
Luxusuhrenmesse SIHH Zeit läuft gut
Genf - Nobel geht es auf den 30.000 Quadratmetern der SIHH zu. Auf der exklusivsten Uhrenmesse der Welt präsentieren 16 dem Richemont-Konzern verbundene Hersteller ausgewählten Händlern und Kunden ihre neuen Preziosen. Die globale Hautevolee kommt nicht nur in italienischen Tuch oder französischer Edelschneiderei, sondern auch schon mal im Sari oder Kaftan, mit Kippa oder einem Turban. Die meisten haben gute Laune.
Kein Wunder, denn die Luxusuhrenbranche plagt höchstens das Problem, nicht genug produzieren zu können. Einer der Gründe dafür ist, dass immer mehr Hersteller nicht die vorgefertigten Eta Basiskaliber von der Swatch Group verwenden können, sondern im eigenen Haus produzieren müssen. Der größte Uhrenkonzern benötigt nämlich selber die Werke, um der enormen Nachfrage besonders aus der Boomregion Asien nachzukommen, und fährt die Auslieferung an andere sukzessive herunter.
Zwar kommt das für die Marken nicht überraschend, dennoch braucht es Zeit, auszubilden, ausreichend Manpower und Produktionsraum zu schaffen. Beispielsweise fertigt der Taucheruhrenspezialist Panerai 75 Prozent seiner Werke selber, weshalb der Endkunde etwa 1000 Euro mehr für solch eine Eigenproduktion hinblättern darf.
Ein anderer Grund für die stets steigende Preisentwicklung ist, dass weltweit immer häufiger Manufakturuhren, vor allem Goldexemplare sowie limitierte Editionen, als renditeträchtiges Investment angesehen werden. Doch all das wird von der enormen Gier nach Luxusgütern in Fernost übertroffen.
Chinas Gier nach Luxus treibt die Preise
Zwar hatte Richemont im dritten Quartal 2012 zu spüren bekommen, dass hier die Nachfrage nicht mehr so rasant wächst wie in den Jahren zuvor. Konzernweit waren die Erlöse von Oktober bis Dezember auf 2,86 Milliarden Euro gestiegen - bereinigt um Wechselkurseffekte war das ein Plus von 5 Prozent, Analysten hatten mit 8,9 Prozent gerechnet. Asien-Pazifik ist mit 1,1 Milliarden Euro dennoch inzwischen die umsatzstärkste Region für Richemont, gefolgt von Europa.
"So lange alles in China verrückt spielt, wird sich auch an der überdrehten Preispolitik nichts ändern", erklärt Uwe Beckmann, Geschäftsführer bei Wempe. Seit Jahren ist er einer der zwei Hauptuhreneinkäufer der Juwelierkette, die als eine der größten Uhrenhändler Europas gilt, und muss ständig beim Einkauf nach Luft schnappen. Wer die Preiskapriolen nicht akzeptiert, hat dann eben Pech gehabt.
Die Marken eröffnen inzwischen selber zahlreiche Boutiquen in Eins-a-Lagen, um näher am Kunden zu sein, wie es offiziell heißt. Dahinter steckt aber das Abgreifen von Marktsegmenten, mehr Unabhängigkeit von den Händlern und das Einheimsen der kompletten Marge. Um die Begehrlichkeit zu schüren, offerieren sie zudem exklusive Boutiquemodelle.
"Als wir vormittags um 10 Uhr die SIHH-Modelle auf unserer Homepage präsentierten, gab es bis zum Abend in unserer Münchner Boutique an die 300 Anrufe", erklärt Marcel Rössner, Brandmanager von Panerai. Doch im vergangenen Jahr fühlten sich so viele treue Paneristi, wie sich Panerai-Liebhaber selbst bezeichnen, vor den Kopf gestoßen, weil es in ihrer Region keine Boutique gibt, "weshalb wir 2013 keine exklusiven Boutiqueversionen mehr lancieren", verspricht Rössner.
Knapp zwei Millionen Euro für ein Liebhaberstück
Die Kunden freut es - immerhin gibt es die neue Radiomir 1940 in Edelstahl für gerechtfertigte 5900 Euro. Hielt der überhöhte Goldpreis und Wechselkurs zum Schweizer Franken bisher oft als Argument her, um kräftig an der Preisschraube zu drehen, haben sich auch hier die Zeiten etwas geändert. Der Goldpreis sank, der Franken wird stabil gehalten und prompt munkelt man auf der SIHH, dass Audemars Piguet seine Goldmodelle der Kursentwicklung anpassen möchte.
