Fotostrecke

Digitale Meinungsbildner: Die gläsernen Gäste

Foto: Reputami

Gäste-Suchmaschine für Hoteliers Guck mal, wer da kommt!

Hotelbewertungen und Restaurantkritiken sind längst etabliert. Nun beginnt die Gastronomie selbst gezielt Informationen über ihre Gäste zu sammeln. Ein Gespräch mit den Gründern der Firma Reputami über deren Suchmaschine, die aus der Gästeliste digitale Meinungsbildner filtern kann.

mm: Sie haben eine Gäste-Suchmaschine für Hoteliers und Restaurantbesitzer an den Start gebracht. Wie funktioniert die?

Twardowski: Wir sind Auge und Ohr der Hoteliers und Gastronomen im Internet. Wir wollen unseren Kunden zeigen, wer von ihren Gästen wahrscheinlich im Internet über sie schreiben wird - und wie viele Leute dieser Gast damit erreicht. Dabei erstellen wir drei Parameter: Aktivität, Netzwerkgröße und Glaubwürdigkeit.

mm: Auf Basis welcher Daten?

Twardowski: Digitale Gäste machen sehr viel: Die buchen online, checken über Foursquare, Google Plus oder Facebook ein, posten Bilder auf Instagram, twittern oder geben auf Bewertungsportalen wie Yelp, Expedia oder Restaurantkritik Bewertungen ab. Wir bündeln nur das, was ohnehin frei online sichtbar ist, so, dass unser Kunde es alles auf einen Blick sehen kann. Wenn ein digitaler Gast das Restaurant betritt, ordnet das Programm ihm einen Einflusswert von 0 bis 10 zu, je nachdem, wie aktiv er im Internet ist. Es wird dann ein digitales Besucherprofil angezeigt - und der Hotelier kann sehen, wer das ist und wie er diesem Gast dessen Aufenthalt angenehm machen kann.

mm: Wie kann man denn Glaubwürdigkeit in einen Zahlenwert übersetzen?

Twardowski: Wir achten auf die Vollständigkeit des Profiles. Gibt es den Bewerter auf verschiedenen Plattformen? Hat er eine Arbeitsstelle angegeben? Hat er oft eine "war hilfreich"-Stimme auf einer Plattform bekommt und nutzt er einen echten Namen oder ein Pseudonym - das sind wichtige Indikatoren.

mm: Wenn ich also jede Tasse Kaffee fotografiere, mein Tischnachbar aber noch nie ein Foto von seinem Essen ins Netz gestellt hat, bekomme ich die bessere Bedienung? Oder ein Upgrade im Hotel?

Saffari: Na ja. Es gibt sogar Gäste, die drohen schon am Empfangstresen mit einer schlechten Bewertung auf einem Hotelportal, wenn sie kein Upgrade bekommen. Wir müssen als Gesellschaft erwachsen werden und lernen, Feedback angemessen zu geben - und angemessen damit umzugehen.

Twardowski: Ein guter Gastronom behandelt keinen Gast schlecht. Aber es war doch schon immer so, dass Stammgäste eine besonders gute Behandlung bekommen haben. Und wir zeigen, bei wem es sich lohnt, noch ein Lächeln mehr zu bieten.

mm: Ich fände das ja ein bisschen unheimlich, wenn ich in ein Lokal komme, in dem ich noch nie war, und die Bedienung fragt mich: "Hallo Frau Hoffmann, mögen Sie Ihren Tee wie immer kurz gezogen und mit Zitrone und Honig?"

Twardowski: Gastronomen und Hoteliers sind Profis als Gastgeber. Die gehen mit diesen Informationen mit sehr viel Fingerspitzengefühl um. Und machen auch transparent, was sie wissen. Die sagen dann vielleicht: "Ich habe gesehen, dass Sie bei Foursquare eingecheckt haben - das finde ich großartig. Mögen Sie einen Kaffee aufs Haus?" Vielleicht gibt es auch gar nichts extra, sondern nur einen kleinen Plausch. Leute, die digital aktiv sind, mögen es ja auch,wenn man ihre Aktivitäten würdigt. Die leben sowieso öffentlich. Und auch wir zeigen ja nur das, was sie selbst öffentlich machen. Wir bündeln es nur. Und bieten die Möglichkeit, aus der Gästeliste die Meinungsbildner herauszulesen.

mm: Und wo liegt der genaue Nutzen für den Hotelier?

