einen geräumigen Pool – und die hundert Treppenstufen, die zum Haus führen, garantieren eine gewisse Abgeschiedenheit.
Foto: Salva Lopez / Living In, gestalten 2020Ein Wohntraum in Weiß: Die Villa Cardo steht unter der heißen Sonne Apuliens in Italiens Stiefelabsatz. Entworfen hat das kantige Gebäude Andrew Trotter. Die dicken Mauern sorgen für angenehmen Temperaturen, ein großzügiger Pool tut ein Übriges, den Aufenthalt angenehm zu gestalten. Was man von diesem Gebäude lernen kann: Es lehnt sich nicht gegen seine Umgebung auf, sondern lernt von der klassischen, klimatisch angepassten traditionellen Baukunst der Gegend, ohne auf eine eigene Formensprache zu verzichten.
Foto: Salva Lopez / Living In, gestalten 2020Noch ein apulischer Wohntraum: Der Palazzo dell'elefante della torre in Italien geht auf das 17. Jahrhundert zurück. Hier leben Antonio Lodovico Scolari und Christian Pizzinini mit ihrer Kunst- und Designsammlung (zu der auch diese außergewöhnliche Glasperlenleuchte gehört). Das Haus zeigt, wie tröstlich es sein kann, sein Dasein in einen zeitlichen Kontext einzubetten, der weit über die eigene Lebensspanne hinausreicht – in die Vergangenheit wie in die Zukunft.
Foto: Salva Lopez / Living In, gestalten 2020Das außergewöhnliche Haus einer außergewöhnlichen Frau: Die amerikanische Malerin Georgia O'Keeffe erwarb das Abiquiú House & Studio im Jahr 1945. Teile der schmucklosen Ranch, die sich um einen zentralen Innenhof gruppiert, datierten da schon 200 Jahre zurück. O'Keeffe öffnete die massiven Wände mit zum Teil bodentiefen Fenstern, die spektakuläre Ausblicke einrahmen. Bis 1984 lebte die Malerin hier, gärtnerte und arbeitete.
Das besondere Flair der Umgebung kann man erahnen, wenn man die Garten-Webcam auf der Seite des O'Keeffe-Museums besucht.
Foto: Krysta Jabczenski / Living In, gestalten 2020Brutalismus mit Büchern: Pedro Reyes entwarf die »Reyes-Fernández Residence & Studio« in Mexico City aus grobem Beton. Das ganze Haus mutet wie eine begehbare Skulptur an. Wohnen, Arbeiten, Studio – alles gruppiert sich um einen zentralen Innenhof. Den zentralen Kern des Hauses bildet die zweistöckige Bibliothek; alles atmet Kunst und Kompromisslosigkeit.
Foto: Marina Denisova / Living In, gestalten 2020Die Sheats-Goldstein-Residence, erbaut in den frühen 1960-er Jahren von John Lautner, steht in Kalifornien. Luxuriöser geht es kaum: Wohnen auf 1372 Quadratmetern, hinzu kommen Pool und Tennisplatz – verbunden mit großartigen Panoramen. Vor allem das aus dreieckigen Facetten bestehende Dach hat das Haus zum Star in diversen Filmen und Fotoshootings gemacht. Ursprünglich war die Wand des Wohnzimmers offen – lediglich ein Luftschleier sorgte für eine thermische Barriere nach draußen. Auf Dauer reichte das dem Bewohner aber nicht; selbst in Kalifornien kann es kühl werden. Jetzt gibt es eine Glaswand.
Foto: Justin Chung / Living In, gestalten 2020"The Iron Lady" heißt diese ungewöhnliche Residenz in Amsterdam. Eigentlich ist eine eiserne Jungfrau eine ziemlich ungemütliche Angelegenheit: Das mittelalterliche Folterinstrument durchbohrte Delinquenten mit grausamen Spitzen. Die Assoziation führt aber in die Irre, denn dieses weitgehend in Schwarz gehaltene Schiff, gestaltet von Birgitta de Vos, hat nichts von der üblichen Enge sonstiger Hausboote, sondern zelebriert Weiträumigkeit in einem nach außen hin verschlossenen Interieur. Als die Iron Lady 1962 als Schüttgutfrachter vom Stapel lief, ahnte wohl niemand, welch glamouröses Zweitleben ihrer harrte.
Foto: Thibault De Schepper / Living In, gestalten 2020Culture pure: Das Hotel Martel von Robert Mallet-Stevens in Paris versammelt Klassiker der Moderne. Das Gebäude selbst wurde bereits 1927 fertiggestellt und befindet sich heute im Besitz des Kunst- und Antiquitätenhändlers Eric Touchaleaume, der auch hier lebt. Es ist ebenso Galerie wie Wohnung; das Gebäude erlaubt es, Stil in allen Facetten zu inszenieren. Die zurückgenommene Farbigkeit von Wänden und Einbaumöbeln rückt leuchtende Solitäre wie den grünen Teppich in den Vordergrund.
Foto: Depasquale+Maffini / Living In, gestalten 2020Noch ein Haus von Mauricio Pezo und Sofía von Ellrichshausen (siehe das zweite Bild, »Solo Pezo«): Die Casa Poli im chilenischen Columio, eine Fahrstunde von der Hauptstadt Concepción entfernt, blickt über den oft rauen Pazifik. Der ebenfalls raue Beton ordnet sich einer strengen Struktur in Form eines Quadrates unter, das durch ein asymmetrisches Kreuz unterteilt wird. Pezo sieht das Haus, das auch als Künstlerresidenz dient, als Vergrößerungsglas für die umgebende Natur.
Foto: Pezo von Ellrichshausen / Living In, gestalten 2020Living In: Modern Masterpieces of Residential Architecture
Gebundene Ausgabe, englisch, 288 Seiten, Die gestalten Verlag
Das Buch können Sie hier bei amazon oder hier bei Thalia kaufen.