Immerhin wäre es ein fairer Schachzug. Hingegen löste A. Lange & Söhne auf der SIHH Begeisterung, aber auch Kopfschütteln aus. Für das Liebhaberstück Grand Complication werden 1,92 Millionen Euro aufgerufen. Brutto versteht sich. Doch die sechs limitierten Preziosen finden als Egoverstärker garantiert schnell Abnehmer.
CEO-Montblanc Lutz Bethge schmunzelt unbesorgt: "Zwar kann ich nach wenigen Tagen auf der SIHH noch keine konkreten Fakten nennen, doch die gefühlte Stimmung ist besser als letztes Jahr". Montblanc ist mit mehr als 100 Boutiquen in China vertreten. "Wir haben den dortigen Regierungswechsel gespürt und die reichen Chinesen sind geschockt, weil plötzlich Wasser und Brot gepredigt wird. Doch das Wachstum geht in China kontinuierlich weiter, weil immer mehr Landbevölkerung in die Städte zieht, wo sie mehr verdienen und der Bedarf an westlichen sowie Luxusprodukten steigt".
Clever setzt Montblanc daher auf zwei gleich Uhrenschienen. Das Highend-Segment mit den Nicolas-Rieussec- und Villeret-Modellen, die komplett in der eigenen Manufaktur gefertigt werden, sowie die Luxuslinien Star und Timewalker, die mit Mechanikwerk ab etwa 2400 Euro zu haben sind - Swiss made selbstverständlich. Und das kommt an.
Die Trends werden immer noch in Europa gemacht
Ähnlich sieht es der internationale Kommunikationsdirektor von Vacheron Constantin, Sébastien Knop, "das Bedürfnis nach Tradition und Handwerkskunst ist in westlichen Ländern ebenso in China enorm, weil es Qualität, Werthaltigkeit und Prestige garantiert. Da liegen europäische Marken nun mal vorn und hier werden die Trends gemacht".
Auch wenn die Marken noch so sehr auf ihre europäischen Wurzeln beharren, ist es unverkennbar, dass sie sich ihrem größten Absatzmarkt anpassen - 41 Prozent in Asien, 36 Prozent in Europa, wo kontinentale Touristen einkaufen. Und zwar gleich doppelt. Zum einen statt bisher protziger Oversize kommen sie häufig mit schlanken 38 bis 40 Millimetern Diagonale daher. Oder sie sind oft flacher, damit sie sich den zierlicheren Handgelenken besser anpassen.
Zum anderen, "ist Vintagelook und puristisches Design bei asiatischen Herren und der wachsenden Mittelschicht gefragt, was wiederum dem deutschen Geschmack sehr entgegenkommt", wie Wempe-Einkäufer Uwe Beckmann weiß. In diese Kerbe hauen auf der SIHH gleich mehrere Marken.
Jaeger-LeCoultre trumpft zum 180. Firmenjubiläum mit der momentan flachsten Handaufzugsuhr der Welt auf, der 4,05 Millimeter hohen Master Ultra Thin Jubilee. Bei den ultraflachen Weltrekorden liegt jedoch Piaget vorne. Erst punkteten sie mit der flachsten Minutenrepetition samt Automatikwerk und jetzt machen sie mit der 4 Millimeter hohen Altiplano als dünnste Automatikuhr mit Datum das Rennen.
Die Schmerzgrenze liegt bei 6000 Euro
Hingegen hat IWC die schlichten Ingenieur-Modelle auf wohltuende 40 Millimeter Durchmesser reduziert. Einstiegsmodelle nennen das Insider: Die Uhren liegen bewusst unter der Schmerzgrenze von 6000 Euro. Treu im Stil des Wirtschaftswunders verblüfft Baume & Mercier mit den Handgelenksschmeichlern Clifton im 50er Jahre Retro-Design. Sowieso überzeugt die Marke dieses Jahr gleich doppelt. Die Preise sind für Drei-Zeiger-Uhren mit Datum und Automatikwerk ab 2500 Euro extrem fair und sie gönnt den Damen auch mechanische Modelle.
