
So packt der Profi-Kofferpacker Rollen, falten, stapeln
Berlin - Klapp deinen Trolley auf und ich sage dir, wer du bist: Stofftaschentücher und ein spartanischer, akkurat zusammengelegter Kofferinhalt deuten auf einen älteren Vielflieger hin, ein Durcheinander aus Ladegeräten, Vitamintabletten und Körperpflegemitteln spricht für einen jüngeren Mann aus der Kreativbranche.
"Wenn ich Koffer auspacke, dann verrät mir ihr Inhalt eine Menge über die Besitzer", sagt Ivica Tot-Genz. "Meist sind erfahrene Geschäftsreisende enorm organisiert. Sie reisen mit Handgepäck und nehmen exakt die richtige Anzahl an Hemden, Socken, Krawatten und Unterwäsche mit. Jüngere Männer sammeln nach dem Lustprinzip alles zusammen was ihnen auf der Reise nützlich sein könnte."
Ivica Tot-Genz ist Profi in Sachen Kofferpacken. Der gelernte Maßschneider leitet die Wäscherei im Berliner Fünf-Sterne-Haus "Hotel de Rome". Er kommt immer zum Einsatz, wenn ein Gast keine Lust oder Zeit hat, sich um sein Gepäck zu kümmern oder wenn er Probleme mit der Garderobe hat. Er ändert Anzüge, Hemden und Kleider vor wichtigen Veranstaltungen oder Auftritten auf dem roten Teppich.
Arabische Gäste reisen schon mal mit einem Dutzend Koffer an und geben 40 Hemden ab, die sie "seltsamerweise allesamt an selben Tag noch im gebügelten Zustand" benötigen. Amerikanische Gäste legen Wert darauf, dass helle Wäsche stark gebleicht wird und viel Weichspüler zum Einsatz kommt. "Sie mögen es gerne kuschelig und duftend", sagt er.
Briten haben gern mal eine ungerade Sockenzahl dabei
Das lässigste Verhältnis zu ihrem Gepäck haben seiner Beobachtung nach die Briten. Farben kombinieren sie tendenziell mutig, außerdem tauchen in ihren Koffern oftmals eine ungerade Anzahl an Socken oder Paare mit unterschiedlichen Socken auf. "Um solche Kleinigkeiten machen sie sich keine Gedanken", erzählt er.
Über Frauen und ihre Gepäck-Marotten kann Ivica Tot-Genz weitaus weniger berichten. Nur wenige würden einen Kofferpack-Service in Anspruch nehmen "Offenbar mögen sie es nicht so gerne, wenn ein fremder Mensch an ihre Sachen geht. Dafür habe ich Verständnis, Gepäck ist schließlich eine sehr intime Sache." Die Kunst des perfekten Kofferpackens beherrschen seiner Beobachtung nach nur sehr wenige Menschen.
"Die richtige Planung vor der Reise ist das A und O beim Kofferpacken", sagt Tot-Genz. Grundsätzlich gelte beim Zusammenstellen des Gepäcks die einfache, aber selten beherzigte Regel "so viel wie nötig, so wenig wie möglich." Allen, die häufig zu Geschäftsreisen antreten müssen, rät der Profi, ein Hartschalen-Modell zu wählen. "Anzüge, Hemden, Kostüme und Kleider sind in einem Hartschalen-Koffer besser geschützt. Nylon-Koffer haben allerdings den Vorteil, dass sie leichter sind", sagt er.
Kompakte Schicht am Kofferboden
Entscheidend ist auch die Wahl der Garderobe. So genannte "bügelfreie" Blusen und Hemden überstehen selbst einen längeren Kofferaufenthalt nahezu unbeschadet. Die Koffergröße muss zur Gepäckmenge passen - was nach einer Binsenweisheit klingt, ist nach der Beobachtung von Ivica Tot-Genz eine der häufigsten Fehlerquellen. Wer den Ehrgeiz hegt, die halbe Garderobe in den Trolley zu pressen, dem sind bei der Ankunft scharfe Falten an unpassenden Stellen gewiss.
