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Colorados ungleiche Skischwestern: Breckenridge und Keystone

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Skifahren in Colorado Tradition und Retorte

Breckenridge und Keystone im amerikanischen Colorado sind zwei ungleiche Schwestern. Die benachbarten Orte leben beide vom Skifahren. Aber während man in "Breck" das Outlaw-Image und verwegene Traditionen pflegt und sich beides teuer bezahlen lässt, setzt Keystone auf Familienfreundlichkeit. 

Breckenridge - Che Guevara trägt Skibrille. Jedenfalls auf diesem feuerroten T-Shirt, das im Schaufenster auf der Main Street von Breckenridge hängt. "Powder for the People" - steht in Blockbuchstaben unter dem Konterfei der Revolutionsikone, "Pulverschnee fürs Volk". Gleich daneben ist ein schicker Designeranorak mit glitzernden Strasssteinchen drapiert.

Es ist ein passendes Bild für das Städtchen im US-Bundesstaat Colorado. Wie andere Skiorte in den Rocky Mountains hat Breckenridge millionenteure Ferienwohnungen, aber man pflegt das Outlaw-Image. Mariah Carey und Kevin Costner sollen ruhig im noblen Aspen über die Pisten wedeln. Zu "Breck" passen besser junge Wilde wie US-Olympiasieger Bode Miller.

"Wir haben schließlich einen Ruf zu verteidigen", sagt Gail Westwood vom lokalen Geschichtsverein Heritage Alliance. Mit Dutt und langem Rock stapft die lustige Mittfünfzigerin auf Stadtführungen durch den knirschenden Schnee, vorbei an kunterbunten Wildwesthäuschen mit windschiefen Holzfassaden. Dabei erzählt sie von den turbulenten Anfängen des Goldschürfercamps vor 150 Jahren, von Riesennuggets, Revolverhelden, Rotlichtbezirken und der Witwe Sylvia, die auf Suche nach einem neuen Ehemann noch immer durch die viktorianische Villa in der South Main Street 130 geistern soll.

Lieblich wie im deutschen Mittelgebirge

Mit etwas Glück kriegt man im "Gold Pan Saloon", der ältesten Kneipe westlich des Mississippis, noch ein paar waschechte Cowboys zu sehen. Ein ausgestopftes Hirschhinterteil hängt hier an der Wand, über der Theke baumelt ein Warnschild: "We cheat drunks". Zu Deutsch: "Wir hauen Besoffene übers Ohr." Einheimische witzeln, dass diese Spelunke nur ein einziges Mal gewischt worden sei - 1965, als der Blue River sie überflutete.

Im Vergleich dazu wirkt das Skigebiet zivilisiert. Erster Eindruck: Lieblich wie im deutschen Mittelgebirge sieht es hier aus. Nadelbäume wachsen fast bis zu den Bergstationen hinauf. Die Gipfel sind zwar allesamt um die 4000 Meter hoch, aber trotzdem nicht richtig zackig. Die Rocky Mountains haben ein paar Jahrmillionen mehr auf dem Buckel als die dramatischen Alpen.

Wind und Wetter haben das große Felsengebirge glattgeschmirgelt. Breckenridges Netz von 155 abwechslungsreichen Abfahrten umspannt vier Berge, Peak 7 bis 10. Klingt einfallslos, liegt aber an der sogenannten Tenmile-Range, einer mächtigen Gebirgskette westlich der kontinentalen Wasserscheide mit zehn durchnummerierten Gipfeln auf zehn Meilen Luftlinie.

Lifte und die Achtergondel "Breck Connect" verbinden die Hänge miteinander. Wer über das Naturschutzgebiet Cucumber Gulch schwebt, sollte nach dem griesgrämigen Elch Ausschau halten, der angeblich am Fuß von Peak 7 abhängt.

Zwei Ski-Gebiete, ein Shuttle

Breite, sanft geneigte und gut gewalzte Waldschneisenpisten finden Skianfänger vor allem im unteren Teil von Peak 9. Skifanatiker surren mit dem "Imperial Express Lift", der höchsten Sesselbahn in Nordamerika, auf 3963 Meter zu Peak 8 hinauf und zu einem ausgedehnten Tiefschneespielplatz über der Baumgrenze, mit schwindelerregenden Felsscharten wie Vertigo oder 9 Lives. Wem das nicht genügt, der kann weiter zu den wilden Schluchten von Peak 7 aufsteigen.

