
Bargeld stilvoll unterbringen Neues von der Börse
München - Männer haben in Sachen Mode ja einiges gelernt in den letzten Jahrzehnten. Zumindest der eine oder andere. Etwa dass weiße Tennissocken ausschließlich auf den Tennisplatz gehören. Oder dass man mit einer sportlichen Schlüsselkette an der Gürtelschlaufe selbst im Maßanzug noch aussieht wie der Hausmeister. Oder auch dass die Handytasche am Gürtel nicht unbedingt weltmännisches Flair verströmt.
Und so stehen sie dann in der Schlange im Supermarkt, die schicken Jungs aus der Sparkassenfiliale: Anzug aus Metzingen, an den Füßen die Schuhe mit dem roten Balken an der Sohle, Krawatte, Hemd und Anzug Ton in Ton, Gel im Haar. Keine Frage: Im Grunde geht das gar nicht. Der Look sah schon vor zehn Jahren bei Jörg Pilawa beknackt aus.
Aber immerhin: Der Anzug sitzt halbwegs korrekt, die Ärmel sind nicht zu lang, und die gruselige Krawatte ist zumindest vernünftig gebunden. Doch dann kommt der zukünftige König des Investmentbankings an die Kasse, die Kassiererin nennt den zu zahlenden Betrag, der junge Herr greift mit einer Mischung aus Beflissenheit und Coolness in die Innentasche seines Jacketts, und heraus kommt - ein quietschrotes Etwas aus Nylon, das den stolzen Besitzer als Anhänger eines traditionsreichen Kölner Fußballvereins ausweist.
Aus, vorbei. Die mühsam aufrecht erhaltene Fassade des zivilisierten Jungmannes bricht in einer Zehntelsekunde in sich zusammen. Anzug, Krawatte, Manschettenknöpfe: es nützt alles nichts. Sollte der gegelte Haarschopf einen Rest an seriöser Ausstrahlung belassen haben, so ist jetzt auch diese dahin. Man könnte an diesem Punkt einwenden, dass man seinem Vordermann beim Zahlen eben nicht über die Schulter schaut. Geht ja schließlich keinem was an, was er bezahlt und wie viel.
Das Portemonnaie erlaubt einen tiefen Blick in die Seele
Stimmt ja auch. Doch manchmal lässt sich ein Blick auf die Geldbörse seiner Mitmenschen nicht vermeiden, nicht im Supermarkt und schon gar nicht im Restaurant oder in einer Bar, mit Kollegen, mit Freunden oder gar in weiblicher Begleitung. Letztere würde beim Anblick des knallroten Kleinods wahrscheinlich umgehend die Flucht ergreifen. Und das aus gutem Grund. Immerhin spiegelt die Geldbörse den Charakter ihres Trägers, seine Persönlichkeit.
Das liegt zum einen daran, dass der Umgang mit dem schnöden Mammon eine Menge über einen Menschen aussagt. Zum anderen birgt das Portemonnaie meist intimste Dinge: Visitenkarten, Mitgliedsausweise, alte Rechnungen, kleine Erinnerungen, Fotos, alte Theater- oder Kinokarten, vergessene Notizen - anhand des Inhaltes eines Portemonnaies kann man ganze Biographien erstellen. Und es lässt tief blicken, wie man diese Zeugnisse des eigenen Lebens verwahrt.
Das bunte Nylon signalisiert vulgären Pragmatismus in Reinform. Pragmatismus in der Wirtschaft und in der Politik ist eine gesunde Lebenshaltung. In Kleidungsfragen jedoch ist er ein Zeichen von Geistlosigkeit und das Gegenteil von Kultur. Wer ein Portemonnaie aus Nylon trägt, dem ist fast alles zuzutrauen, was hässlich, einfältig und durchschnittlich ist.
Mindestens genauso gruselig sind übrigens die Zwitterwesen, die in den Auslagetischen der Kaufhäuser zu finden sind: Portemonnaies aus billigem Leder, innen mit einem Nylonnetzchen oder einem Fensterfach aus Polyester versehen, damit man die Fotos von Oma, der werten Gattin oder der lieben Kleinen selbst bei der Suche nach Kleingeld am Parkscheinautomat nicht aus dem Auge verliert.
Irgendwie ist bezahlen ohnehin vulgär
Bleibt die Frage, was eigentlich die adäquate Form ist, sein Geld diskret und geschmackvoll bei sich zu tragen. Die einfachste Antwort ist sicher: Ein wahrer Gentleman zahlt mit seinem guten Namen und lässt anschreiben. Irgendwie ist bezahlen ohnehin vulgär. Zur Not kann man diese lästige Beschäftigung auch seinem Assistenten, Privatsekretär oder - so vorhanden - Kammerdiener überlassen. Gleichwohl ist die permanente Gegenwart eines solchen Faktotums auch etwas lästig, vollkommen abgesehen davon, dass für den durchschnittlichen Arbeitnehmer die Anschaffung einer ordentlichen Geldbörse ungleich günstiger ist.
Am Anfang aller Geldbörsen stand der Lederbeutel. Dort konnte man seine Muscheln unterbringen, wertvolle Steine oder schließlich Münzen. Die soll der berüchtigte König Krösus das erste Mal in Umlauf gebracht haben. Neben einem Geldbeutel führte man später dann auf Reisen eine Brieftasche mit sich, für Briefe und andere wichtige Papiere.
