Die Reimer-Kolumne Leisten, die Mann sich leisten sollte
Nur ein rahmengenähter Schuh ist ein guter Schuh. Überflüssig, diese Binsenwahrheit zu wiederholen? Das Thema gehört doch schon seit zwei oder drei Jahrzehnten zu den Leitmotiven der Hochglanz-Magazine.
Auf den Glanz der Schuhe, die allmorgendlich in der Bahn wie im Flugzeug zu erleiden sind - und keineswegs nur in der Holzklasse - hat dies leider nicht abgefärbt. Nach wie vor versammelt man sich im Club Médiocrité in schlecht geputzten Schuhen; in Schuhen mit abgelaufenen Fersen; Schuhen mit Falten, die so tief wie die Runzeln im welken Gesicht eines Urahnen sind.
Wenn es denn Schuhe sind und nicht die modischen Fehltritte jener surrealistischen Designs, die Schuhe in Gehwerkzeuge mit Kappen und Steppnähten verwandelt haben, so eckig und kantig wie ein Karton. Oder die pseudo-modischen Mätzchen, deren Verfallszeit bei einem halben Jahr liegt. Schuhe im Grau von Elefantenhaut oder, horribile dictu, ein mehrfarbiges Patchwork.
Appell an die Vernunft sparsamer Ästheten
Tausend Mal wurde an die Vernunft sparsamer Ästheten appelliert, die nach einem klugen hanseatischen Kaufmannswort "zu arm sind, um sich etwas Billiges zu leisten" und nicht nach dem Preis, sondern dem Wert fragen. Und was wäre schon preiswerter als der 500 oder gar 1000 Euro teure Schuh, der zwanzig Jahre einen guten Auftritt sichert und immer schöner wird - jene Pflege vorausgesetzt, die jeder Haut geschuldet wird.
Hat es denn nun was bewirkt? In die Werkstätten von John Lobb in London und Paris wurden Reporter entsandt, die rühmend und raunend über die hohe Kunst berichteten, ein Kunstwerk für ein Kunstwerk zu schaffen: für die 26 Knochen, 107 Bänder und 19 Muskeln des Fußes, die der auch als Anatom tätige Leonardo da Vinci spezifiziert hat.
Wiener Meister-Schuhmacher wie Lajos Balint, Materna und Carl Ferdinand Scheer wurden aufgerufen, das Hohe Lied des Maßschuhs zu singen. Und auch über die Vorzüge der nach dem Goodyear-Verfahren rahmengenähten Schuhe von Firmen wie Alden und Ellen-Edmonds (USA), von Church, Edward Green, Crocket & Jones (England), Reiter (Österreich) und Vass (Budapest) wurde hinlänglich berichtet.
200 Arbeitsgänge für ein Kunstwerk
200 Arbeitsgänge für ein Kunstwerk
Nun, er muss also wohl noch einmal sein, der rasche Blick in die Schusterstube. Bei einem rahmengenähten Schuh wird der Schaft, das vorgenähte Oberleder, über einen Leisten gezogen, unter den die Brandsohle geheftet wird. Zwischen das Oberleder und das Futter - meist weiches Kalbsleder - werden Kappen geklebt, die die Spitze und die Fersen verstärken.
Dann "zwickt" der Schuhmacher mit einer Zange das Oberleder über den Leisten, fixiert das Leder mit Nägeln auf dem Leisten, schneidet beim "rangieren" eine Nut in die Brandsohle und legt ein Lederband - den Rahmen - rings um den Schuh, zieht mit einer Stahlnadel einen "gepechten" Hanffaden durch den Rahmen, das Oberleder und die Brandsohle.
Ober- und Unterschuh sind fest verbunden, die Naht liegt eingebettet in der Brandsohle. Auf sie wird vor dem Absatz zur Stabilisierung eine Stahlfeder geklebt. Die flachen Hohlräume unter der Brandsohle werden mit Kork ausgefüllt. So kann sich die auf dem weichen Kork liegende Brandsohle beim Eintragen dem Fuß anpassen. Überdies ist Kork der beste Kälteschutz.
Danach wird eine Zwischensohle angenäht und die Laufsohle angeklebt. Deren Leder ist im Idealfalle 18 Monate lang in Eichenlohe gegerbt und so widerstandsfähig, dass man für eine Camel zwei Marathons mehr laufen könnte. Auf die Laufsohle wird der Absatz geschichtet.
So weit, in Kurzfassung, die rund 200 Arbeitsgänge für ein Kunstwerk, das der Schuster schafft und das von der Welt mit Füßen getreten wird.
Unverzichtbare - die wichtigsten Schuhe
Unverzichtbare Begleiter: Fünf für jede Garderobe
Die Wahl des täglichen Begleiters, in dem wir acht oder zehn Stunden unterwegs sind, erfordert ein wenig Grundwissen und eine Menge Sophistication.
- Unverzichtbar zum dunklen Anzug oder zum Smoking ist der schwarze Plain Oxford - ein Schuh mit geschlossener Schnürung und nur mit einem Schuhanzieher betretbar. Regel: Je formeller oder offizieller Anlass, desto glatter der Schuh.
- Zum Business-Anzug können der Semi-Plain Oxford mit einer geraden Kappe wie der Monk mit der seitlichen Schnalle getragen werden.
- Ideal zum Flanell oder dem Tagesanzug passen der Full- wie der Halfbrogue mit der Perforierung - auch und gerade in diversen Braun-Tönen vom hellsten Haselnuss bis zu dunkel schimmerndem Mahagoni.
- Der Derby ist ein Schuh mit offener Schnürung. Der schwarze Plain Derby "Scotch Grain" passt zu jedem Anzug, der rotbraune zu Cord, Tweed oder zu Jeans.
- Für den Loafer gilt die Regel, dass er getragen wird, wenn die Regeln einen strikten Dresscode ausgesetzt sind. Tagsüber zum Anzug und jeder Kleidung, die casual ist. Er gibt dem Look von Sakko und Jeans einen Touch von Eleganz.
Wer die Regeln kennt, für den wird es eine Lust sein, die eine oder andere mit gekonnten Kombinationen zu brechen.
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