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Luxusuhren: Goldene Zeiten für Schnäppchenjäger

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Preisbrecher der Uhrenbranche Luxusuhren - goldene Zeiten für Schnäppchenjäger

Von Michelle Mussler

Die Geschäfte der Luxusuhrenwelt stocken. Preiskämpfe, gegenseitiges Abwerben und Abgucken, Downgrades bei den Extras bis hin zu milliardenteuren Schutzmaßnahmen greifen um sich - mal zum Vorteil des Kunden, mal zum Nachteil.

Um das Business anzukurbeln, greift die Branche fleißig in die Trickkiste. Uhrenkunden können jetzt die Gunst der Stunde für sich nutzen. Dafür sollten sie aber die Luxusprobleme der Hersteller kennen und ihre Manöver durchschauen.

Selten wurden sie so offensichtlich wie zumGenfer Uhrensalon SIHH und bahnen sich schon für die nächste Messe an - die Luxusuhren- und Schmuckmesse Baselworld 2016, die am 17. März startet. Louis Vuitton hat seine dortige Teilnahme abgesagt - ein Novum. "Man möchte sich neu positionieren", lautet die Begründung.

Stattdessen versuchte man in Guerillamanier die mediale Aufmerksamkeit zum SIHH zu entern. Dort präsentierte sich schließlich die direkte Konkurrenz: Der SIHH ist eine Veranstaltung der Luxusmarken des Richemonts-Konzerns (plus einiger unabhängiger Uhrmacher). Vuitton stellte mit Kalkül zeitgleich eine eigene Neuheit vor. Fairness geht anders. Doch es zeigt: der Kampf wird härter.

So entließ De Grisogono vor wenigen Wochen zehn Prozent seiner Belegschaft und De Bethune tauscht seinen CEO aus. Schließlich rettete ein großer einen kleinen Artgenossen: Ende Januar übernahm Richemont die Manufaktur Roger Dubuis zu 100 Prozent. Seit 2008 besaß der Luxusgüterkonzern schon 60 Prozent der Marke, die auf einen geschätzten Jahresumsatz von 60 Millionen Euro kommt - mit etwa 4500 Uhren. Für das Uhrenjahr 2016 werden es sicher nicht die letzten Nachrichten dieser Art bleiben.

Noch drastischer sind die Entwicklungen bei der Swatch Group mit ihren 18 Marken, darunter Omega, Blancpain, Glashütte Original und Longines. Seit kurzem ist bekannt, dass 2015 der Nettoumsatz um 0,9 Prozent auf 8,45 Milliarden Franken, der Konzerngewinn sogar um 21 Prozent gegenüber 2014 zurückging. Der starke Franken war einer der Hauptgründe. Wobei die Gewinnmarge noch bei gesunden 17 Prozent, die Eigenkapitalquote bei stolzen 85 Prozent liegt. Um Leerkäufe durch Spekulanten und Negativzinsen zu verhindern, zieht Konzernboss Nick Hayek jetzt die Reißleine: Er kauft Aktien für bis zu einer Milliarde Franken zurück.

Appetitmacher für Preisbewusste

Umso aggressiver wird die Preispolitik: Weltzeituhren für unter 6000 Euro, einen manufakturkompetenten Tourbillon-Chronographen unter 40.000 Euro. Montblancs dynamischer CEO Jérôme Lambert beweist schon seit Jahren ein Gespür für Zeitgeist - vor allem den der Preispolitik. Prompt kontert Jaeger-LeCoultre mit einem ansehnlichen Ewigen Kalender samt Manufakturwerk für unter 20.000 Euro.

In den Rallye-Modus ist auch Tag Heuer eingestiegen. Jean-Claude Biver kündigte schon 2015 den Preisbrecher an und präsentierte ihn vor wenigen Tagen: Das weltweit günstigste Tourbillon mit Chronograph, die Tag Heuer Carrera Heuer-02T, wird auf der Baselworld 2016 für unschlagbare 14.200 Euro angeboten. Uhrenfans jubeln, die Branche schmollt.

