Alexander Koenig ist Gründer von First Class & More (www.first-class-and-more.de), dem größten deutsch-sprachigen Beratungsportal für günstige Business und First Class Flüge sowie die optimale Nutzung von Vielflieger- und Hotelprogrammen. Zuvor war er viele Jahre als Unternehmensberater bei McKinsey und BCG tätig. In seiner Kolumne "Koenigs Klasse" greift er regelmäßig Themen auf, die für Vielflieger und -reisende interessant sind.
Nun hat also auch Topbonus, das Vielfliegerprogramm von Air Berlin, Insolvenz angemeldet. Hintergrund ist wohl der, dass Air Berlin für von Topbonus bereit gestellte Meilen immer erst dann bezahlt hat, wenn diese eingelöst wurden. So haben sich bei Topbonus offenbar riesige Forderungen aufgebaut.
Da Air Berlin jedoch kein Geld mehr hat, sind diese unwiederbringlich verloren. Laut Topbonus haben Kunden weiterhin Zugang auf ihre Accounts und können den Meilenstand abrufen, aber das Sammeln und Einlösen der Meilen ist weiterhin ausgesetzt.
Die Frage ist jetzt: Was passiert mit den Meilen? Am wahrscheinlichsten scheint es zu sein, dass diese wertlos werden. Eine andere Option wäre, dass Etihad einen Übertrag der Meilen zu einem bestimmten Umrechnungskurs in das Etihad Guest Vielfliegerprogramm anbietet. Das wäre aber lediglich eine Überlegung, um die Marke Etihad im deutschen Markt nicht weiter negativ zu belasten. Es würde einen gewissen Goodwill zeigen und die meisten neuen Etihad Guest Kunden würden ihre Meilen dort vermutlich gar nicht einlösen - also auch keine Kosten verursachen. Wenn allerdings nur knallhart durchkalkuliert wird, dann ist es unwahrscheinlich, dass sich Etihad Verbindlichkeiten - und solche stellen Meilen gegenüber den Kunden dar - aufbürdet.
Bei der aktuellen Pleite ist ein Aspekt jedoch weniger im allgemeinen Fokus: Neben den Meilen gibt es auch das Vielfliegerstatuslevel, welches man bei Topbonus hat. Es gibt den Silver, Gold und Platinum Status. Und hier hat die Vergangenheit bei Pleiten anderer Airlines gezeigt, dass sich normalerweise einige Airlines finden, die versuchen, die Kunden abzuwerben mit entsprechenden Status-Matching Angeboten.
Das ist für fleißige Meilensammler nur ein kleiner Trost - aber immerhin würde ihnen in diesem Fall ein vergleichbarer Vielfliegerstatus im eigenen Vielfliegerprogramm der jeweiligen Airline angeboten. Denn Vielflieger sind sehr wertvolle Kunden, die jede Airline gerne im Portfolio hat.
So gesehen sind Status Matches bei Lufthansa, bei Etihad, vielleicht auch bei Carriern wie British Airways gar nicht so unwahrscheinlich. So fliegt beispielsweise British Airways auch sehr viele Ziele in Europa an und zudem auch die beiden Hauptlangstreckenziele von Airberlin: Nämlich die USA und die Karibik. Auch wenn sich meilentechnisch die Aussichten leider dramatisch verdüstert haben, bleibt dieser Aspekt spannend.
Joachim Hunold (1991-2011): Der Rheinländer stieg 1991 bei Air Berlin ein, vergrößerte die Flotte, etablierte den Mallorca-Shuttle und kaufte andere Gesellschaften (LTU, dba) hinzu. 2006 brachte er das Unternehmen an die Börse, die Erstnotiz lag bei 12,65 Euro. Air Berlin war sein Lebenswerk.
Hartmut Mehdorn (2011-2013): Der Ex-Bahnchef war nur für eine Übergangszeit an der Spitze gedacht. Die Neuordnung gelang ihm nicht.
Wolfgang Prock-Schauer (2013-2015): Auch er versuchte sich an der Sanierung. Er verkleinerte die Flotte weiter. Abgang, weil auch ihm die Sanierung nicht glückte.
