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Stars als Modeunternehmer Wie Rihanna den Modemarkt neu ordnet
Bernard Jean Étienne Arnault, 70, ist nicht nur bedeutender Kunstkenner und Ästhet mit ausgeprägter Sammelwut und Expansionssinn. Er rangiert als Alpha-Unternehmer auf der Liste der reichsten Menschen der Welt auf den vorderen Plätzen. Mit einem Vermögen von 76 Milliarden Dollar schaffte er es laut "Forbes" dieses Jahr hinter Jeff Bezos auf Rang zwei.
Als Patriarch, Vorstandsvorsitzender und Mehrheitsaktionär des Luxuskonglomerats LVMH (Louis Vuitton Moët-Hennessy), dem mehr als 70 Prestigemarken wie Dior, Louis Vuitton, Fendi und Bulgari angehören, ist er als ausgefuchster Stratege und dynamischer Eroberer bekannt. Dieses Mal aber gelang ihm mit einem seiner jüngsten Geschäfte ein Geniestreich, der die gesamte Modewelt durcheinander wirbeln könnte. Fashion-Fachmedien schreiben im Tech-Branchen üblichen Silicon-Valley-Sprech von Disruption, Paradigmenwechsel, Game Changing: Im Frühjahr gründete er schlicht innerhalb seines Imperiums eine neue Maison. Mit einem Popstar als CEO und Artistic Director.
Rihanna und ihr Modehaus: Die Macht von Stil, Sex und 76 Millionen Followern
Der Deal wirft ein Licht auf eine neue Generation von Modeunternehmern: Branchenfremde Superstars, die in Musik, Kunst, Sport erfolgreich sind und eigene Fashion-Firmen gründen - wie Rihanna, die sich Arnault nun auserwählt hat. Oder Beyoncé, Pharrell Williams, David Beckham, dessen Frau Victoria, und Lewis Hamilton. R & B- Musikerin, Musikproduzent, Ex-Fussballer, Ex-Girl-Group-Sängerin, sechsmaliger Formel-1-Weltweister. Sie werden von bloßen Images als Label-Markenbotschafter zu Investoren, von coolen Alltags-Influencern, die uns im Fußball, in der Musik oder im Film faszinieren, zu eigenen Mode-Unternehmern - zum Teil sehr erfolgreich.
Heute gilt "anything goes"
Der jährlichen McKinsey-Studie "The State of Fashion 2019" zufolge, die im Luxusbereich führend ist, umfasst das Mode-Business - Bekleidung und Accessoires- einer Wirtschaftskraft von 2,5 Billionen US-Dollar. Im Vergleich: Die weltweite Autoindustrie entspricht einem Wert von 3,4 Billionen Dollar.
Bei Mode geht es also nicht nur um Rocksäume und die Frage, ob "pink the navy blue of India" ist, wie es Diana Vreeland, historische Modegröße und Ex-Chefredakteurin von "Harpers Bazaar" und "Vogue" einstmals als Maß aller Dinge postulierte. Damals, als es noch so etwas wie Modediktate gab. Heute gilt "anything goes". Und da geht einiges.
Mode sei zu einem knallharten, bedeutenden Business avanciert, in dem es viel zu holen gibt, sagt Achim Berg, Seniorpartner und Experte für die Mode- und Luxusbranche bei McKinsey, im Gespräch mit manager magazin. "Die Profitabilität beträgt hier 7 bis 10 Prozent". Gute Margen, von denen andere Unternehmer und Manager nur träumen können.
Mode ist längst ein wichtiger Bestandteil der Weltwirtschaft - von der H&M-Socke für 1,99 Euro bis zur Hermès-Birkin-Bag für 100.000 Euro. Kein Wunder, dass smarte Stars aufwachen: Sie wollen nicht länger nur ihre Gesichter für Rocksäume anderer hinhalten, sondern selbst kleine Arnaults werden, Unternehmer in eigener Sache. Oder wie die "New York Times" zum RiRi-LVMH-Deal spekuliert und zuspitzt: "Wird Rihanna die Coco Chanel des 21. Jahrhunderts?"