Ansonsten offeriert man unzählige Einsteiger- und Retromodelle, die momentan gefragter sind als Nouveau-Riche-Wecker. Ein Klassiker kommt für 2100 Euro von Baume & Mercier mit einem Automatikwerk von Sellita, für eine schlichte Fliegeruhr mit einem Eta-Werk verlangt IWC knapp 4500 Euro. Sobald Manufakturkaliber verwendet werden, springt der Preis bei den SIHH-Ausstellern allerdings über 5000 Euro.

Das Rennen macht momentan Cartier mit der neuen Businessuhr Driver für unter 6000 Euro. Ein eindeutiges Preissignal, das man als erste Botschaft von Cyrille Vigneron betrachten kann, der am 1. Januar die Führung bei Cartier übernahm.

Mischkalkulation mit Köder-Modellen

Die Mischkalkulation lautet: Vereinzelte Modelle werden als Köder angeboten, Einsteigeruhren machen die breite Masse. Größere Komplikationen undlimitierte Talking Pieces, sorgen fürs gute Image, schüren die Begehrlichkeit und werden immer exorbitanter im Preis - ein paar Stück gehen immer, so die Erfahrung.

Die Preispolitik ist jedoch nur ein Lockmittel. Das andere ist das Design. Der Mainstream greift bevorzugt auf das zurück, was er kennt und mit Qualität assoziiert. Also lässt man sich von der eigenen Vergangenheit, aber auch von Bestsellern anderer Prestigelabels, darunter von Patek Philippe, Rolex oder sogar von Schwestermarken, inspirieren. Neu ist das Phänomen nicht, aber die aktuelle Häufigkeit an Déjà-vus fällt schon auf.

Das Setzen auf Bewährtes ist auch ein Indiz dafür, dass Produktionskapazitäten ausgelastet werden müssen. Ein weiteres ist die Lancierungen neuer Kollektionen in Edelstahl. Üblich wäre es, sie in Gold und Platin zu präsentieren. Doch Vacheron Constantin mit seiner Overseas-Linie und Cartier mit der Herrenserie Driver de Cartier machen dieses Jahr eine Ausnahme. Mit vereinzelten Radiomir-Modellen zieht Panerai mit.

Eine typische Win-win-Situation: Mehr Kunden können sich eine Top-Neuheit sogar mit hochwertigem Manufakturkaliber in Stahl leisten. Die Manufakturen, die in den letzten Boomjahren viel in ihre Produktion investierten, lasten sie in der momentanen Krise besser aus.

Wie man Trends vergoldet

Massive Rotgoldgehäuse hier, pure Gelbgold-Armbänder dort. Für den Sowohl-als-auch-Kunden kommt das Ganze in Bi-Color. Überall ploppt Gold auf. Bei A. Lange & Söhne ist sowieso nichts unter dem Goldlevel zu haben, Piaget lanciert einige Neuheiten nur mit geflochtenen Goldarmbändern. Vor allem betrifft das begehrte Top-Seller, wie die Royal Oak von Audemars Piguet. Laut den Marken scheinen die Kunden momentan verrückt nach diesem Edelmetall zu sein. Für die USA, dem weltweit zweitgrößten Uhrenmarkt, trifft das halbwegs zu und erreicht langsam auch Deutschland. "2015 zog hier der Golduhrenumsatz an, da viele Käufer sie als Investmentalternative betrachten", verrät ein Großhändler.

Das ist aber nur die halbe Wahrheit. Attraktive Gewinnmargen stecken dahinter. Seitdem der Goldpreis sein Allzeithoch 2012 erreichte, sank er um weit mehr als 20 Prozent. Die Preise für Golduhren wurden jedoch nicht angepasst. Im Gegenteil. Sie stiegen, zuerst durfte 2012 der hohe Einkaufspreis, schließlich 2015 der starke Franken als Argument herhalten. Um mehr Marge zu kassieren, wird also fröhlich der Golduhren-Trend gepusht. Und François Bennahmias, CEO von Audemars Piguet, wo man schon mal bis zu einem halben Kilo Gold für eine Uhr verbaut, kann stolz verkünden, den Jahresumsatz 2015 um 100 auf über 800 Millionen Franken gesteigert zu haben.

