
Schmuckauktionen Eine Kamelienblüte für 1,5 Millionen Euro
Hamburg - "Mehr ist mehr" könnte das Motto von Lily Safra lauten. Sie sammelte wohlhabende Ehemänner (vier), Villen und Wohnungen (unter anderem in Monaco und Genf, London und New York), sowie hochkarätige Juwelen. Doch die gebürtige Brasilianerin, die in ihrer letzten Ehe mit dem 1999 verstorbenen Milliardär und Bankier Edmond Safra verheiratet war, ist auch eine großzügige Frau, die wohltätige Organisationen mit Millionen-Beträgen unterstützt.
Auch der Erlös der am 14. Mai in Genf stattfindenden Auktion, bei der Christie's 70 Schmuckstücke aus ihrem Besitz versteigert, soll karitativen Zwecken dienen und rund 20 unterschiedlichen Institutionen zufließen. Die Elton John Aids Foundation, die New York University, das Ballet de l'Opera National de Paris oder das Agahozo-Shalom Youth Village in Ruanda dürfen sich auf hübsche Summen freuen, denn die geschätzten 20 Millionen US-Dollar, die Christie's als Resultat erwartet, werden vermutlich übertroffen.
Wie schnell das gehen kann, zeigte die spektakuläre Auktion, die das Haus im vergangenen Dezember in New York veranstaltete: Versteigert wurden 270 Schmuckstücke aus dem Besitz von Elizabeth Taylor, und anstelle der geschätzten 30 Millionen Dollar wurden rund 137 Millionen dafür bezahlt.
Schon nach zwei Stunden hatten die Taylor-Juwelen jene 50 Millionen Dollar übertroffen, die 1987 für den Schmuck der Herzogin von Windsor eingenommen wurden, und die seitdem als Rekord für die Schmucksammlung einer Einzelperson galten. "Natürlich spielt die Herkunft der Schmuckstücke eine wichtige Rolle", sagt François Curiel, Christie's weltweiter Juwelen-Direktor und Präsident von Christie's in Asien, "doch ein einzigartiges Schmuckstück wie beispielsweise ein Tutti-Frutti-Armband von Cartier wird sich auch ohne Prominenten-Bonus gut verkaufen".
Schmuck-Auktionshäuser auf Rekordkurs
Lily Safra ist keine Hollywood-Diva und auch keine Windsor. Bei aller Großzügigkeit hat sie nicht das Zeug zur Legende und erfreut sich zudem bester Gesundheit. Dafür bietet ihre Schmucksammlung seltene Highlights, unter anderem 18 Stücke des Pariser Kult-Juweliers JAR (Joel Arthur Rosenthal), die mehrheitlich eigens für sie gearbeitet wurden.
Auf bis 1,5 Millionen Dollar wird allein eine Brosche aus Rubinen und Diamanten in Kamelienblütenform geschätzt, die 2003 für Safra kreiert wurde. "Nur" 250.000 bis 500.000 Dollar werden für ein paar 22 Jahre alte, tulpenförmige und mit Saphiren, Rubinen und Diamanten besetzte Ohrclips erwartet.
"Schmuckstücke bekannter Juweliere wie Cartier, Boucheron, Van Cleef & Arpels, Bulgari, Harry Winston, Tiffany, Graff und David Webb behalten oder steigern in der Regel ihren Wert", erklärt François Curiel, "doch JAR ist noch einmal etwas anderes. Jedes seiner Stücke ist einzigartig, und weil er nicht für jeden arbeitet, sind Auktionen die vielleicht einzige Möglichkeit für JAR-Fans, etwas aus der berühmtesten Schmuckmanufaktur unserer Zeit zu erwerben."
In wirtschaftlich schwierigen Zeiten scheint das Interesse an Schmuckstücken und die Kauflust jener, die sie sich leisten können, ungebrochen. 2010 war ein Rekordjahr für Christie's und Sotheby's, die zusammen fast 90 Prozent der hochwertigen Schmuck-Auktionen bestreiten. Bei Christie's wurde der vorherige Rekord von 395 Millionen Dollar im Jahr 2007 locker mit 429 Millionen getoppt, Sotheby's meldete mit 405 Millionen ebenfalls den bislang höchsten Erlös.
Der führende Marktplatz für Juwelen ist Hongkong
Der Erfolg war weltweit: Christie's brach Rekorde in Nordamerika (130,5 Millionen Dollar), in Hongkong (163 Millionen) und in Europa (135,5 Millionen). Die erste wichtige Schmuckauktion des 1766 gegründeten Auktionshauses in diesem Jahr fand in New York statt und brachte über 70 Millionen Dollar ein - das ist die zweithöchste Verkaufsumme, die je in New York erreicht wurde, übertroffen nur von der Taylor-Auktion wenige Monate zuvor.
