
Edle Bäume: Wachsende Schönheiten
Baummaklerin Katharina von Ehren Laub ist, was gefällt
Hamburg - Kein Grün. Kein einziges Blatt, kein Halm. Hier gibt es nur Sichtbeton, Glas und Stahl. Den unterkühlten Schick sehr teurer Büroarchitektur. Noch nicht einmal eine kleine Topfpflanze steht in Katharina von Ehrens Kontor, das sie als Untermieterin des Stararchitekten Hadi Teherani in dessen Bürohaus am Hamburger Elbufer betreibt.
Grün ist hier nur von Ehrens Jackett. Und sehr grün wird es, sobald sie die Fotoordner in ihrem iPad öffnet: Da gibt es Bäume, so weit das Auge reicht. Hohe, schlanke Lebensbäume, die Zypressen gleichen, Wacholder in wundervollem Formschnitt, verspielte Thuja-Spiralen, kastenförmige Hainbuchen, stramme Spalierbäume und behaglich runde Buxuskugeln.
Von Ehren hat sich einen Beruf ausgesucht, der in Deutschland noch recht unüblich ist. "International Tree Broker" steht auf ihrer - natürlich grünen - Visitenkarte; im Auftrag von Landschaftsarchitekten und Privatleuten durchforstet sie Baumschulen nach dem perfekten Baum oder den passenden Gehölzen für ein bestimmtes Grundstück. "In Amerika werden ganze Alleen mit ausgewachsenen Bäumen wie Platanen gepflanzt", erläutert von Ehren. Tree Broker gibt es dort etliche, manche sind sogar spezialisiert, auf Palmen oder auf Olivenbäume. "Ich habe mich immer gefragt: Lässt sich das übertragen? Ich denke, das Geschäftsmodell funktioniert auch hier", sagt sie.
Erst seit wenigen Monaten gibt es ihre Firma - aber als Spross einer der ältesten und renommiertesten deutschen Baumschul-Familien hat ihr Name einen guten Klang in der Branche. Aus dem Familienbetrieb, den sie vor kurzem noch geleitet hat, ist sie ausgestiegen, wegen "unterschiedlicher Auffassungen über die Ausrichtung des Unternehmens". Jetzt hat die 44jährige nach ihrem beherzten Neustart statt der Führung eines 120-Mitarbeiter-Betriebs nur ein schlankes Büro (das sie im kommenden Jahr ausbauen will), ihr Telefon - und ihre Bäume, die sie im Kundenauftrag kauft und per LKW auf die Reise schickt.
Ein Lamborghini unter den Bäumen kann bis zu 40.000 Euro kosten
Dafür braucht man schon einen grünen Daumen. Mindestens. Es geht schließlich auch um Werte: "Viele Haushalte entscheiden sich für einen Großbonsai", erzählt von Ehren. Die Kosten dafür seien ganz unterschiedlich. Aber im Grunde kauft, wer einen solchen Baum kauft, Zeit. Zeit, die der Züchter investiert hat, um genau diesen Baum in genau diese Form zu bringen.
"Das ist wie beim Autokauf: Man kann einen Lamborghini oder einen Golf nehmen", sagt von Ehren, "ein sehr besonderer Baum kann schon 20.000 oder sogar bis zu 40.000 Euro kosten. Aber das sind dann schon Pflanzen , die eher in Richtung Kunst gehen, sehr besondere Einzelstücke. Im Grunde sind es ja auch Antiquitäten, weil sie über Jahrzehnte hinweg kultiviert und auch immer wieder in Form geschnitten wurden. Manche Züchter haben ein Händchen dafür, wie man Stämme gebogen zieht und in eine elegante , ausdrucksstarke Form bringt. Diese Bäume sind über Jahrzehnte erschaffene Kunstwerke. Das hat viel mit Zeit und Geduld zu tun. Andere machen im Schnellverfahren einen Bonsai, der mit dem ersten wenig gemein hat, auch wenn er dieselbe Höhe hat - der eine ist ein echtes Kunstwerk, der andere hat weniger Charakter."
Wer ein tolles Haus baut, will eben oft nicht ein kümmerliches Stämmchen davor in den Boden versenken, das erst in einigen Jahrzehnten etwas hermacht. Da soll schon gleich ein fertiger Baum stehen. "Natürlich können Bäume Statussymbole sein", meint von Ehren, "wenn man gleich einen ausgewachsenen Baum an seinem Neubau hat, das ist schon ein Statement. Der ist ja nicht zu übersehen. Aber Bäume müssen standortgerecht eingesetzt werden. Das ist der Unterschied zu teuren Autos: Die Pflanze bestimmt mit. Wenn Sie eine Kiefer in einem schattigen Innenhof pflanzen wollen, dann klappt das einfach nicht."
Rotes Laub und Formschnitt liegen im Trend
Etwa die Hälfte ihrer Arbeitszeit verbringt von Ehren in ihrem kühlen Beton-Stahl-Glas-Büro, die andere Hälfte ist sie im Freien unterwegs. "Ich habe einen guten Marktüberblick und kaufe in sehr unterschiedlichen Baumschulen ein. Der Kunde spart so die Transaktionskosten und die Zeit, sich überall selbst zu informieren", erklärt sie ihr Geschäftsmodell. "Ich fahre hin, suche die Pflanzen selbst aus und fotografiere sie. Der Kunde weiß dann: Ich bekomme genau diesen Baum, den dritten in der siebten Reihe."
Ebenso wie die Architektur sind Bäume langfristigen Moden unterworfen. Derzeit sind schirmförmige, mehrstämmige Gehölze im Trend, außerdem solche mit kleinem, gefiedertem Laub - Gleditsien etwa. Auch rotlaubige Pflanzen sind beliebt. Formschnitt eignet sich besonders zum Prunken, weil man den Pflanzen sofort ansieht, dass sie gepflegt sind. "Das Positive ist ja, dass die geschnittenen Pflanzen in der Größe begrenzt sind, man hat sie mehr unter Kontrolle", sagt von Ehren, "gerade für kleinere Gärten ist das ideal. Und der Aufwand, sie ein oder zwei Mal im Jahr zu schneiden, ist überschaubar." Apfelbäume, Birnbäume und Pflaumen werden auch gern angebaut, auch als Spalier, ebenso wie Beerensträucher.
"Die Menschen haben das Bedürfnis, zu den Ursprüngen zurückzukommen", erklärt sich von Ehren diesen Trend. Aber offenbar haben nicht alle das Bedürfnis, viel dafür zu tun. "Mich erstaunt immer, dass es diese Vorstellung gibt, man könne einen pflegeleichten Garten haben, den man sich selbst überlassen kann. Jeder bringt ja seine Kleidung in die Reinigung, saugt den Teppich und fährt das Auto in die Waschanlage. Nur der lebendige Garten soll idealerweise ohne Pflege auskommen", wundert sich von Ehren.