
Innenarchitekt Gisbert Pöppler Bunte Wände, große Kunst
Berlin - Es ist eine wundersame Welt, in der Gisbert Pöppler an diesem Morgen seinen Laptop aufklappt. Die Räume einer alten Eisenwarenhandlung in Berlin-Mitte wurden von dem Innenarchitekten gemeinsam mit dem Galeristen Erik Hofstetter zu einem temporären Showroom umfunktioniert.
Jetzt beherbergen die hohen unverputzten Erdgeschoss-Räume liebevoll zusammengetragene Einzelstücke und Design-Avantgarde: Ein wuchtiger, ovaler Tisch aus Marmor ist dabei, luzide Glasobjekte und bunte Sessel, die mit changierendem Samt bezogen wurden. Vier unterschiedlich gemusterte Webteppiche schmiegen sich in einer Ecke aneinander, dahinter verbreitet eine weiße Metall-Stehlampe diffuses Licht.
Einige Meter weiter liegt ein chinesischer Art-Deco-Teppich in den Farben Magenta und Ocker mit einem asymmetrischen Blumenmuster in zartem Türkis verziert. Kombiniert mit einer der Sofalandschaften, die im Moment in jedem Möbelhaus zu sehen sind, könnte der Seidenteppich kitschig oder banal aussehen. Doch hier schwebt über dem Boden ein großer Vogelkäfig, den Hintergrund dominiert ein geheimnisvolles Bronze-Relief des Künstlers Blasius Spreng aus den 60er Jahren.
Gisbert Pöppler lehnt sich wohlgefällig zurück. "Viele wollen wissen, wie es möglich ist, dass das Gesamtbild harmonisch wirkt, obwohl die Dinge, die Farben und Materialien, die ich miteinander kombiniere, so unterschiedlich sind", sagt er. "Beim Einrichten kann man Grenzen überschreiten und am Ende, wenn alles ruhig und selbstverständlich aussieht, merkt man, dass man sie doch nicht überschritten hat." Ein schöner Satz, zweifellos, doch das Geheimnis seiner als magisch gepriesenen Kombinationsgabe erklärt nur unzureichend.
Vom Accessoire bis zum ganzen Haus
"Im Grunde läuft meine Arbeit sehr intuitiv an. Allerdings ist das eine Art von Intuition, in der viel Wissen und Erfahrung steckt", ergänzt er. Der Berliner ist Architekt und zugleich Interieur-Designer, gemeinsam mit fünf Mitarbeitern entwirft er Gestaltungskonzepte von der Entkernung ganzer Häuser bis hin Auswahl von Wohnaccessoires.
Für einige seiner Auftraggeber sucht er zudem nach passenden Häusern, Appartements oder Lofts. Mit einem derart ganzheitlichen Ansatz arbeiten hierzulande nur wenige Innenarchitekten. Zu Pöpplers Kunden gehören Firmen, Hotels und Restaurants, zum größten Teil arbeitet er aber für Privatleute. "Die Arbeit mit Privatkunden ist viel emotionaler. Das liegt schon daran, dass es ja um das eigene Geld geht und persönliche Vorlieben berücksichtigt werden müssen", sagt Pöppler.
Vor jedem Auftrag besucht er seine Kunden zu Hause. "Das ist enorm wichtig. Selbst wenn die Kunden betonen, dass sie von nun an ganz anders wohnen möchten, muss ich sehen, wie sie leben. Stellen sie immer ordentlich ihre Schuhe weg? Bekommen sie viel Besuch? Oder leben sie eher zurückgezogen? Solche Details sind entscheidend, um ein passendes Wohnkonzept zu entwickeln."
Bei der Gestaltung eines Interieurs geht er immer von dem Raum selbst aus. Seine Entwürfe entstehen in langen Prozessen und im Dialog mit seinen Kunden. So dauerte die Zusammenarbeit mit einem Galeristen, der ein Haus in Berlin-Charlottenburg erworben hatte, insgesamt zweieinhalb Jahre lang. Der Mann wünschte sich ein Domizil, das behaglich sein sollte, aber auch seiner Kunstsammlung, zu der Werke von Neo Rauch oder Bruce McLean gehören, eine entsprechende Bühne bieten sollten.