Uhrwerke definieren den Preis - oder auch nicht

Gespart wird gerne an inneren Werten. Selbstgefertigtes Manufakturkaliber versus zugeliefertes Werk, daran reiben sich die Uhrengeister. "Dem Gros der Kundschaft ist es egal was dahinter steckt, Hauptsache solide Mechanik", meint der CEO von IWC George Kern, der dennoch 40 Millionen Franken in die eigene Werkeproduktion investiert. Die Differenz der Fertigungskosten liegt schnell bei 20 Prozent und mehr.

Ähnlich bei der Finissage der Uhrwerke: Ob die Einzelteile von Hand angliert und poliert, ob mit Streifen- und Kreisschliffen verziert sind oder ob sie nur ein mattes Finish mittels Lasergravur besitzen - der Funktionalität tut das keinen Abbruch. Der Unterschied liegt im Auge des Betrachters und in den Produktionskosten. Etwa 40 Prozent mehr Handarbeitsstunden stecken beispielsweise in Uhren mit Genfer Siegel. Clevere Käufer sollten also nicht nur auf Manufaktur- und zugelieferte Kaliber achten, sondern auch deren Endfertigung untereinander vergleichen.

Die Kälbchen-Masche

Schließlich spielen Krokodile, Kälber und Kautschuk eine Rolle. Genau genommen bei Armbändern. Denn nur die wenigsten machen ihre Kaufentscheidung einer Uhr von dieser Materialwahl abhängig. Dahinter steckt aber ein beachtlicher Mehrwert. Apples 'Pimp your wrist' Parole, wie man mit Hermès-Armbändern eine Watch aufhübscht, beweist das deutlich. Die jüngste Liaison kommt auf Highheels daher: Jaeger-LeCoultre bereichert die Damenwelt mit einem bunten Armband des Luxus-Schuhlabels Louboutin. Hingegen sind einige Modelle der neuen IWC-Fliegeruhrenlinie mit Edel-Leder der italienischen Schuhmanufaktur Santoni ausgerüstet.

Bei Baume & Mercier erklärt CEO Alain Zimmermann, "bei mir bekommen Kunden schon bei Basismodellen echtes und kein geprägtes Alligatorleder." So ehrlich ist man auch bei Cartier, Montblanc und Jaeger-LeCoultre. Vacheron Constantin liefert gleich die drei Varianten, Alligator, Edelstahl und Kautschuk, mit.

Viele Marken nehmen jedoch bei Armbändern ein Downgrade vor. Der Grund liegt im Wareneinkauf, erst recht bei mehreren tausend Stück: Ein vernünftiges Alligatorlederband ist kaum unter 100 Euro zu haben, ein gepolstertes aus Nappaleder ab circa 30 Euro, noch günstiger sind Kautschuk- und Textilbänder. Die Verarbeitung ist zu berücksichtigen, dennoch zeigt sich eine deutliche Tendenz: farbige Nubuk- und Glattleder sowie geflochtene Textilbänder werden als Trend forciert. Vor allem für den finanzstärkeren Hipster-Nachfolgern, den Yuccis (Young Urban Creatives), mit denen etablierte Brands als neue Zielgruppe liebäugeln.

Drum prüfe, was man an sich bindet. Besonders betrifft das Lederbänder, die bei häufigem Tragen nach gut einem Jahr ausgetauscht werden sollten. Für ein Marken-Ersatzarmband 200 Euro, auch schnell über 300 Euro ohne Schließe einzukalkulieren. Ob aus Designgründen oder als Umsatztreiber, auf jeden Fall treten vermehrt kreative Bänder mit unüblichen Bandanstößen auf, die sich nicht mit günstigen Alternativherstellern bestücken lassen. Denn Ersatzarmbänder sind ein äußerst lukratives Zusatzgeschäft.

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