IP-Telefonie Das Potenzial richtig nutzen
Hamburg - Dass IP-Telefonie ein hohes Potenzial zur Kostenoptimierung in sich trägt, gilt heute als unumstritten. In einem Fünfjahreszeitraum können etwa 20 bis 40 Prozent der Kosten eingespart werden.
Doch dies ist nicht der Hauptgrund, warum CIOs sich mit dem Thema VoIP beschäftigen sollten. Künftige Applikationen auf Basis von IP-Kommunikationssystemen bieten den wahren Mehrwert für das Unternehmen. In diesem Zusammenhang ist als eine der wichtigsten Applikationen Real Time Collaboration (RTC) anzusehen.
RTC erlaubt eine effektive und gleichzeitig effiziente Zusammenarbeit von Mitarbeitern untereinander oder auch mit Kunden und Lieferanten unabhängig vom Ort der einzelnen Teilnehmer und des verwendeten Kommunikationskanals. Dabei stehen dem Anwender verschiedene Dienste wie Sprache, Video, Text (Instant Messaging), Dateien und Dokumente (File Sharing) oder Applikationen (Application Sharing) zur Verfügung.
Die einzelnen unter RTC zusammengefassten Kommunikationsdienste sind dabei keinesfalls neu, sondern werden bereits seit einiger Zeit als jeweils separate Applikation von unterschiedlichen Anbietern bereitgestellt. Die Problematik bestand bislang jedoch in der nahtlosen Integration aller Dienste mit einer einfachen, intuitiven Bedienbarkeit.
Durch Medienbrüche und einer daraus resultierenden hohen Komplexität in der Anwendung entstehen Akzeptanzprobleme seitens der Anwender, so dass den bisher verfügbaren Applikationen in diesem Bereich eher eine Nischenrolle beschert war.
RTC-Lösungen werden von zahlreichen namhaften Softwareherstellern wie zum Beispiel IBM , Microsoft , Oracle oder SAP angeboten. Hauptproblempunkt ist jedoch dabei die Integration des sicherlich wichtigsten Kommunikationskanals Sprache, welcher nach wie vor einen großen Medienbruch darstellt.
Die Architektur als Schlüssel
Software verdrängt Telekommunikation
Auf der anderen Seite entwickeln Hersteller von Kommunikationsanlagen, wie zum Beispiel Alcatel , Avaya , Cisco , Nortel Networks oder Siemens , ebenfalls RTC-Lösungen als separate Applikation, die auf ihre jeweiligen TK-Systeme abgestimmt sind. Auch hier ist noch keine endgültige Lösung abzusehen, da hier die Integration in die Businessapplikationen, welche die zentrale Schnittstelle für die Anwender darstellen, nach wie vor unzureichend ist.
Es kann somit zusammengefasst werden, dass sich Softwareanbieter und Hersteller von Telekommunikationssystemen bezüglich der RTC-Lösungen aufeinander zu bewegen. Die genaue zukünftige Rollen- und Marktverteilung kann gegenwärtig noch nicht abgesehen werden.
Es ist jedoch durchaus davon auszugehen, dass bezüglich der Bereitstellung des Dienstes Sprache im Unternehmensnetzwerk ein zunehmender Konkurrenzdruck seitens der traditionellen Softwareanbieter aufgebaut wird, und so die Sprachdienste neben den weiteren bereits genannten Kommunikationsdiensten einfach in ihre Applikationsserver integriert werden.
Die Architektur als Schlüssel zum Erfolg
Eine vollständige Integration von Sprachdiensten in Applikationen wird nur dann realisierbar sein, wenn der Dienst Sprache auf standardbasierte und offene Protokolle aufsetzt. Unglücklicherweise ist ein allumfassender Standard für die Sprachkommunikation über IP bisher noch nicht verfügbar. Die meisten Hersteller verwenden auch für ihre IP-Telefoniesysteme nach wie vor proprietäre Protokolle, um den vollen Umfang an Leistungsmerkmalen zur Verfügung stellen zu können.
Es kristallisiert sich immer mehr heraus, dass das Session Initiation Protocol (SIP) zukünftig eine tragende Rolle spielen wird.
