Bretagne Das schöne Ende der Welt

Wunderschöne, abgeschiedene Buchten, idyllisch verschlafene Dörfer und jede Menge irreführende Straßenschilder, die ins Nirgendwo führen: Der bretonische Landstrich Finistère heißt nicht umsonst zu deutsch "Ende der Welt". Ein Besuch in Frankreichs wildem Westen.

Quimper - Hierher verirrt sich niemand zufällig. Aber wer hier ankommt, wird sich mit einiger Sicherheit zunächst einmal verirren. Denn Finistère heißt auf Deutsch nicht nur das "Ende der Welt": In dem Landstrich im äußersten Westen der Bretagne und damit ganz Frankreichs führen Sträßchen ins Nirgendwo und existieren auf der Karte verzeichnete Orte schlichtweg nicht - scheinbar zumindest.

Sicher ist dagegen: Wer einen ebenso spannenden wie entspannten Sommerurlaub verbringen will, findet in Finistère ein gutes Ziel. Sinnvoll ist es, eines der vielen Ferienhäuser zu mieten - am besten eines mit Grün drum herum. Absolut nötig sind ein Auto und eine gute Karte.

Letztere ist eine, auf der auch das Ferienhaus verzeichnet ist. Denn bretonische Dörfer bestehen nicht nur aus einer Durchgangsstraße und aneinander geduckten Gebäuden. Hier heißt es oft: Da steht ein Haus und dort ein anderes, gerne am Ende von Sackgassen. Die Gebäude sind zwar auf Schilder gemalt, die an vielen Kreuzungen stehen. Aber zumindest Ortsfremden hilft das nur sehr bedingt weiter.

Eines müssen Urlauber in Finistère dagegen nicht lange suchen: die Küste. Schließlich brandet von Norden, Süden und Westen der Atlantik mit teilweise abenteuerlich hohen Wellen an die hügelige, üppig grüne Region heran. Besonders faszinierend präsentiert sich die Westküste.

Steilküsten und Sandstrände

Hier ragen das Pays de Bigouden, die Halbinsel von Crozon und die Côte des Abers wie drei mehr oder weniger dicke und lange Finger ins Meer. Das bedeutet viele Hundert Kilometer Küstenlinie mit jeder Menge zu entdeckenden Buchten, Steilküsten und Sandstränden.

Eine dieser Buchten ist die Baie d'Audierne, mit der das Pays de Bigouden, der südlichste Finger, sozusagen in den Atlantik übergeht. Der Ozean wird zwar selbst im Hochsommer nicht annähernd so warm, wie sich viele vom Mittelmeer Verwöhnte das wünschen dürften. Aber zum Planschen eignet er sich durchaus - und mehr noch zum Windsurfen und Wellenreiten. Für beides werden an vielen Stränden Kurse angeboten.

Wer lieber an Land bleibt, aber dennoch Seeluft schnuppern will, schlendert die mehr als 20 Kilometer lange Baie d'Audierne entlang - um rechtzeitig zum Sonnenuntergang auf der Terrasse des Café "Penn Ar Bed", dem bretonischen Wort für Finistère, beim Örtchen Plozevet anzukommen. Oder er schaut bei Ebbe den Strandseglern zu, die über den Sand flitzen - vorbei an Bunkern aus dem Zweiten Weltkrieg, die alle paar Hundert Meter wie vom Himmel geworfen vor sich hin wittern.

Menhire und Granitheilige

Menhire und Granitheilige

Wie geschaffen für ausgedehnte Küstenwanderungen ist auch das Cap Sizun etwas weiter nördlich. Hier winden sich Pfade durch Heidekraut und dann wieder durch mannshohe Farne und Brombeerhecken - meist hoch auf den Felsen über dem strahlend blauen Wasser. Immer wieder pfeift kräftiger Wind den Wanderern, die mit festen Schuhen unterwegs sein sollten, um die Ohren. Anderen Ausflüglern in großer Zahl dürften sie nur am Pointe du Raz mit seinem Leuchtturm und an der Baie des Trépassés, einem weiteren Surfer-Dorado mit Strandhotel, begegnen.