Möbel aus einem alten Versicherungsgebäude
Nun gibt es, wenn es darum geht, derart hochkarätige Kunst zu präsentieren, eigentlich nur eine Vorgabe: Weiß müssen die Wände sein, rein weiß, damit sie nicht von den Gemälden ablenken. Pöppler aber wollte bunte Wände. "Räume, die mit wenig Tageslicht auskommen müssen, wirken oft diffus und neblig. Mit farbigen Wänden erzielen man in solch einem Fall eine weitaus bessere Wirkung", sagt er.
Schließlich konnte sich der Designer durchsetzen. Jetzt hängt große Kunst an Wänden in zartem Blau und Grün und kann sich dort, umgeben von bunten Sesseln und einer auffällig gemusterten Kommode, wunderbar behaupten. Die seltenen Vintagestücke, die Blickfang in vielen der von Pöppler gestalteten Wohnungen sind, sucht der Galerist Erik Hofstetter für ihn.
Zu den Fundstücken der jüngsten Zeit gehört eine Serie Kronleuchter aus den 50er Jahren mit dicken rechteckigen Murano-Glas-Scheiben. Die ausladenden Leuchten hingen einst in einem alten Versicherungsgebäude. Pöppler und Hofstetter bemühten sich monatelang, das Inventar aus den Vorstandsetagen im Ganzen zu übernehmen. Erst nach einem Einbruch, bei dem Jugendliche das Gros der Möbel und den Porzellanbestand zerstörten, entschied sich die Firma, die alte Einrichtung loszuwerden.
"Leider passiert so etwas häufiger, weil in solchen Fällen kein Mitarbeiter traut die Verantwortung für den Verkauf zu übernehmen", erklärt Pöppler. Erst wenn Vandalismus oder Wasserschäden den Bestand bedrohen, würde man sich von den Möbeln trennen.
Verspielte Arrangements
Wenn auf der Suche nach einem passenden Detail weder das Angebot der Hersteller noch Vintage-Ware den Einrichtungsspezialisten weiterbringen, dann entwirft Pöppler Kücheneinrichtungen, Kommoden und andere Möbel selbst. Auf seinem Laptop zeigt er das Foto eines Standspiegels mit abgerundeten Ecken, der auf einem Metallfuß steht. Den Spiegel hat ein Metallbauer nach seinen Vorstellungen gefertigt, jetzt macht er sich perfekt hinter einem freistehenden Waschtischchen.
Warum wurde nicht einfach ein Spiegel über das Waschbecken gehängt? Pöppler schüttelt den Kopf. Über dem Waschbecken seien bereits zwei hängende Lampen eingeplant, ein weiteres hängendes Element hätte zu starr gewirkt. Mit dem Spiegel, der sich auch kippen lässt, bekommt das Arrangement etwas Verspieltes.
Bei aller Liebe zum Detail haftet seinen Entwürfen immer auch etwas Lässiges und Überraschendes an. Immer wieder bricht Pöppler mit dem typischen Architektendenken und mit Traditionen. Eine seiner bekanntesten Arbeiten ist die Gestaltung eines Appartements im Berliner Hansa-Viertel. Für einen Berliner Fernsehproduzenten baute er eine Wohnung in einem denkmalgeschützten Haus, das von Walter Gropius erbaut wurde, um.
Einzelne Wände wurden entfernt, ein ochsenblutroter Linoleumboden verlegt. Wände und Decken sind in knalligem Gelb-, Türkis- und Blautönen gehalten, das Küchenmobiliar leuchtet in Orange. Eine Möblierung im Stil der 1960er Jahre hätte bei der Wohnung nahe gelegen, doch Pöppler mixte lieber Designstücke unterschiedlicher Dekaden und schuf trotz der starken Farben und auffälligen Stücke ein harmonisches Ambiente.
"Das Farbkonzept wirkt auf viele Besucher so, als sei es an diese Zeit angelehnt, aber das stimmt nicht. Die Farben haben wir hauptsächlich nach den persönlichen Vorlieben des Bauherren ausgewählt. Zusätzlich haben wir auch Farben verwendet, die an den umliegenden Bauten zu sehen sind", erklärt Pöppler. "Wenn ich rein theoretisch und konzeptionell an meine Arbeit herangehen würde, würde sie nicht funktionieren."