Fenty ist ein gewagtes, experimentelles Geschäftsmodell
Eine Maison de Couture wird heute kaum noch gegründet (die altehrwürdigen stehen im Großunternehmen LVMH an der Spitze der Hierarchie) - zum letzten Mal geschah das 1987 mit dem Designer Christian Lacroix (ist übrigens schief gegangen). Eher werden traditionelle, große Häuser großer Designer/innen-Namen wie Coco Chanel (im Privatbesitz der beiden Wertheimer-Brüder) gehegt und gepflegt oder wie bei LVMH mit intern bewährten und durchwechselnden Managern und Designern belebt, gepäppelt und dem Zeitgeist entsprechend zugeschneidert und optimiert.
Auch LVMH hat sich seinen Stellenwert als Luxusmoden-Marktführer nicht mit Neugründungen erworben, sondern mit der Modernisierung und Revitalisierung von Traditionsnamen wie Givenchy oder Dior mit damals coolen Designern wie Alexander McQueen oder John Galliano in den 1990ern oder dem verstorbenen Über-Designer Karl Lagerfeld bei Fendi.
Rihanna - das ist ihre Währung
Und jetzt Fenty. Ein gewagtes, experimentelles Geschäftsmodell. Erstmals leitet ein Branchenfremdling namens Rihanna eine Maison. Die erste farbige Designerin des größten Luxuskonglomerats der Welt und erste weibliche Gründerin eines Labels innerhalb des Konzerns. Und: Es ist das erste Mal, dass LVMH einen Weltstar engagiert, um eine Modemarke zu generieren, die ihren Ruhm aus ganz anderen Quellen schöpft. Alles für sich genommen ein Superlativ.
Bislang galt: Designer werden berühmt durch ihre Mode - nun bringt der amerikanische Superstar Rihanna Ruhm in die Mode.
"Shine bright like a Diamond" ist ihr Mantra und ihre Aura, die ihrem Weltsong und Number-Eins-Hit "Diamond" entsprechen: Robyn Rihanna Fenty, 31, aus Barbados ist eine der erfolgreichsten und reichsten Musikerinnen weltweit (rund 600 Millionen US-Dollar schwer laut "Forbes"), Sängerin, Künstlerin, Schauspielerin, Modeschöpferin, Unternehmerin. Und sie hat: 77,7 Millionen Follower allein auf Instagram (Stand 19.12.2019, #badgalriri).
Daten als neue Währung, das Wold Wide Web und dessen Social-Media-Aktionen wie Instagram, Facebook, Pinterest, Tik Tok, Whatsapp und weitere sind die treibende Kraft im Marketing. Das rockt. RiRi, wie Rihanna-Fans sie nennen, bringt nicht nur eine feste, wie teure Fangemeinde mit und somit prospektive und potentielle Kunden, sondern auch eine Valuta, derer es bei herkömmlichen Modemarken zunehmend fehlt: Authentizität und Glaubwürdigkeit.
Sie ist als weltweite Influencerin fassbar, persönlich im Austausch, einfach da. Girl-Boss und große Schwester. Da gibt es Herzchen, Likes, Antworten, Kommentare - eine Community, die ihre Schritte quasi live begleiten kann. Das kann eine anonyme, bürokratisch-namenlose Marke kaum bieten. Geschweige denn, den begleitenden Sexappeal, Personality, Glamour und Hype. Star-Power eben.
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Nicht nur Markenbotschafter
Der Deal mit Rihanna geht dabei weit über das seit Jahrzehnten gängige Celebrity Endorsement von Firmen hinaus - also die vertragliche Vereinbarung, Verpflichtung und Einbeziehung eines Stars aus Film Musik, Sport oder ähnliches, der als Kampagnen-Gesicht auftritt und Testimonial einer Marke ist, der ein Produkt auf dem Roten Teppich präsentiert und als sogenannter Markenbotschafter das Produkt - sei es eine Uhr, eine Kleidungsstück, eine Tasche - bei öffentlichen Auftritten trägt. Solcherlei Verträge bringen den Stars allemal hohe Werbehonorare. Mehr aber nicht.
"Dass berühmte Menschen zu Marken werden, ist keine wirkliche Neuigkeit, kein neues Phänomen", kommentiert Achim Berg. "Auch die prominenten Sportler Henry Lacoste und Fred Perry haben ihren Bekanntheitsgrad genutzt, Modefirmen zu gründen". Und das recht erfolgreich, auch wenn man nicht unbedingt behaupten kann, sie seien große Designer gewesen. Stattdessen prägten Designer wie Giorgio Armani, Cristobal Balenciaga, Yves Saint Laurent oder Chanel die vergangenen Dekaden.
