Mode Und es ist Sommer
Frankfurt am Main/Würzburg - Das Kleid über der Jeans zu tragen, ein Polohemd über das Longsleeve zu ziehen - für einzelne Outfits ist das Tragen von Kleidungsstücken in Schichten schon lange angesagt. Weil die Designer diesen Sommer viele neue Materialien einsetzen, ändern sich nun im großen Stil die Proportionen, die durch die Kleidung betont werden. Deshalb liegt das Schichten - auch Layering genannt - jetzt voll im Trend.
Zum Aufschwung des Übereinander-Kombinierens haben vor allem die aktuellen Jerseystoffe beigetragen. Viele Oberteile kommen in hauchdünnen Stoffen daher - deshalb werden die zarten und feinen Shirts in mehreren Schichten übereinander getragen. Das verhindert, dass der Blick bis auf die Haut geht und schafft einen neuen Look.
Hintergrund des Trends sei der aktuelle Silhouettenwandel, erläutert Gudrun Allstädt von der in Frankfurt erscheinenden Fachzeitschrift "Textilwirtschaft". Waren im Sommer der vergangenen Jahre bauchfreie Tops und auf der Hüfte sitzende Hosen en vogue, reichen die Oberteile jetzt in Überlängen in weiten Formen bis über den Po hinab. Lose Blusen, Jerseyshirts, Kleidblusen und Tuniken werden zu engen Röhrenjeans getragen.
"Mit ungepflegt oder Walla-Walla hat das aber nichts mehr zu tun - vielmehr ist das eine schmeichelnde, sehr leicht tragbare und gepflegte Umsetzung einer neuen Silhouette." Die neue Silhouette habe neue Spielräume für das Kombinieren geschaffen, sagt Sandra Jaruschewski vom Verband Deutscher Mode- und Textildesigner (VDMD): Getragen wird "lang über kurz, fein über grob, schmal kombiniert mit voluminös", erläutert Jaruschewski, die als Designerin im niedersächsischen Gilten arbeitet. Fein-Strick, Leder, Jersey und Leinen dürften dabei nach Belieben in Schichten zusammen gestellt werden.
"Gerade im Sommer hat das einen Nutzen: Man kann sich für verschiedene Temperaturen kleiden", sagt Klaus Brinkmann, Präsident des German Fashion Modeverbands Deutschland in Köln. Neue, leichte Materialien - meist Mischgewebe aus Baumwolle und synthetischen Fasern - ließen das zu, ohne ins Schwitzen zu bringen. "Synthetische Materialien sind der Baumwolle heute von der Funktion her ja mindestens gleichwertig", erläutert Brinkmann, der Geschäftsführender Gesellschafter der Brinkmann-Gruppe in Herford ist.
Kleider spielen beim Schichtenlook im Sommer ebenfalls eine große Rolle: Weite Modelle fallen locker über enge Jeans, die Taille wird mit einem Gürtel betont. "Superkurze Minis oder Kleider werden mit Leggings kombiniert. Darüber wird eine lange Jacke getragen", sagt Jaruschewski. Auch Tuniken zu Shorts sind zulässig und eben mehrere Lagen von dünnen Shirts übereinander. Auch Westen über Blusen und Kurzjacken zu überlangen Pullis schlägt die Designerin vor.
Elegant im Büro, leger am Abend in der Bar
Elegant im Büro, leger am Abend in der Bar
Gudrun Allstädt zufolge fördert der neue Look auch die Renaissance von Bolero-Ärmeln und Cardigans. Zudem habe sich der Trend in der seit Jahren anhaltenden Aufwertung von Accessoires angedeutet - ob Schals oder Schmuck, Krawatten oder Taschen: Heute würden schließlich immer mehr mit Kleinigkeiten über der Kleidung Akzente gesetzt.
"Damit wird der Look der achtziger Jahre wieder aufgenommen", so deutet den Trend Bitten Stetter, Dozentin an der Akademie für Modedesign in Hamburg. Sie sieht in dem neuen Look vor allem die Möglichkeit, Individualität nach außen zu tragen. Die Achtziger seien das erste Jahrzehnt gewesen, das auf alle vorhergehenden Stile zurückgriff und offensiv zum Kombinieren ermunterte.
Für Elke Giese, Trendexpertin des Deutschen Modeinstituts in Berlin, ist mit dem neuen Stil vielmehr ein Stück Funktionalität in der Mode angekommen. "Die Designer sind jetzt sehr vom städtischen Leben inspiriert. Sportswear und andere Dinge, die auf den Straßen zu sehen sind, haben da ihren Eindruck hinterlassen." Das habe das Schichtenprinzip befördert: "Es ist ein neuer Pragmatismus. Man muss dem komplexen Leben in der Stadt begegnen können."
Elegant im Büro, leger bis sexy am Abend in der Bar: Die Notwendigkeit, von morgens bis abends für Arbeit und Freizeit gleichermaßen und von Dauer gestylt zu sein, beschwor eine Haarspraymarke schon vor Jahren. Und was damals auf Jetset-Berufe gemünzt war, ist jetzt in der breiten Masse der Modeinteressierten angekommen - nach Worten von Giese ist schlichte Notwendigkeit dabei der Ideengeber.
"Viele schleppen in den riesigen Taschen, die jetzt angesagt sind, ihren halben Hausstand herum." Denn wer vom Büro direkt zum Sport und danach zum Treffen mit Freunden in die Bar will, braucht Mode, die in unterschiedlichen Situationen immer wieder neu kombinierbar ist. "Sie gehen mit Kleid und Jeans ins Büro, ziehen die Hose aus und gehen mit dem Kleid in den Club", erläutert Gudrun Allstädt.
Bitten Stetter zufolge hat der neue Look für viele Träger Vorteile: "Auf der einen Seite bieten mehrere Schichten die Chance, ein paar Rundungen zu vertuschen. Überlange Teile zu engen Hosen zu kombinieren, ist aber eher etwas für größere Leute - denn Überlängen stauchen ja auch." Mit hohen Schuhen lasse sich das aber ein wenig ausgleichen.
Thorsten Wiese, dpa