
Weimar Ein Park mit einer Stadt drin
Weimar - Der Schriftsteller Adolf Stahr fasste seinen Eindruck von der Stadt der Dichter und Denker bündig zusammen: "Weimar ist eigentlich ein Park, in welchem eine Stadt liegt", schrieb er vor mehr als 150 Jahren in sein Reisetagebuch. Synje Jacobsen zitiert diese Zeilen gern zu Beginn ihres Rundgangs, wenn sie im Auftrag der Klassik Stiftung Weimar Besuchern die grünen Seiten der Stadt zeigt.
Das Stadtbild wird bis heute von drei Landschaftsparks geprägt, die sich kilometerlang wie ein grünes Band entlang des Flüsschens Ilm aneinanderreihen. "Der Park an der Ilm, oft auch Goethe-Park genannt, ist der größte und bekannteste", erzählt Jacobsen. Wer seinen Rundgang am Schloss beginnt, kommt bald an den Flusslauf der Ilm, und es eröffnet sich ein beeindruckender Blick auf Goethes Gartenhaus.
Herzog Carl August schenkte dem Dichter das Häuschen 1776 und machte ihn damit zum Weimarer Bürger. "Hab ein liebes Gärtgen vorm Tore an der Ilm schönen Wiesen in einem Tale. Ist ein altes Häusgen drinne, das ich mir reparieren lasse", schrieb Goethe damals und begann sogleich mit Verschönerungsarbeiten im Garten und am Weg zur Stadt.
Auch die Entstehung des Parks ist eng mit dem Wirken des Dichterfürsten verbunden. Dabei ließ er sich vom Wörlitzer Park und seinem neuen englischen Stil inspirieren. Vorhandene Naturschönheiten wurden erhalten, Wegführungen der Natur angepasst, viele Blumen gepflanzt. Außerdem entstanden zahlreiche Sichtachsen. Die wohl bekannteste verläuft vom Haus der Frau von Stein, der langjährigen Freundin Goethes, zum Gartenhaus im Park. Charlotte soll für Goethe eine Kerze ins Fenster des oberen Geschosses gestellt haben, wenn ihr Mann nicht daheim war.
Versailles als Vorbild
Eine andere Geschichte ist die vom Freitod der erst 17-jährigen Christel von Lassberg: "Sie soll sich - mit dem Büchlein 'Die Leiden des jungen Werther' in der Tasche - von der damaligen Floßbrücke in die Ilm gestürzt haben", erzählt Jacobsen. "Das hat Goethe veranlasst, ihr zum Andenken einen Gedenkplatz einzurichten, das Felsentor mit der sich nach oben windenden Treppe." Später kam unter anderem eine künstliche Ruine hinzu, die an die Vergänglichkeit alles Irdischen erinnern soll. "Gestalterischer Höhepunkt im Park an der Ilm ist aber das Römische Haus", erklärt Synje Jacobsen.
Die Anregungen für das zwischen 1792 und 1797 errichtete Gebäude brachte Goethe aus Italien mit, und er beaufsichtigte auch die Bauarbeiten. Es war der erste klassizistische Bau Weimars und diente Herzog Carl August als Sommerhaus. Heute befindet sich in ihm ein Museum mit einer Ausstellung zur Geschichte des Parks an der Ilm. Besucher können - wie einst Goethe und sein Gönner Carl August den Blick über das weite Tal der Ilm schweifen lassen.
Auf den Hügeln der "Eichenleite", nur zwei Kilometer von Weimar entfernt, erwartet den Besucher ein weiterer schöner Landschaftspark. Zu sehen sind das gelb-weiß strahlende Barockschloss Belvedere mit Kavaliershäusern und Orangerie. "Das Ensemble wurde als Sommerresidenz nach dem Vorbild von Versailles mit streng geometrischen Gartenanlagen errichtet", sagt Jacobsen. Natürlich sei die Weimarer Variante wesentlich bescheidener ausgefallen. Weil Goethe und der Herzog hier gemeinsam pflanzenkundliche Studien durchführten, entstand ein Botanischer Garten.
Irrgarten und Heckentheater
Nach dem Vorbild der Gärten von Pawlowsk wurde für den Sohn des Herzogs und seine Gattin, die russische Großfürstin Maria Pawlowna, sogar ein Russischer Garten errichtet. Heute präsentiert sich die gesamte Parkanlage durch den englischen Gartenstil überwölbt und mit vielen geschlängelten Wegen sowie einem beinahe unmerklichen Übergang in die angrenzenden Wälder. Eine große Attraktion für Kinder ist der Irrgarten.
Und gleich nebenan liegt ein kleines Heckentheater. Im Sommer ist es gelegentlich Schauplatz von Konzerten, und auch sonst können Besucher beim Lustwandeln durch den Park oft Musik hören. Dann üben die Schüler des Musikgymnasiums, das sein Quartier auf Schloss Belvedere hat.
Mit 21 Hektar ist der Tiefurter Park der kleinste der drei Weimarer Landschaftsparks. Für viele ist er der schönste - bietet er doch einen reizvollen Kontrast durch seine weiten Wiesen mit nur wenigen Baumgruppen und einigen Blumenrabatten auf dem einen Ufer der Ilm sowie einem wilden Steilhang auf der anderen Seite. Wer dort oben spaziert, bewegt sich auf Höhe der Baumkronen. Und immer wieder öffnen sich weite Ausblicke in die Landschaft, über den Park hinweg in das mittlere Ilmtal und nach Weimar.