Coole Schnitte, exquisite Produktqualität - Luxus-Liga für Rihannas Fenty-Label
Was aber neu ist: Mehr und mehr dieser (Super-)Stars gründen selbst und steigen in den Modemarkt ein. Weil sie wissen: Sie verkörpern Werte, die den Millenials bis zur Generation Z (die eine rein analoge Welt und vordigitale Zeit nie erlebte!) wichtig sind. Stichworte wie Diversity, Female Empowerment, Inklusion, ein Transzendieren des Gender-Bias, Nachhaltigkeit, Respekt für LGBTQIA und gegen Heteronormativität, die Fridays for Future-Bewegung einer Greta Thunberg sind ihnen geläufig und werden bedient. Das ist ihr Kapital - das Vertrauen, das sie genießen. Authentizität. Das Kapital einer neuen Generation, die alte Werte ablöst.
Und davon profitiert nicht nur LVMH. Umgekehrt kann Rihanna mit einem sogenannten "positiven Halo-Effekt" rechnen. Das bedeutet. das einzelne Eigenschaften einer Person einen positiven oder negativen Eindruck erzeugen, der die weitere Wahrnehmung der Person "überstrahlt" und so den Gesamteindruck unverhältnismäßig beeinflusst.
Exquisite Produktqualität, coole Schnitte, hochprofessionelle Abläufe und Handling garantieren Rihanna die Luxus-Liga. Ihre Mode - überraschend puristisch - gibt es im Fenty-Onlineshop, sogenannte Drops (kurzfristige Überraschungsprodukte außerhalb von Saisons und Kollektionen) werden regelmäßig hinzugefügt (weißer Oversized-Parka, für circa 1600 Dollar). Keine Überproduktion, kein Sale. Ganz im Sinne begehrenswerter Verknappungsstrategie. Wenn etwas ausverkauft ist, ist es weg.
Rihanna schon im Beauty- und Wäsche-Geschäft erfolgreich
Wie clever Rihanna als Geschäftsfrau ist, hat sie bereits mit zwei ihrer anderen Unternehmen gezeigt: Fenty Beauty, das im vergangenen Jahr allein 500 Millionen Euro umgesetzt haben soll (ebenfalls eine Kooperation mit LVMH). Ihr USP dabei: Allein 50 verschiedene Foundation-Töne gibt es für Menschen jeglicher Hautfarbe. Zum zweiten: Während Miedermarken wie "Victoria's Secret" aus der Zeit gefallen zu scheinen und sich zum Problemfall entwickelten - ihr Reiz mit Wäsche an der Börse ist verloren, die Weihnachtshow mit geflügelten Engeln in Unterhosen und BH's wurde gerade abgesagt - zeigt Rihanna mit ihrem Label "Savage X Fenty", eine weitere Kooperation, die sie 2018 mit dem US-Unternehmen TechStyle Fashion Group abgeschlossen hat.
Stil, Haltung, Glaubwürdigkeit: Ihre Dessous werden von unterschiedlichen Frauen präsentiert, dick, dünn, jung, alt, schwanger oder mit Schwangerschaftsstreifen. Oder von solchen, die bei ihrer Geburt keine waren. Body positivity statt Bodyshaming - inszeniert als lustiges Spektakel, als Werbefilm an Amazon verkauft - ein "Fashion Musical" wie Rihanna es nennt. Das kommt an, die Marketing-Message scheint zu stimmen.
Andere Marken sprechen schon neidvoll vom "Fenty-Effekt". Den hat jemand wie Stella McCartney nicht nötig. Ihr Modelabel hat eigene Strahlkraft. Sie ist und war zwar nie im Entertainment-Business und hat ihren Startstatus als Tochter von Ex-Beatle Paul McCartney eher ererbt. Aber ihr Einfluss als studierte Modedesignerin geht weit über das reine Schneidern von Kollektionen hinaus. Ihres ist das zweite Modehaus, das Arnault 2019 anteilig in sein Portfolio aufnahm.
Lesen Sie in Teil 2, wie Stella McCartney, das Ehepaar Beckham und Beyoncé sich im Modebusiness positionieren