Wer Ruhe sucht, kann sie in der ganzen Region finden: Finistère ist zwar nicht zuletzt unter Franzosen ein beliebtes Ziel. Aber es ist weitläufig - von Süden nach Norden sind es mehr als 100 Kilometer - und nicht übermäßig dicht besiedelt. Dadurch geht es auch im Sommer nur an ausgesprochenen Touristenmagneten wie dem Cap de la Chevre auf der Halbinsel von Crozon - dem "mittleren Finger" - rummelig zu.

Zu diesen Magneten zählen auch die Städte Concarneau und Quimper - einen Abstecher sind sie dennoch wert. Concarneau an der Südküste beeindruckt mit einer Festungsanlage auf einer Insel, hinter deren dicken Mauern sich die Ville Close genannte Altstadt verbirgt. Das wenige Kilometer entfernt gelegene Quimper ist die Hauptstadt des Départements Finistère und hat ebenfalls eine hübsche Altstadt mit windschiefen Häusern und engen, gepflasterten Gassen. Dominierender Bau ist die Kathedrale Saint-Corentin mit ihren spitzen Türmen.

Quimper ist aber nicht der einzige interessante Ort abseits der Küsten. Im Gegenteil, in vielen Städtchen und Dörfern lohnt es sich, kurz anzuhalten und einen Blick auf die umfriedeten Kirchengelände zu werfen. Wirklich sehenswert sind weniger die Kirchen selbst - es sind die Calvaires, am ehesten mit "Kalvarienberge" zu übersetzen, die man anderswo kaum findet. Kunstvoll in Granit gemeißelt und von einem Kreuz überragt, stellen sie mit allerhand Heiligenfiguren die Passionsgeschichte dar - in jedem Ort ein wenig anders.

Im Gegensatz zu den Calvaires ist der Sinn und Zweck der Menhire, die es in Finistère und der Bretagne zuhauf gibt, bis heute nicht geklärt. Aber egal, ob die konischen Steine vor ein paar Tausend Jahren wirklich - wie oft vermutet - als Fruchtbarkeitssymbole aufgestellt wurden oder nicht: Beeindruckend sind sie allemal. Das heute mit elf Metern Höhe stattlichste Exemplar steht außerhalb des Orts Plouarzel auf der Côte des Abers, dem nördlichsten Finger.

Wem die Menhire Lust auf mehr Mystik gemacht haben, der fährt entlang der Küste nordöstlich bis zum Fluss Aber Wrac'h. Nicht weit vom Ort Lannilis findet er mit etwas Glück bei Ebbe die vermutlich älteste, noch ansatzweise erhaltene Brücke der Bretagne: die "Teufelsbrücke", Pont Crac'h auf Bretonisch. Der Gehörnte soll sie einem Bauern gebaut und als Tribut die erste Seele gefordert haben, die sie überqueren würde. Der Bauer schickte daraufhin seine Katze.

Florian Oertel, dpa

Finistère: Frankreichs wilder Westen in Bildern

Praktische Reisetipps

Praktische Reisetipps für Finistère

Anreise: Auf der Autobahn zunächst Richtung Paris, dann Richtung Rennes. Von dort je nach Ziel auf der N 24 und der N 165 Richtung Quimper (südlich) oder auf der N 12 Richtung Brest (nördlich).

Klima: Der Sommer ist warm, aber nicht heiß. Typisch sind rasche Wetterwechsel und starker Wind. Auch im Hochsommer ist Regen keine Seltenheit. Die beste Reisezeit ist vom späten Frühling bis zum frühen Herbst.

Informationen: Maison de la France, Zeppelinallee 37, 60325 Frankfurt/Main; im Internet: http://de.franceguide.com , www.tourismebretagne.com .

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