Twardowski: Ein Beispiel: Eine Frau hatte bei Instagram ein Foto von der Espressomaschine in ihrem Hotelzimmer gepostet - und dazu geschrieben, sie könne damit nichts anfangen, weil sie Teetrinkerin sei. Das Hotel brachte ihr dann ein Teegedeck aufs Zimmer - und sie postete umgehend auch davon ein Foto mit einem begeisterten Kommentar. Das ist natürlich großartig. Und die Frau war auch überhaupt nicht irritiert, dass ihr Foto und ihr Kommentar gelesen worden waren - die freute sich einfach.

mm: Und was ist mit Gästen, die negativ bewerten? Es gab kürzlich den Fall eines Hotels, das negative Kritiken mit einer Geldstrafe belegte. Aus anderen Häusern wurden schon Gäste hinauskomplimentiert, nachdem sie Kritik geäußert hatten. Muss ich befürchten, kein Zimmer mehr zu bekommen, wenn ich mich als kritischer Gast positioniere?

Twardowski: Wer sich als Hotelier so verhält, hat gar nichts verstanden. Wenn der Service schlecht ist, ist er schlecht, dann hilft es ja nichts, den Gast hinauszuwerfen. Aber wenn Sie in einer Übersicht von Bewertungen für Ihr Haus immer wieder lesen, dass durch die Bank das lahme Internet kritisiert wird, ist das eine wertvolle Information - weil Sie gezielt diesen Punkt ändern können.

Saffari: In dem konkreten Fall war es wohl so, dass Leute in diesem Hotel viel mehr erwartet haben, als es bieten konnte. Das war der Fehler des Hoteliers, diese überhöhten Erwartungen zu wecken. Mit mehr Feedback und konstruktivem Umgang damit wäre das nicht passiert.

mm: Wie unterscheiden Sie sich von Mitbewerbern wie Honestly, Trustyou, Review Pro oder Customer Alliance, die ebenfalls Bewertungen auswerten?

Twardowski: Unser Alleinstellungsmerkmal ist es, dass wir uns auf den Gast fokussieren, nicht auf die Bewertungen.

Saffari: Unser Ziel ist es nicht, Tortengrafiken zu erstellen. Der Hotelier muss unsere Daten nicht auswerten. Wir versuchen, die Auswertung komplett zu automatisieren, damit unser Kunde sich auf das konzentrieren kann, was sein Hauptgeschäft ist: Einen besseren Service zu bieten. Er sieht, wer hinter den Bewertungen steckt - und wie wahrscheinlich es ist, dass ein angekündigter Gast eine Bewertung schreiben wird.

mm: Es wäre natürlich für die Gäste selbst auch interessant, zu wissen, wo ihr Score liegt. Es gibt ja bereits den Klout-Score, der die digitale Relevanz von Meinungsbildnern misst - und den besonders hoch gerankten Vorteile bietet. Wäre das kein Modell für die Hotellerie?

Saffari: Wir haben immer wieder solche Gedanken. Aber wir müssen uns als Unternehmen auf eine Seite konzentrieren, und im Moment sind das ganz klar die Unternehmen.

mm: Welchen Reputami-Wert haben Sie selbst?

Twardowski: Wir sind auf allen Plattformen aktiv. Wenn wir das nicht leben, wer dann? Ich checke überall ein und fotografiere viel - damit kommen wir beide auf einen Wert, der zur Zeit ungefähr bei acht von zehn Punkten liegt. Zehn Punkte sind wirklich sehr, sehr schwer zu erreichen.

Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren