Das Vertriebsmeeting Ihrer mittelständischen Firma ist professionell vorbereitet: Zur Strategieplanung für das nächste Halbjahr sind der Geschäftsführer und Firmengründer, sein noch studierender Sohn, der Controller, der Marketingleiter und die acht Regionalvertriebsleiter eingeladen. Als die rechte Hand der Geschäftsführung sind Sie die Instanz für vieles -gerade bei strittigen Fragen.
Katharina Starlay
Foto: Antje Kern
Katharina Starlay ist Modedesignerin, Imageberaterin und Mitglied im Deutschen Knigge-Rat. In Vorträgen, Seminaren und individuellen Beratungen coacht sie rund um Kleiderstil und Businessknigge. Seit 2002 berät sie auch Unternehmen für deren Außenauftritt und entwickelt Stil-Leitfäden sowie Firmenkleidung. Sie schreibt Bücher (zuletzt erschienen: Erfolgreich über 50: Stilvoll älter werden ) und publiziert über Stilthemen: Starlay.de.
Nachdem die üblichen Zahlen dargelegt und die Ziele für die nächsten Monate verabschiedet sind, kommt es am späten Nachmittag zum Tagesordnungspunkt 6, der dem Seniorchef besonders am Herzen liegt: Selbst ein Gentleman der alten Schule, liebt er die Ausstrahlung des gehobenen klassischen Kleidungsstils und möchte ihn auch bei seiner Sales-Mannschaft am liebsten als Standard sehen.
Die Praxis allerdings sieht anders aus: Nur wenige der umsatzstarken Herren teilen die Meinung des Chefs und sehen die Details der Herrengarderobe als eine Selbstverständlichkeit, die Wertschätzung für den Gesprächspartner - in dem Fall für den Kunden - visuell ausdrückt. Die Meinungen reichen von "Es geht doch um unser Produkt!" über "Ich bin halt der sportliche Typ!" bis hin zu "Elegante Kleidung baut Distanz auf!".
Besonders hitzig entbrennt die Diskussion, als das Gespräch auf die beliebten Kurzarmhemden im Sommer kommt, die dem Senior ein besonderer Dorn im Auge sind. So etwas geht seiner Ansicht nach nicht - nur stichhaltige Argumente hat er eben auch nicht. Und damit richten sich alle Blicke auf Sie.
Als stilsichere und halbwegs neutrale Instanz ist Ihre Empfehlung im Interesse Ihrer Firma und des Firmenerfolgs hier gefragt. Und Sie werden stichhaltig argumentieren können, wenn Sie weiterlesen.
Die wichtigste Nebensache im zwischenmenschlichen Kontakt
Für den Geschäftsalltag und die Ausstrahlung Ihrer Firma an der Öffentlichkeit sind in erster Linie die Business Dresscodes relevant, während gesellschaftliche und private Dresscodes eigentlich kaum vorkommen. Viele Unternehmen unterschätzen dabei den nachhaltigen optischen Eindruck und messen der Erscheinung ihrer Mitarbeiter zu wenig Bedeutung bei. In der Regel fehlen Bekleidungsempfehlungen für Mitarbeiter im Außendienst vollkommen.
Auch mit Krawatte ein No-Go im Geschäftsleben: Das Kurzarmhemd
Foto: Imago
Kommen wir einmal zurück auf das zweite Beispiel unserer Einstiegssituationen, der hitzig entfachten Debatte um Kurzarmhemden im Vertrieb. Welche sachlichen Argumente gibt es dagegen - und welche Alternativen können Sie Anhängern der kurzen Ärmel bieten? Denn Ihr Firmenchef erwartet nun von Ihnen, dass Sie die Sache einfühlsam aber unmissverständlich auf den Punkt bringen - auf seinen Punkt, versteht sich. Und das gilt unabhängig davon, ob Sie eine männliche oder weibliche rechte Hand sind.
Auch als Assistent, Praktikant oder Geschäftsführer in spe adeln Sie Ihre Profession, wenn Sie sich mit Kleidung auskennen. Diese Kolumne liefert Ihnen im Laufe der Winterwochen mehr Orientierung im Gewirr der Dresscodes. Zunächst aber räumen wir mit den gängigen, in unserem Beispiel von den Vertriebsleuten geäußerten Vorurteilen auf:
"Es geht doch um unser Produkt!"