Stefan Pichler (2015-2017): Mit Elan kam er von Fiji Airways zu Air Berlin. Es gab Anfangserfolge bei Umbau des Unternehmens, doch dann wurden die Verluste immer größer.
Thomas Winkelmann (seit 2017): Er war der letzte Trumpf. Der vorherige Lufthansa -Manager konnte zwar den Insolvenzantrag nicht verhindern. Doch vielleicht führt er einen Teil von Air Berlin in den Konzern seines früheren Arbeitgebers.
Für diese Farbkombination am Himmel wird es nun ganz dunkel: Am Freitagabend, den 27.10.2017, beendet die insolvente Air Berlin ihren Flugbetrieb. Die letzten Flugzeuge mit dem markanten weiß-roten Logo sollen am späten Freitagabend in Berlin und Düsseldorf eintreffen.
Die Lufthansa übernimmt einen Großteil der Air Berlin-Flugzeuge, Verhandlungen mit Easyjet und Condor laufen noch. Der Bevollmächtigte der insolventen Airline hofft, 70 bis 80 Prozent der Jobs zu erhalten. Zahlreiche Mitarbeiter müssen sich aber auf schlechtere Konditionen einstellen. Dabei begann ....
... 1978 alles hoffnungsvoll: US-Pilot Kim Lundgren (l., mit Sohn Shane) gründet Air Berlin 1978 in den USA als Charterfluggesellschaft. Hintergrund: Damals dürfen nur Flugzeuge der Siegermächte Berlin anfliegen.
Der erste Heimatflughafen von Air Berlin heißt folglich nicht Berlin, sondern Miami. Von dort gibt es mitunter auch Direktflüge in die geteilte Stadt.
Berlin steht faktisch aber im Mittelpunkt des wachsenden Netzes von Air Berlin. Der erste Flug geht nach Mallorca. Bald entwickeln sich Ziele im Mittelmeerraum zum Markenzeichen von Air Berlin.
Nach der Wiedervereinigung ist der Weg frei für den Wechsel des Firmensitzes in die künftige Hauptstadt. Der spätere Vorstandsvorsitzende Joachim Hunold übernimmt die US-Gesellschaft.
Air Berlin bekommt immer größeren Hunger auf Wachstum. Im Jahr 2004 erwirbt die Airline 24 Prozent an der österreichischen Linie Niki des früheren Rennsportlern Niki Lauda. Später erhöht Air Berlin den Anteil.
Die Expansion kostet Geld. Geld, dass sich die Eigentümer an der Börse holen wollen. Im zweiten Anlauf gelingt der Sprung aufs Parkett - seit dem 11. Mai 2006 sind Anteile von Air Berlin frei handelbar.
Treibende Kraft hinter dem Wachstumswillen bleibt Vorstandschef Hunold, der noch heute im Verwaltungsrat von Air Berlin sitzt.
Hunold unternimmt zahlreiche weitere Übernahmeversuche. So schluckt Air Berlin noch 2006 Wettbewerber dba. Ein Jahr später ist die deutsche Traditionsgesellschaft LTU dran. An der Schweizer Fluggesellschaft Belair erwirbt Air Berlin im selben Jahr 49 Prozent der Anteile.
Hunold hat einen Lauf - seine Fluggesellschaft verbucht in dieser Zeit sogar Gewinne, was in der Geschichte von Air Berlin Seltenheitswert haben sollte. 2006 bleiben 40 Millionen, 2007 27 Millionen Euro übrig. Danach geht es abwärts.
Immer wieder scheitern auch geplante Akquisitionen. Die geplante Übernahme von Condor kommt nicht zustande, weil die aufziehende Finanzkrise 2008 den Markt schwächt.
Hunold holt manchen alten Weggefährten mit an Bord, um der Krise Herr zu werden - so Ex-Bahnchef Hartmut Mehdorn, der 2009 in den Aufsichtsrat einzieht und zwei Jahre später Übergangschef und Hunold-Nachfolger wird.
Den Kursverfall der Air-Berlin-Aktie nutzt die türkische Holding ESAS der Sabanci Holding (im Bild: Vorstand Guler Sabanci) und erwirbt 15,3 Prozent der Anteile.