SIP bietet im Vergleich zu den bisher verfügbaren Ansätzen eine einfache Struktur, flexible Erweiterungsfähigkeit sowie eine hohe Diensteunabhängigkeit mit Integration verschiedener Kommunikationsdienste über ein Protokoll. Weiterhin ist seit der Integration des Protokolls in Microsoft Windows XP SIP auf der Client-Seite bereits flächendeckend vorhanden.
Die Zukunft gehört dem SIP
Die Zukunft gehört dem SIP
Es reicht jedoch nicht aus, lediglich SIP-Schnittstellen bereitzustellen. Vielmehr ist die gesamte Kommunikation vollständig auf SIP abzubilden. Um dies zu realisieren, muss noch ein größerer Druck auf die Hersteller ausgeübt werden.
Weiter ist noch eine stärkere Zusammenarbeit der Hersteller untereinander erforderlich, um mehr Leistungsmerkmale auf Basis von SIP zu standardisieren.
Auch wenn das Thema Leistungsmerkmale mit zunehmender Integration der Telefonie in Applikationen an Bedeutung verlieren wird, erhöhen diese in der Migrationsphase die Akzeptanz seitens der Anwender.
Neben der Verwendung von Standards ist ein weiterer wichtiger Bestandteil einer IP-Telefonie-Architektur die zentrale Bereitstellung des Dienstes Sprache im Netzwerk in Analogie zu den bekannten Client-Server-Systemen.
Windows, Unix oder Linux
In der IP-Telefonie-Architektur sind Telefone nicht mehr als reine Telekommunikationsendgeräte, sondern zusammen mit PCs, Laptops und so weiter als Clients eingebettet. Die IP-Telefonie-Server, die für die Verwaltung von Telefonen, Teilnehmern und Rufnummern sowie für die Anrufvermittlung verantwortlich sind, werden im Gegensatz zum Ansatz klassischer TK-Anlagen in einem Rechenzentrum zentral betrieben.
Wenn die Grenzen zwischen den Sprach- und Datendiensten aus Anwendersicht verschwinden sollen, dann müssen zwangsläufig auch die Grenzen auf der Server-Ebene und Client-Seite annulliert werden.
Das heißt: Als zukunftsfähig können nur Telekommunikationssysteme auf Basis von Standardplattformen wie Windows, Unix oder Linux mit offenen und standardbasierten Protokollen angesehen werden. Dies wird durch den allgemeinen Entwicklungstrend bei den Produkten namhafter Hersteller bestätigt.
Der Weg in die neue IP-Welt
Migration, der Weg in die neue IP-Welt
Eine der Fragen, die viele Unternehmen im Wesentlichen interessiert, ist die nach der Gestaltung des sinnvollsten Migrationswegs. Häufig wird bei Klärung dieser Frage zu sehr von den bereits vorhandenen Systemen ausgegangen. Eine echte sanfte Migration, wie es einige traditionelle Hersteller gern suggerieren, ist nur in den allerwenigsten Fällen technologisch und wirtschaftlich sinnvoll möglich, da hierzu häufig erstmal eine vergleichsweise hohe Anfangsinvestition unter Austausch zahlreicher Hardwarekomponenten notwendig ist.
Das Ergebnis ist dagegen meist eine suboptimale Lösung, da die Architektur des "alten" klassischen Systems im Regelfall unangetastet bleibt. Zwar können durchaus Einsparungseffekte insbesondere im Bereich der so genannten Moves, Adds & Changes (zum Beispiel bei Umzügen) erzielt werden. Demgegenüber ist jedoch die erhöhte Komplexität aus technologischer und auch organisatorischer Sicht bei der Vermischung der klassischen TK-Welt mit der IP-Welt gegenüberzustellen, was von vielen unterschätzt wird. Die Frage nach dem strategischen Ziel des Paradigmenwechsels zu IP-Telefonie bleibt dabei häufig unbeantwortet.
Anstatt sich vordergründig mit "Altlasten" zu beschäftigen, sollte jedes Unternehmen, das sich mit dem Thema IP-Telefonie auseinandersetzt, zunächst eine klare Kommunikationsstrategie, die im Einklang mit der allgemeinen IT- und Unternehmensstrategie steht, definieren. Davon ausgehend und ungeachtet der bestehenden, meist gewachsenen Infrastruktur ist anschließend ein geeignetes Architekturkonzept für die IP-Telefonie-Gesamtlösung zu entwickeln.