Wer das sagt, macht den zweiten Schritt vor dem ersten. Bevor in einem Verkaufsgespräch nämlich das Produkt in den Mittelpunkt rückt, sind die optischen Eindrücke zu 50 Prozent wichtig. Weitere 35 Prozent gehören dem emotionalen Eindruck, etwa 8 Prozent dem verbalen. Von den optischen und akustischen Eindrücken einer Erstbegegnung bleiben noch einmal die Hälfte im Langzeitgedächtnis.
Die ersten Momente entscheiden demnach über Sympathie oder Antipathie - in nur wenigen Sekunden, aber nachhaltig. Diesen Zahlen dürfte sich nicht einmal der Controller entziehen können. Der viel zitierte gute erste Eindruck kann zwar über eine schlechte inhaltliche Vorbereitung oder etwa ein schwaches Produkt nicht hinwegtäuschen - er ist aber der Türöffner. Und dass das Produkt Ihrer Firma ein sehr gutes ist, versteht sich von selbst. In einem Markt gleicher Produkte in vergleichbarer Ausführung und Qualität muss Differenzierung - und damit das Kundenvertrauen - anders gewonnen werden.
Ein gepflegt gekleideter Mensch wird viel mehr Aufmerksamkeit für das, was er sagt, erhalten, wertet das Produkt, das er präsentiert, auf und sorgt für mehr Begehrlichkeit. Denn die Qualität der Kleidung wird vom Kunden unterbewusst auf die zu erwartende Qualität des Produktes übertragen. Die Kleidung von Mitarbeitern im Kundenkontakt ist damit Marketing pur - um auch dem Marketingleiter begegnen zu können.
Es geht doch ums Produkt: Apple-Mitarbeiter in New York - in den hippen Stores gehört das lässige Auftreten in T-Shirt und Jeans zum Kult der Marke. Das passt aber noch lange nicht für alle Branchen.
Foto: AP/dpa
"Ich bin halt der sportliche Typ!"
Dem ist auch im Geschäftsleben nichts entgegen zu setzen. Denn ob sportlich, eher leger, klassisch oder modisch interessiert: Den Dresscode geben die Branche, die Firma und der Kunde vor. Im deutschsprachigen Raum gilt noch immer der Anzug als geschäftsüblicher Standard. Wie dieser aber ausfällt, darf eine Frage des Typs bleiben - denn "sportlich" ist keine Freikarte für Jeans im Kundenkontakt, sondern der Ausdruck der persönlichen Ausstrahlung eines Menschen.
Während zum Beispiel "Anzug mit oder ohne Krawatte" als vereinbarter Dresscode im Außenkontakt gelten kann, trägt der sportliche Mann den Anzug in einem strukturierten Stoff, eventuell mit einem Karo, während der klassische die anthrazitfarbige Super-120-Qualität wählt und mit passenden Accessoires und Schuhen kombiniert.
Es ist überraschend, wie wenige Firmen sich die Mühe machen, eine Bekleidungsempfehlung für die verschiedenen Zielgruppen ihrer Außendienstmitarbeiter zu erarbeiten. Bei unterschiedlichen Ansprechpartnern innerhalb der Kundengruppen, zum Beispiel mal "Geschäftsführung", mal "Werkstattleiter" könnte die Bekleidungsempfehlung im einen Fall "Anzug mit Langarmhemd und Krawatte", im anderen Fall "Kombination aus dunkler Jeans mit Sakko, Langarmhemd und ohne Krawatte" lauten.
Wichtig dabei ist, die Kleiderstrategie überhaupt einmal zu durchdenken und auch neuen Mitarbeitern zu kommunizieren. Als Assistent(in) können Sie mit solchen Vorschlägen punkten - denn Ihre Initiative zeigt, dass Sie weiterdenken und sich für verantwortungsvolle Aufgaben qualifizieren.
"Ich bin halt der sportliche Typ": Dieses Argument können Sie allenfalls bringen, wenn Ihr Arbeitsplatz die Nationalelf ist - hier Thomas Müller, Mats Hummels und Mesut Özil im November bei der Präsentation des neuen Auswärtstrikots von adidas.