Die Einführung des Portemonnaies in unserem modernen Sinne hängt mit zwei kulturellen Entwicklungen zusammen: dem Entstehen städtischer, bürgerlicher Kleidungskultur im 19. Jahrhundert und der Einführung der Banknote im selben Zeitraum. Versuche, Papiergeld einzuführen, gab es zwar schon früher, im großen Stil setzte sich die hübsch bedruckten Scheinchen aber erst Anfang des 20. Jahrhunderts durch. Im Deutschen Reich etwa konnten erst ab 1909 Banknoten jederzeit gesetzlich garantiert in Goldmünzen umgetauscht werden.
Einen erheblichen Effekt auf die jeweilige Portemonnaie-Kultur hat die Stückelung der Banknoten. Das beste Beispiel sind die Vereinigten Staaten, die neben Ein-Dollar-Münzen auch den gleichwertigen Schein ausgeben, umgerechnet also Banknoten im Wert von etwa 76 Cent. Naheliegend, dass Münzgeld hier eine geringere Rolle spielt als in Europa.
Das Münzgeld wird gern einfach verschenkt
Hinzu kommt die amerikanische Verliebtheit in die Kreditkarte. Das Ergebnis ist das klassische amerikanische Wallet, in seiner radikalsten Form ausschließlich mit Fächern für Plastikkarten versehen, in der gemäßigten Variante mit einem Fach für Papiergeld oder einer eingebauten Geldklammer. Das Münzgeld lässt man dabei lässig in den Hosentaschen klimpern - oder verschenkt es einfach.
Noch amerikanischer ist die Geldklammer aus Metall. Schließlich soll jeder sehen, wie viel Geld man mit sich herumträgt. Allerdings ist zu bedenken, dass dieser zur Schau getragene Stolz in Europa weniger gut ankommt. Aufgrund ihrer religiösen Traditionen sind Europäer nicht geneigt, Reichtum als Zeichen für göttliche Ausgewähltheit zu interpretieren, sondern als Ergebnis von Arbeit und Glück - mit beidem prahlt man aber nicht.
Wer dennoch Freude daran findet, lässig in aller Öffentlichkeit durch seine 100-Euro-Noten zu blättern, der sollte auch konsequent bleiben: Gucci beispielsweise oder Louis Vuitton bieten Geldklammern an, die auch optisch unterstreichen, dass ihr Besitzer überzeugt ist, dass er seinen Reichtum sehr zu Recht besitzt.
Für den halbwegs zivilisierten Westeuropäer gibt es jedoch zu dem klassischen Portemonnaie keine überzeugende Alternative. Fragt sich nur: welches? Das hängt natürlich von dem bevorzugten Stil ab. Wer es etwas rustikaler mag, ist mit den Produkten der kleinen amerikanischen Ledermanufaktur Billykirk sehr gut bedient. Hinter Billykirk stehen die Brüder Chris und Kirk Bray aus Memphis/Tennessee.
Portemonnaies aus den Werkstätten der Amish People
Inzwischen in New York gelandet, entwerfen sie wunderbar schlichte, sachliche Lederwaren, denen man ihren Herstellungsprozess noch ansieht. Das liegt auch daran, dass sie einen Großteil der Produktion von Amish People aus Pennsylvania herstellen lassen. Das Wallet von Billykirk etwa ist in seiner handwerklichen Schlichtheit nicht nur zeitlos, sondern von erlesener Ästhetik.
Ebenfalls aus den Staaten stammt das 2005 von dem Designer Jason Gregory gegründete Unternehmen Makr Carry Goods. Auch die Produktpalette von Makr zeichnet sich durch ein klares und einfaches Design aus und wirkt dabei modern und traditionsverbunden. Verarbeitet wird zu diesem Zweck beispielsweise Leder der legendären Gerberei Horween aus Chicago.
Wer es etwas feiner und eleganter liebt, kommt an dem Londoner Lederwarenhersteller Ettinger nicht vorbei. Die Firma wurde 1934 von dem ehemaligen Filmproduzenten Gerard Ettinger gegründet. Der wurde 1909 in Posen geboren und immigrierte 1933 nach England. Seit 1990 wird die Firma von seinem Sohn Robert geführt. Ettinger ist eine der wenigen Lederfirmen, die noch in England produzieren. Anders als einschlägige italienische oder französische Hersteller gehören die Produkte von Ettinger tatsächlich zu dem elegantesten und feinsten, was man mit sich führen kann. Das sie bei allem Charme auch immer britisches Understatement ausstrahlen, ist dabei selbstverständlich. Kein Wunder, dass Ettinger seit 1996 Hoflieferant des Prince of Wales ist.
Ebenfalls nobel sind ohne Frage die Geldbörsen des Traditionsjuweliers Asprey. Ursprünglich auf die Verarbeitung von Metall spezialisiert, erweiterte man Mitte des 19. Jahrhunderts das Sortiment erfolgreich um Lederaccessoires. Hier findet der Herr von Welt nicht nur eine adäquates Wallet sondern auch Manschettenknöpfe, Taschen oder Reisenecessaires. Selbstredend ist Asprey seit Queen Victoria Hoflieferant des Buckingham Palace. Dass der Duke of Edinburgh allerdings wirklich jemals Bargeld mit sich trägt, darf bezweifelt werden - schließlich ist Prinz Philip einer der letzten Gentlemen.