Für Snowboarder und Freeskier gibt es gleich fünf Terrain Parks mit zwei großen Halfpipes. Breckenridge ist stolz auf seine Fortschrittlichkeit. Schon vor 25 Jahren erlaubte der Wintersportort als einer der ersten in Colorado die skeptisch beäugten Snowboards auf seinen Pisten.

Wer heute auffallen will, reitet Snow Bike. Dafür muss man nur eine halbe Stunde die kurvige Swan Mountain Road hinunterfahren nach Keystone. In Breckenridges Schwesterresort kann man Schnupperstunden auf den niedrigen Schneerädern buchen. Wie Dreiräder sehen sie aus, nur mit drei Miniskis statt Reifen und langem Sattel. Unter die Füße werden Kurzskis geschnallt.

Auf der Bergstation herrscht Schneegestöber. In der Gipfellodge verteilen fürsorgliche Helfer an alle Eintretenden Schnupftücher. Der Wind heult, die Flocken wirbeln waagerecht. Trotzdem wühlen sich Neugierige aus ihren Schals und wollen wissen, ob das denn schwierig sei, so ein Snow Bike zu fahren.

Was an Ambiente fehlt, macht Keystone durch gute Ideen wett

Lehrer Virgil Hodges, ein Ex-Student mit strähniger Hippiemähne unterm Helm, schüttelt den Kopf. "Du guckst über deine Schulter, verlagerst dabei das Gewicht automatisch und drehst eine Kurve." Zum Bremsen fährt man aus der Falllinie den Berg einfach wieder ein Stück herauf. Im Sessellift hält man das Schneerad seitlich. "That's it." Nach der ersten halben Stunde tollt Virgil mit seinen Schüler schon im Tiefschnee zwischen den Bäumen.

Keystone ist ein Skigebiet ohne Ortschaft. Nur 300 Leute wohnen hier das ganze Jahr. Sonst gibt es nur Ferienwohnanlagen und Hotels. Auf das Terrain - mit 1,3 Hektar ein Drittel größer als Breckenridge - kam es Skipionier Max Dercum an. Seine Bulldozer schnitten 1971 dort Schneisen, wo sie die besten Abfahrten vermuteten. Inzwischen sind es 135, wovon knapp die Hälfte als schwierig klassifiziert ist.

Die drei Skiberge liegen nicht nebeneinander wie in Breckenridge, sondern etwas verschachtelt. Auf der Rückseite von Dercum Mountain liegt das "Outpost", die Blockhaus-Lodge mit einem Sterne-Restaurant. Und tatsächlich fühlt man sich hier wie auf einem Außenposten mitten im White River National Forest.

Was an Ambiente fehlt, macht Keystone durch gute Ideen wett. An den Wochenenden der Hauptsaison kann man hier im Dunkeln skifahren, bis 18.00 oder 20.00 Uhr. Dann tauchen grelle Flutlichtlampen die Hänge in gleißendes Licht. Wer nicht zu den schwierigen, schwarz markierten Tiefschneeabfahrten aufsteigen möchte, kann für 5 Dollar (rund 3,70 Euro) ein Pistenraupen-Shuttle nehmen. Ein Geheimtipp an Neuschneetagen ist der Hohlweg Cat Dancer. Auf dem Independence Mountain werden ganztägige Schneeraupen-Touren angeboten.

Keystone ist preiswerter als Breckenridge und familienfreundlich. Eine lebensgroße Schneeburg mit Zinnen, Wachturm und Labyrinth lädt Kinder zum Spielen ein. Es gibt eine Luftreifen-Rodelbahn, einen Schlittschuhsee und einen Abenteuerwald mit Minen, Tunneln und Brücken für kleine Skischüler. Besucher müssen sich nicht unbedingt zwischen den beiden Schwestern entscheiden. Die Skipässe gelten wechselseitig, ein kostenloser Shuttle pendelt zwischen Breckenridge und Keystone.

Heike Schmidt, dpa

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