Den Grund bringt CEO Alain Zimmermann, auf den Punkt: "Anders als in Europa, wo Frauen oft selber ihre Uhr kaufen, erwerben in Asien überwiegend Männer die Damenuhren. Für sie ist nur Mechanik akzeptabel, erst recht im Luxussegment". Zudem setzt sich mehr und mehr der Herren-Trend bei europäischen Frauen durch, dass es zum gehobenen Lebensstil gehört, einen mechanischen Begleiter auszuführen.
Daher bezirzt Vacheron Constantin jetzt auch die Damenwelt mit ihren herrlich unaufgeregten Klassikern Patrimony Contemporaine und Patrimony Traditionelle. Mehr noch. Die älteste ununterbrochen existierende Uhrenmanufaktur besinnt sich auf traditionelle Handwerkskunst und offeriert den Damen handgefertigte, florale Zifferblattdekore in der Métier d'Art Florilège Kollektion.
Raffiniert erobert auch Parmigiani feminine Handgelenke mit der elegant schlichten und sehr anschmiegsamen Tonda 1950. Bei Richemont-Leader Cartier, aber auch bei Audemars Piguet, Jager-LeCoultre und Piaget wurden Frauen sowieso noch nie mit Mechanik vernachlässigt, weshalb bei ihnen dieses Jahr ein noch breiteres Sortiment anzutreffen ist.
Zwölf Ritter im Miniaturformat
Unabhängig von der A. Lange & Söhne Grand Complication, die mit einer Grande und Pétit Sonnerie, Minutenrepetition und Ewigem Kalender sowie Chronograph samt Schleppzeiger und blitzender Sekunde ausgestattet ist und somit die Pole-Position der SIHH besetzt, starten andere Marken auch mit technischen Innovationen durch.
Uhrenfreaks und Alphatiere setzen oft auf intelligente Hightech-Materialien, sportive Dynamik oder sonstige Ausnahmeobjekte. So fährt man bei Roger Dubuis, der bisher einzigen Manufaktur, die alle Kaliber mit dem strengen Gütesiegel der Genfer Punze adeln darf, mit der ultraleichten Excalibur Quatuor im Silikongehäuse und vier Unruhen mit flotten vier Hertz vor. Nur drei Exemplare wird es für je etwa eine Million Franken geben.
Hingegen mit etwa 113.000 Euro ist der rotgoldene Hingucker Excalibur Table Ronde nahezu günstig, dafür auf 88 Exemplare limitiert. Der Besitzer kann hier die zwölf Ritter der Tafelrunde in Miniaturformat von sechs Millimetern auf einem aufwendigen Emaillezifferblatt bewundern.
Parmigiani überzeugt wieder einmal mit seiner extravaganten Bugatti Super Sport, wo das Zifferblatt senkrecht steht, jetzt als neue Roségold-Version. Bei IWC steht auch der Rennsport mit der AMG-Kooperation im Vordergrund und die Schaffhauser haben ihre Linie Ingenieur exzellent zu haptischen Handschmeichlern überarbeitet. Warum jedoch die Drei-Zeigeruhr mit Datum namens Automatic Carbon Performance rund 23.000 Euro kostet und nahezu das gleiche Werk in der etwas kleineren, neuen Ingenieur Automatic aus Edelstahl nur 5850 Euro, kann man nur bedingt nachvollziehen - man munkelt lapidar, um junge und preissensiblere Käufer anzufixen.
Robuste Keramik für 17.600 Euro
Panerai hisst die Segel mit der feschen Luminor 1950 Regatta aus Titan für 13.900 Euro. Mit an Bord: drei Tage Gangreserve, Chronograph mit Flyback und Automatikwerk. Weiteres Plus: Sie ist die bisher einzige Regattauhr, die sich zwischen einer und 60 Minuten individuell einstellen lässt.
Audemars Piguet erobert die Welt unter Wasser bis zu 300 Metern mit der Royal Oak Offshore Diver aus robuster Keramik für 17.600 Euro. Hier liegt der Vorteil klar beim Minutenkranz für Taucher, der nicht wie üblich auf der Lünette sitzt, sondern im Gehäuse um das Zifferblatt, was für bessere Ablesbarkeit sorgt.
Und wer auf sportive Dynamik setzen möchte, trotz klassischem Anzug-Outfit, der wird mit der kess eleganten Calibre de Cartier Chronograph glücklich. Das neue, eigene Chronographenkaliber mit automatischem Aufzug verfügt sogar über eine Säulenradschaltung, mit 48 Stunden hohe Gangreserve bei konstant laufendem Chrono und ist durch einen Safirglasboden zu bestaunen.