
Kenia-Bildband Weite Wüsten und gierige Krokodile
Hamburg - Wer ein Fan von Michael Polizas Fotobänden ist, kann eigentlich kein Weltreisender sein. Zum einen nageln die einige Kilogramm schweren, großformatigen Folianten den Leser auf dem Sofa fest. Zum anderen wird das Urlaubsbudget durch den Preis von meist knapp hundert Euro schon geschmälert, nicht zu reden von Sammlerausgaben für 3250 Euro.
Wer ein Fan des Hamburger Fotografen ist, bei dem lösen aber genau diese Coffee-Table-Books ein heftiges Ziehen in der Herzgegend aus - dort, wo die Sehnsucht nach Ferne und Abenteuer sitzt, die Sehnsucht, die von ihm porträtierten Landschaften und Tiere selber zu erleben.
"Kenya", Ende Oktober im Verlag teNeues erschienen, bildet da keine Ausnahme. Nach "Antarctic", einem Ausflug ins Eis der Pole, hat sich der 53-Jährige wieder dem Kontinent gewidmet, der einst seine Fotografierleidenschaft weckte. Denn erst in Südafrika, wo er nach einer ausgiebigen Weltumrundung per Hightech-Yacht für einige Jahre angespült wurde, brachte sich der Ex-IT-Geschäftsmann das Fotografieren bei. Der Autodidakt startete damit sein drittes Berufsleben: Als Kinderstar spielte er in über 70 TV- und Kinofilmen mit, dann bestimmten Bits und Bytes seinen Alltag - und 2006 erschien sein erster Fotoband.
Wie der gähnende Löwe auf dem Cover schon verheißt, zeigt Polizas sechstes Sehnsuchtsbuch, "Kenya", fast ausschließlich die Natur des riesigen ostafrikanischen Staates. Den Fotografen, der heute wieder in seiner Heimatstadt Hamburg wohnt, faszinierten vor allem die unberührten Ecken des Landes, die er immer wieder auch mit Helikoptern und Flugzeugen erkundet und aus der Luft fotografiert hat. Etwa das Suguta-Tal in der Provinz Rift Valley mit seinen Vulkanbergen, Dünen und Gesteinssäulen, die an den Bryce Canyon in den USA erinnern. Oder die Chalbi-Wüste an der Grenze zu Äthiopien, in der die Rendille-Nomaden ihre Dromedare zu Wasserlöchern treiben. Oder der Nakuru-See, die Heimat von Millionen rosafarbenen Flamingos und Pelikanen.
"Ich will die Schönheit der Natur zeigen"
"Kenia ist ein unglaublich vielfältiges Land", sagt Michael Poliza und gerät ins Schwärmen, "es hat Regenwald, schneebedeckte Berge, Küsten, Wüsten und Savannen." 95 Prozent der Touristen allerdings würden nur fünf Prozent des Landes besuchen, meint er, die Savanne Masai Mara und vielleicht noch die Nationalparks Tsavo und Amboseli. Seine erste intensivere Begegnung mit Kenia habe ihn daher enttäuscht: "2005 war ich in der Masai Mara, da wurde ein armer Löwe von 20 Fahrzeugen umzingelt", erzählt er. "Der im Gegensatz zu Botswana oder Namibia unkontrollierte Tourismus hat mich sehr gestört."
Davon, aber auch von Townships oder Großstädten wie Nairobi, ist in Polizas Buch nichts zu sehen. Er habe Kenia nicht porträtieren wollen, sagt er, "ich will die Schönheit der Natur zeigen, die Regionen, in denen die Zivilisation noch keinen Schaden angerichtet hat". Und schön sind seine Bilder - manchmal schon kitschig schön: wenn zum Beispiel Nashörner an einem Seeufer entlang ziehen und sich darüber ein Regenbogen spannt. Oder ein Sonnenuntergang den Himmel über einem einsamen Elefantenbullen orange tönt.
Mehr Spaß machen die Fotos aus der Vogelperspektive und Detailaufnahmen, auf denen Polizas Streben nach grafischen Strukturen sichtbar wird: Hüttendächer, die wie ein Flickenteppich wirken, und Flamingos, die rosafarbene Wolken über tiefgrünen Gewässern bilden. Aufnahmen, die den tierischen Alltag in Afrika zeigen, lassen einen eher über den Standort des Fotografen nachgrübeln - wenn etwa Krokodile in der Masai Mara ein Zebra in der Luft zerfetzen.
Seine Fotos sollen berühren, sagt Michael Poliza, die Naturimpressionen Gefühle wecken. Der vor zwei Jahren ernannte WWF-Botschafter glaubt, dass "wir uns nur noch um Dinge kümmern wollen und können, die uns emotional nahestehen". Und mit seinen großformatigen Aufnahmen schafft er auch genau das: ein Staunen auszulösen über die Wunder der Welt, die es zu erhalten und zu schützen gilt.