Foto: Adidas/ dpa
"Elegante Kleidung baut Distanz auf!"
Das tut sie nur dann, wenn sie in den Rahmen nicht passt, der Dresscode für einen Anlass also grundsätzlich verfehlt wurde. Wer sich beispielsweise im entspannten Miteinander einer privaten Party "zugeknöpft" gibt, wird wenig Freunde gewinnen. Davon gehen wir aber im Geschäftsleben nicht aus.
Ein sorgfältig gekleideter Mensch, der seinen Empfänger - aber auch sich selbst - im Blick hat, wird immer eine Wertschätzung ausstrahlen, der sich keiner entziehen kann. Gut gekleidete Menschen haben etwas Magisches. Meist sind es Unsicherheit oder auch Neid, die andere dazu bewegen, eine stilvolle Erscheinung schlecht zu machen.
Ein durchdachtes Styling ist ein Kompliment an den Betrachter
Foto: René Lezard
Alle anderen aber werden bemerken, dass ein durchdachtes Styling ein Kompliment an den Betrachter ist, zum Hinschauen einlädt und den Blick verweilen lässt. Gute Kleidung im Sinne der Business-Etikette verschafft ihrem Träger dadurch mehr und längere Aufmerksamkeit des Zuhörers/ Zuschauers als es ein zufällig und nebenbei gewähltes Outfit tut. Welches bessere Argument gibt es für Profis, deren Ziel der erfolgreiche Vertrieb ist? Stilvolle Kleidung gehört einfach dazu!
30 BilderDer perfekte Anzug: 30 Stiltipps von Giorgio Armani persönlich
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Betrachten Sie sich einmal ausgiebig im Spiegel, von jeder Seite: Ein Anzug soll sich ihrer Figur anpassen, niemals umgekehrt. Nur Sie können das beurteilen und dementsprechend Ihre Ansprüche geltend machen.
Foto: Corbis
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Suchen Sie sich einen Anzug mit ganz simpler Linien- und Schnittführung und natürlicher Konstruktion; er wird Jahre halten und sich im Laufe der Zeit an ihren Körper anpassen.
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Eine Weste als Stilaccessoire sorgt für Aplomb. Speziell bei formellen Anlässen.
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Einen Anzug kann man mit oder ohne Krawatte tragen; keine Pflicht. Das hängt nur vom Anlass ab. Wenn man das Hemd ohne Krawatte trägt, empfiehlt sich ein kleiner Kragen.
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Ein Hemd ist der auserwählte Partner zu einem Anzug. Falls Sie T-Shirts bevorzugen, die gehen am besten mit sogenannten dekonstruierten Anzügen, also solchen ohne Polster, Futter und Ausstattungs-Schnickschnack. Der Fachbegriff dafür heißt dégagé.
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Wenn man die Krawatte weglässt gilt: Der Hemdkragen darf nie die Revers überlappen. Die 1970er sind längst vorbei.
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In dieser Saison schlage ich vor: ein Blouson-Hemd zum Anzug, eins ohne Kragen oder ein Pyjama-Hemd, um Klasse ein Ideechen Exzentrisches zu geben. Hemden in Nadelstreif zeigen einen leicht exzentrischen Touch, perfekt für die anspruchsvollsten formellen Anlässe.
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Der Mix-und-Match-Anzug könnte eine coole Alternative sein, also Jackett und Hosen aus unterschiedlichen Materialien in gleicher Farbe - besonders chic!
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Ein eng geschnittener Anzug signalisiert eine "lean and mean"-Allure; der coole Effekt ist allerdings beim Teufel, wenn der Anzug zu hautnah und kneifend eng geschnitten ist. Nur tragen, wenn Sie einen durchtrainierten und athletischen Körper haben.
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Selbst wenn Sie athletisch gebaut sind: Slim fit sollte man nie übertreiben, das Jackett sollte nicht so eng sein, dass sich die Nähte dehnen und dass es Falten schlägt; die Hose darf nicht zu kurz sein.
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Das Jackett kann geschlossen oder offen getragen werden, aber immer mit Haltung und Nonchalance - wenn man sich hinsetzt, öffnet man immer die Knöpfe.
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Die Hosen sollten den Rist der Schuhe leicht berühren. Aufschläge sind ok, aber keinesfalls am Abend.