Pilotstandort als Nukleus
Der Aufbau der IP-Telefonie erfolgt dann sinnvollerweise parallel zu der bestehenden TK-Infrastruktur. Zunächst erfolgt die Installation der zentralen Systeme anhand von ausreichend dimensionierten IP-Telefonie-Servern. Die Hauptproblematik besteht in der Schaffung einer klaren Schnittstelle zu der bestehenden TK-Infrastruktur, welche projektspezifisch zu evaluieren ist. Ebenfalls zu evaluieren sind Themen wie zum Beispiel Rufnummernplan, Gebührenverrechnung et cetera.
Anschließend erfolgt die Auswahl eines geeigneten Pilotstandortes, an welchem die IP-Telefonie als Erstes ausgerollt wird. Der Pilotstandort dient als Nukleus, von welchem ausgehend die schrittweise Migration der restlichen Telekommunikationsinfrastruktur durchgeführt wird.
Die Migration erfolgt standortweise, das heißt ein Gebäude oder auch ein Bauteil ist stets als Einheit zu betrachten und zu migrieren. Für eine erfolgreiche Migration zu IP-Telefonie sind neben den technologischen auch die organisatorischen Implikationen der Technologie zu beachten.
Genau der richtige Zeitpunkt
Die Erhöhung der Verfügbarkeit
Auch wenn die Bedeutung des Dienstes Sprache für die Unternehmenskommunikation tendenziell eher an Bedeutung verlieren wird, stellt die Telefonie aus Sicht der Anwender nach wie vor eine kritische Applikation dar. Die stetige Verfügbarkeit und zuverlässige Funktion des Telefons wird seitens der Anwender einfach erwartet.
Erschwerend kommt hinzu, dass sowohl der Sprachdienst als auch alle Datendienste über ein gemeinsames Netzwerk übertragen werden. Eine Hochverfügbarkeit des Netzes ist also eine notwendige Voraussetzung für den Einsatz von IP-Telefonie. Es stehen zwar eine Vielzahl von technologischen Möglichkeiten zur Erhöhung der Verfügbarkeit zur Verfügung, doch mit einem technologischen Ansatz allein, kann das Problem nicht gelöst werden.
Genauso wichtig ist es, beispielsweise im Störfall schnell auf einen kompetenten Ansprechpartner zugreifen zu können. Dazu müssen für den Betrieb der IP-Telefonie die Verantwortlichkeiten sowie die organisatorischen Schnittstellen klar definiert werden und weiter die Service Management Prozesse der IT-Serviceorganisation auf die neue Situation angepasst werden.
Genau der richtige Zeitpunkt
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass IP-Telefonie für die meisten Unternehmen eine revolutionäre Technologie darstellt, da hiervon nahezu alle Bereiche - von der Systemlandschaft bis hin zur IT-Serviceorganisation - berührt sind und optimiert werden müssen. Umso wichtiger ist es, sich über eine ganzheitliche Betrachtung auf CIO-Ebene ein klares Bild von den Chancen und Risiken der IP-Telefonie zu machen und so über alle Aspekte hinweg das Gesamtoptimum für das jeweilige Unternehmen zu finden.
Einfach abzuwarten ist jedoch nicht der richtige Ansatz, denn es wird kein Weg an dieser Technologie vorbeiführen, da IP-Telefonie wie kaum eine andere Technologie die Unternehmenskommunikation nachhaltig verändern wird. Um die strategischen Potenziale tatsächlich nutzen zu können, sind in erster Linie eine klare Strategie sowie die Festlegung einer geeigneten Architektur die Grundvoraussetzungen.
Jetzt ist genau der richtige Zeitpunkt, diese Voraussetzungen zu schaffen, denn neben den durchaus bestehenden Risiken bietet IP-Telefonie als eine der wenigen Technologien den CIOs das Potenzial, die Kosten zu senken und gleichzeitig zukünftig die Qualität der Unternehmensleistung zu erhöhen.