Gibt es zu viel Spielraum zwischen den Kleidungsstücken und anderen Gegenständen, dann purzelt alles durcheinander. Aus diesem Grund sollten auch sämtliche schweren Gegenstände im Boden des Koffers liegen. Ein einzelnes - nicht sicher verstautes - Buch kann beim Aufstellen alles in Unordnung bringen. Die gewichtigsten Stücke bringt man deshalb am besten in der Nähe der Kofferrollen unter, die Zwischenräume werden mit Socken, Strumpfhosen oder zusammengerollten T-Shirts gefüllt. Im Boden des Koffers sollte so eine kompakte Schicht entstehen, die nicht verrutschen kann.
Wichtig ist ein Extraschutz für Schuhe und Behälter von Flüssigkeiten. "Kulturtaschen sollte man unbedingt noch einmal wasserdicht verpacken. Wenn eine Shampooflasche ausläuft, ist die ganze Garderobe ruiniert", rät der Experte. Allerdings sei die klassische Kulturtasche eher ein Auslaufmodell. Der Trend geht eindeutig zum Zip-Lock-Beutel mit Mini-Gebinden, die auch die Gepäckkontrollen an den Flughäfen passieren können. "Viele Gäste haben zwei oder drei dabei." Die besagten Vielflieger nehmen oftmals nur eine elektrische Zahnbürste mit und nutzen Duschgel und Cremes, die im Hotel angeboten werden.
Alles kommt in Einzelbeutel
Für die Hotelgäste verpackt Ivica Tot-Genz grundsätzlich alles - von den Pumps bis zum E-Book - einzeln in Plastiktüten oder spezielle Nickibeutel. Auch Sakkos oder Kleider bekommen eine Hülle: Der Maßschneider schlägt sie in Papier ein. "Die Kleidung wird gut geschützt, außerdem knittert sie weniger", erklärt er.
Am besten geeignet sind große Bogen mit Seidenpapier. Auch mit Butterbrotpapier klappt das prima. Allerdings sind die großen Rollen, die man früher in jedem Drogeriemarkt kaufen konnte, heute kaum noch erhältlich." Auf Zeitungspapier kann man ebenfalls zurückgreifen, allerdings muss es mehrere Tage alt sein, sonst färbt die Druckerschwärze noch ab.
Die Papierstücke, die Ivica Tot-Genc zum Einpacken verwendet, sind an allen Stellen mindestens fünf bis zehn Zentimeter größer als das Kleidungsstück. Der Profi schlägt zunächst die Seiten, dann die Enden ein, und faltet Jacken und Kleider auf Größe des entsprechenden Koffers. Hosen und Röcke legt Ivica Tot-Genz ebenfalls auf Papier - und rollt sie. "Bitte immer von unten beginnen!", erklärt er. Wer mit mehreren Hosen oder Röcken reist, kann sie alternativ auch mit entgegengesetztem Bundteil übereinander stapeln. Auch das spart Platz und vermeidet Falten.
Auf die Lagen mit den schweren Stoffen kommen Hemden oder Blusen, die man ebenfalls versetzt übereinander legen sollte, damit sie ihre Form behalten. Pullis oder Halstücher finden ihren Platz zwischen den einzelnen Lagen - sie dienen als Füllmaterial und schützen die restliche Kleidung.
Aber selbst Ivica Tot-Genz steht beim Kofferpacken mitunter noch vor echten Herausforderungen. "Letztens musste ich einen Kimono verpacken, der gut 10.000 Euro wert war", erzählt er. Der Preis brachte ihn weniger aus der Ruhe als das voluminöse Kleidungsstück selbst, das aus zahlreichen Lagen bestand und sich partout nicht zusammenfalten ließ. Erst mit der Hilfe zweier Mitarbeiter gelang es ihm, den Kimono sicher zu verstauen.