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Die Länge des Jacketts ist eine kniffelige Sache; sie erfordert Augenmerk. Zu lang macht es mühselig und beladen aussehend und alt. Zu kurz sieht man damit albern und affig aus. Immer wieder überprüfen und beim Schneider ändern lassen.
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Maßgeschneidertes sitzt absolut perfekt, vor allem, wenn es kleine Unregelmäßigkeiten wie schiefe Schultern etc. zu kaschieren gilt. Faustregel: Zwischen zugeknöpftes Jackett und Brust sollte immer eine Faust passen. Nicht mehr, nicht weniger.
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Ärmel enden exakt am Handgelenk. Ein Zentimeter der Manschette blitzt hervor.
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Schnürschuhe, ein schlichter Gürtel und eine klassische Armbanduhr sind die einzigen Accessoires, die man zu einem Anzug tragen sollte. Sportuhren gehören ins Gym.
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Ein Einstecktuch gibt den Gentleman-Touch. Farbempfehlung: Aus der gleichen Palette wie die Krawatte, jedoch mit unterschiedlichem Muster.
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Der Inbegriff der Eleganz: ein weißer Anzug im Sommer. Wagen Sie es nicht einen zu tragen, bevor Sie sich dafür nicht reif fühlen!
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Ein Jackett, auf nackter Haut getragen ist die blanke Provokation; wenn man es lässig tut, ist das speziell im Sommer eine hervorragende Idee.
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Das ideale Feeling stellt sich ein, wenn man einen Anzug wie ein Jogging-Outfit trägt: Er sollte die eigenen Bewegungen mitmachen und nicht behindern oder einschränken. Weich fallende Hosen zu einem scharf geschnittenen Jackett machen immer eine elegante Silhouette.
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Freilich sollte ein Anzug die Ewigkeit überdauern. Er braucht aber ständig Nachbesserung und Pflege. In der Männermode machen schon Millimeter den großen Unterschied.
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Basis meines Stils ist immer Praktikabilität: Deshalb sind die Anzugtaschen nie zugenäht, so dass es nicht die Silhouette zerstört, wenn man etwas hineinsteckt. Zugenähte Taschen immer auftrennen.
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Allzeit bereit: Jeder Mann sollte unbedingt mindestens einen Smoking im Kleiderschrank haben; perfekt für jede Art Roter-Teppich-Gelegenheit und ähnlich festlichen Anlässen. Natürlich nie im Büro.
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Einen Smoking trägt man nur, wenn es ausdrücklich auf der Einladung steht oder gewünscht ist: Black tie ist der code. Andernfalls fühlt man sich voll daneben. (Dieses und die folgenden Bilder: Evening capsule collection von Armani)
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Die klassische Smokingfarbe ist schwarz, aber man sollte eine dunkelblaue Variante in Betracht ziehen das ist die absolute Eleganz. Deshalb habe ich einen für meine Evening Capsule Collection kreiert.
Foto: M.ricci / Giorgio Armani
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Ein Smoking verlangt nach kontrastierenden Details. Ich empfehle Satin, Rips oder Samt, je nach persönlicher Vorliebe.
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Den elegantesten Look geben strukturierte Tuche und Stoffoberflächen mit Textur.
Foto: M.ricci / Giorgio Armani
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Das Hemd muss makellos sein, ob mit oder ohne Diplomaten-Kragen. Es steht frei, den Smoking mit Fliege oder Krawatte zu tragen.
Foto: M.ricci / Giorgio Armani
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Ohne viel Tamtam kann man einen Smoking auch etwas herunter tunen: Mit klassischen statt Lack-Schuhen. Sneakers überlassen Sie aber besser den Rockstars.
Zu einem Smoking trägt man keine Armbanduhr, sondern eine Taschenuhr: Bei Nacht fließt die Zeit anders dahin.
Foto: Hermés
Auch mit Krawatte ein No-Go im Geschäftsleben: Das Kurzarmhemd
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Es geht doch ums Produkt: Apple-Mitarbeiter in New York - in den hippen Stores gehört das lässige Auftreten in T-Shirt und Jeans zum Kult der Marke. Das passt aber noch lange nicht für alle Branchen.
Foto: AP/dpa
Ein durchdachtes Styling ist ein Kompliment an den Betrachter