
Weinwissen vom Wein-Experten Wolfgang Staudt Das sollten Sie wissen, wenn Sie Wein servieren
mm.de: Herr Staudt, Sie haben ein Buch geschrieben über Wein mit dem Zusatz "Fit für Beruf und Karriere". Muss man etwas über Wein wissen, um Karriere zu machen?
Wolfgang Staudt: Aus meiner Beobachtung schon. Das Thema Wein ist verbreitet und man ist heute kein Exot mehr, wenn man eine Weinreise macht. Man fällt eher auf, wenn man das Thema Wein nicht bedienen kann. Wein ist oft ein Thema, um in Businessmeetings einzusteigen, locker am Anfang…
mm.de: Was ist das A und O, was jeder wissen sollte?
Staudt: Es gibt keinen Reich-Ranicki für Wein. Aber generell würde ich dazu raten, den Ball immer flach zu halten und sich auf den eigenen Geschmack zu verlassen. Wichtig ist, dass man weiß, wie Wein serviert wird.
mm.de: Nicht aus geschliffenen Gläsern trinken, zum Beispiel.
Staudt: Ja, und die Temperatur ist wichtig. In Deutschland wird Rotwein beispielsweise oft zu warm angeboten und Weißwein zu kalt.
mm.de: Woran liegt das?
Staudt: Hierzulande hält sich das Gerücht, Rotwein solle Zimmertemperatur haben. Doch diese Aussage stammt vielleicht aus dem 17. Jahrhundert und da waren die Räume einfach deutlich kühler als heute.
mm.de: Und wie viel Grad Celsius sollte ein Rotwein haben?
Staudt: So zwischen 14 und 17, vielleicht noch 18 Grad Celsius, leichte Rotweine eher zwischen 14 und 16 Grad Celsius.
mm.de: Und Weißwein?
Staudt: Da könnte man die Regel aufstellen, je schlechter der Wein, desto kälter. Ein guter Weißwein sollte aber eine Temperatur von 12 bis 13 Grad Celsius haben. Man kann noch viele Accessoires nutzen, muss es aber nicht, doch die Temperatur ist essentiell. Und natürlich ist auch nicht zu vernachlässigen, den Raum gut auszuwählen, in dem man Wein reicht. In stickigen Räumen, schmeckt Wein nicht, genauso wenig wenn man von einer Parfumwolke umgeben ist.
mm.de: Die Gläser spielen natürlich auch eine Rolle. Ist es wichtig, für jeden Wein ein passendes Glas parat zu haben?
Staudt: Also, mal abgesehen von den schon erwähnten geschliffenen Gläsern, die es zu vermeiden gilt, kann man natürlich Weißwein- und Rotweingläser nutzen. Es funktioniert aber auch ein mittelgroßes Rotweinglas, aus dem man alles trinken kann. Schön ist es dann natürlich noch, wenn sich das Glas nach oben hin verjüngt und somit den Geruch gut zur Nase transportieren kann.
mm.de: Ist der Unterschied wirklich so gravierend?
Staudt: Gläser sind schon wichtig für die sinnliche Wahrnehmung. Ich arbeite in meinen Seminaren manchmal mit schwarzen Gläsern, um zu zeigen, wie wichtig das Sehen beim Weintrinken ist. Plötzlich weiß man nicht mehr, ob man Rot- oder Weißwein trinkt.
Muss Wein atmen?
mm.de: Es heißt, ein Wein muss atmen. Muss er das - immer?
Staudt: So heißt es, stimmt. Es heißt auch, man müsse Naturkorken nehmen. Aber Naturkorken ist nicht durchlässig. Wenn er nicht dicht ist, dann ist er zu schnell gealtert und es kommt zur Oxidation. Ein guter Wein kann meiner Meinung nach auch einen Drehverschluss erhalten.
mm.de: Rotweinflaschen werden oft früher geöffnet, um den Wein atmen zu lassen. Ist das wirklich wichtig?
Staudt: Das ist ein Irrglaube. Öffnet man die Flasche, um einen Wein atmen zu lassen, dann passiert in Wirklichkeit gar nichts. Wenn Sauerstoff an den Rotwein dran soll, dann benötigt man einen Dekanter. Aber mal abgesehen davon, ist das eigentlich nur für Rotweine sinnvoll, die noch jung und noch nicht voll gereift sind. In der Karaffe oder im Dekanter soll der Wein dann schnell nachholen, was er bisher nicht erreicht hat.
mm.de: Werden Weine mit zunehmenden Alter besser?
Staudt: Nein, bestimmt nicht. Für 99 Prozent aller Weine kann ich das sagen. Es gibt nur ganz wenige Ausnahmen, die besser werden.
mm.de: Welche sind das?
Staudt: Das sind beispielsweise allerbeste Süßweine und hervorragende Bordeaux-Weine. Die allermeisten Weine müssen jedoch in den ersten zwei Jahren getrunken werden - mit Ausnahme eben von Süßweinen, die auch bis zu 100 Jahre alt werden können und dabei nicht verlieren.
mm.de: Kann ich im Supermarkt einen guten Wein finden?
Staudt: Im Supermarkt wird in der Regel keine große Geschmacksvielfalt angeboten, aber man kann dort gute bis sehr gute Weine finden. Jedoch, gibt es dort nur Mainstream, sobald ich die Vielfalt des Weins kennenlernen will, sollte ich zum Fachhandel gehen.
mm.de: Haben Sie einen Lieblingswein?
Staudt: Ich bin eigentlich keiner Rebe treu. Bei Weißweinen trinke ich schon gerne Riesling und Chardonnay und bei Rotwein Syrah und Spätburgunder. Ich probiere gerne aus.