"Dies zeigt uns, dass die Nachfrage nach Top-Steinen und seltenen Schmuckstücken wächst", sagt François Curiel, "dafür gibt es zwei Gründe: Eine noch immer wachsende neue Klientel aus Russland, dem Mittleren Osten und Asien, und die unstabile Situation am Aktienmarkt."
Als im Winter 2008 die Wirtschaftkrise ihren Höhepunkt erreichte, verkaufte Christie's den "Wittelsbach Blue", einen 35,56 Karat schweren, blau-grauen Diamanten für 23,4 Millionen Dollar - den höchsten Preis, den bislang ein Diamant auf einer Auktion erreichte. Ein Jahr später stellte der Verkaufspreis von 10,8 Millionen Dollar für einen fünfkarätigen rosafarbenen Diamanten gleich zwei Rekorde auf: Den für den höchsten Preis pro Karat (2,1 Millionen Dollar) und den für das teuerste Schmuckstück, das 2009 auf einer Auktion versteigert wurde.
2011 wurde mit 8,8 Millionen Dollar für einen farblosen, 33,19 Karat schweren Diamanten ein weiterer Rekord aufgestellt, und im vergangenen April versteigerte Christie's in New York einen Ring mit einem neunkarätigen, rosa schimmernden Diamanten für 15.752,500 Dollar und erzielte damit den höchsten Preis, der je für einen "pink diamond" in den USA bezahlt wurde.
Chinesen etablieren sich als neue Kaufkraft
François Curiel sagt: "Diamanten haben schon immer den Markt beherrscht, und es scheint, als seien weiße Steine und farbige gleichermaßen beliebt, wobei die Nachfrage nach großen Exemplaren von über zehn Karat besonders hoch ist". Der globale Markt, die Seltenheit von Top-Steinen und das zunehmende Interesse von Seiten vermögender Einzelpersonen treiben die Preise in die Höhe.
Ganz gleich, ob die Auktionen in New York oder London stattfinden - sie werden zunehmend von einer internationalen, privaten Klientel besucht. Hongkong etwa, lange Zeit als Nischenmarkt für Jade und chinesische Kunst bekannt, war sowohl 2009 als 2010 Christie's führender Markplatz für hochkarätige Juwelen. Dies mag nicht zuletzt den Chinesen zu verdanken sein, die sich als neue Kaufkraft etablierten. Doch es war Genf, wo Sotheby's 2010 bei einer Schmuckauktion erstmals die 100-Millionen-Dollar-Grenze sprengte und allein 46 Millionen Dollar für einen 24,78 karätigen, Rosa schimmernden Diamanten einnahm.
Es sind allerdings nicht nur Diamanten, die in den vergangenen Jahren Auktions-Rekorde erzielten. Die Nachfrage nach den lange unterschätzten natürliche Perlen nimmt zu und löst Südsee-Perlen als Trendsetter ab. Elizabeth Taylors Perlenschmuck "La Peregrina" legte mit einem Auktionspreis von knapp 12.000 Dollar die Latte auf das bislang höchste Niveau. Richard Burton hatte ihr das Collier zum 37. Geburtstag geschenkt und damals ganze 37.000 Dollar dafür bezahlt.
Auch Cartier-Juwelen aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts erfreuen sich einer beständigen Nachfrage sowie konstant steigenden Preise, Vintage-Stücke von bekannten Manufakturen sind ebenfalls sehr gefragt. "Für außergewöhnliche Schmuckstücke gibt es sehr viel Liquidität", sagt François Curiel, "Sammler sind immer auf der Suche nach echten Raritäten und Käufer, die in diesem Marktsegment agieren, sind wohlhabend und von Konjunkturschwächen unberührt".
Die "Jewels for Hope"-Auktion in Genf dürfte also spannend werden. Bei Lily Safras Pretiosen kommt vieles zusammen, was Sammler und Investoren weltweit suchen: Sie sind so selten wie hochkarätig, sie decken den Zeitraum vom späten 18. Jahrhundert bis ins frühe 21. Jahrhundert ab und sie zeigen das Beste diverser Stile, Epochen und Juweliere. Niemand zweifelt daran, dass die Versteigerung mehr als 20 Millionen Dollar einbringen wird. Die Frage ist: wie viel mehr?