Ende 2011 steigt schließlich die arabische Gesellschaft Etihad im Großen Stil bei Air Berlin ein, kauft einen 29,21-Prozent-Anteil und wird größter Eigner. Etihads Ziel: Über das Air-Berlin-Streckennetz auf dem europäischen Flugmarkt Fuß zu fassen.
Unter den neuen Machtverhältnissen steigt Wolfgang Prock-Schauer zum Chef auf und löst Mehdorn ab. Doch steckt die Gesellschaft schon mitten in einer großen Krise. Hunderte Arbeitsplätze werden abgebaut, die Mitarbeiter sollen auf 5 Prozent ihres Gehaltes verzichten.
Hinzu kommt, dass ihr geplantes Drehkreuz, der Flughafen Berlin-Brandenburg wegen Bauplanungsmängeln nicht eröffnet werden kann.
Etihad lässt sich derweil nicht von der Schwäche von Air Berlin beeindrucken. Die Tochter soll näher an andere Beteiligungen wie Alitalia heranrücken, wird zum Puzzleteil in der Strategie der Araber.
Der nächste Chef: Ab Februar 2015 soll Stefan Pichler Air Berlin für seinen arabischen Großaktionär endgültig wieder auf Linie bringen. Doch es geht immer weiter abwärts: 2014 verbucht seine Airline einen Verlust von 377 Millionen Euro - bis dato Rekord. Sein Sparprogramm begründet er seinen Leuten knapp: "Wir haben nur noch einen Schuss frei."
Den "letzten Schuss" setzte Pichler in Form einer Rettungsstrategie. Ein Bestandteil: Mehr Langstreckenflüge in die USA. Das Streckennetz in Europa sollte dagegen etwas schrumpfen. Immerhin gab es im Sommergeschäft 2015 schwarze Zahlen.
Zentraler Bestandteil für die Zukunftspläne bleibt danach allerdings der starke Partner Etihad. Doch ob er an Bord bleibt, erscheint zunehmend in der Folge zunehmend fraglich. Immerhin dürfen die Araber weiter gemeinsame Flüge mit Air Berlin unter einer Codenummer anbieten. Dennoch bleibt bis Anfang 2017 unterm Strich eine Milliarde Euro, die die Araber erfolglos in Air Berlin gesteckt haben.
Im Herbst 2016 stehen die Zeichen bereits auf Zerschlagung. Gespräche mit Lufthansa über einen Verkauf von Geschäftsteilen beginnen. Die Kranich-Airline will 38 Flugzeuge von Air Berlin zumindest zeitweise übernehmen.
Die Zerschlagung könnte auch Folgen haben für den Ferienflieger TuiFly. Dieser kooperiert bisher mit der Air-Berlin-Tochter Niki. Diese könnten zu einer eigenständigen Ferien-Airline zusammengelegt werden.
Der Einfluss der Lufthansa auf Air Berlin wächst bereits im Dezember 2016 massiv, der von Etihad sinkt. An der Unternehmensspitze ersetzt Thomas Winkelmann den glücklosen Stefan Pichler. Zuvor hatte Winkelmann bei der Lufthansa die Tochter Eurowings neu aufgestellt.
Doch Winkelmann kann die Airline auch nicht mehr aus den Turbulenzen holen: Am 15. August 2017 meldet Air Berlin Insolvenz an. Nachdem Großaktionär Etihad eine Kredirate nicht auszahlte, sah das Management keine Perspektive für eine normale Fortführung der Geschäfte.
Frank Kebekus führt als Generalbevollmächtigter nun gemeinsam mit Winkelmann Verkaufsverhandlungen für Air Berlin. Bald ist klar: Die Lufthansa bekommt den Großteil der Flugzeuge samt Landerechte, über den Rest wird mit Bietern wie Easyjet, Condor und Niki Lauda verhandelt.
Dass sich Winkelmann auch im Insolvenzfall einen 4-Millionen-Euro-Bonus gesichert hat, sorgt im Oktober 2017 für einen öffentlichen Aufschrei. Denn eine Auffanggesellschaft für Air Berlin-Mitarbeiter -denen zu Tausenden gekündigt wird - scheint nur in einem Mini-Umfang möglich.