
"Grillbibel"-Autor Jamie Purviance Das neue Burgertum
Berlin - Man hat ihn sich ein wenig anders vorgestellt, den Grill-Guru. Ein wenig lauter und breitschultriger vielleicht, und sicherlich ein wenig rustikaler. Doch Jamie Purviance ist ein ernst blickender, schlanker Mann. "Grillen ist wie ein Tanz mit dem Feuer. Man kommuniziert mit den Flammen und dem Essen, das ist das Schöne daran", sagt er mit warmer, klarer Stimme.
Seine Hände sind schmal und ausgesprochen gepflegt, eigentlich würden sie eher zu einem Pianisten als zu einem Koch passen. Schwer vorstellbar, dass ein Mann wie Jamie Purviance hauptberuflich von Holzkohlenrauch umhüllt Würstchen und Burger-Pattys auf den heißen Rost legt.
Doch genau so ist es, wie er versichert. Im heimischen Sacramento steht ihm eine Armada von neun unterschiedlichen Grillgeräten zur Verfügung. Meist kauft der Amerikaner morgens auf dem Markt alles ein, was besonders gut aussieht oder gerade Saison hat. In seiner Outdoor-Küche überlegt er dann, wie aus Koteletts, Hähnchenkeulen, Zucchini, Tomaten oder grüner Spargel ein neues Gericht werden kann. Klingt nach einem Traumjob, bei dem Rezepte wie "Pazifischer Taschenkrebs mit Weißwein-Knoblauch-Butter" oder "Lammkoteletts mit usbekischer Marinade" entstehen.
Im Mittelpunkt seiner Kreationen steht in der Regel eine großzügige Fleischportion, um die sich Gemüse, Salat, Brot und Saucen formieren. Gewürzt wird kräftig und international mit grobem Meersalz, Chili, Knoblauch, frischem Koriander, Kreuzkümmel und scharfem Senf. So bekommt Wohlvertrautes einen exotischen Kick.
Ein genialer Marketing-Schachzug
Die Mischung kommt an. Alleine in Deutschland hat Jamie Purviance über eine Million Bücher verkauft, in den USA noch weitaus mehr. Dass bei der Erwähnung seines Namens dennoch viele Menschen. "Jamie - wer?" murmeln, liegt vermutlich daran, dass sämtliche Rezeptsammlungen in Kooperation mit dem amerikanischen Grill-Hersteller Weber herausgegeben werden.
Der größte Bestseller aus seiner Feder heißt "Weber's Way to Grill" und wurde in en gutes Dutzend Sprachen übersetzt. Die deutsche Ausgabe namens "Weber's Grillbibel" war eins der erfolgreichsten Kochbücher der letzten Jahre und war monatelang auf der Sachbuch-Bestsellerliste vertreten. Der Titel wird auf dem Cover der deutschen Ausgabe mit orangeglühenden Buchstaben, die so dick sind wie Nürnberger Rostbratwürstchen, geschrieben. Den Autorennamen entdeckt man nur mit Mühe.
Dass der Name eines Herstellers auf einem Kochbuch prangt, ist ein ungewöhnlicher, aber geradezu genialer Marketing-Schachzug. Wer eins der Bücher besitzt und das Einführungskapitel liest, kommt zwangsläufig auf den Gedanken, dass man wirklich lohnende Rezepte nur auf einem Weber-Grill zustande bekommt. Wer bereits für einen modernen Grill mehrere Hundert oder gar Tausend Euro ausgegeben hat, investiert vermutlich nur zu gerne 25 Euro in ein Kochbuch, das einen zu einem Virtuosen an der Grillzange machen will.
Wenn Jamie Purviance die Geschichte seiner Karriere erzählt, dann merkt man, dass er es nicht zum ersten Mal tut. Jedes Wort und jede Anekdote sitzen so perfekt wie seine schwarze Kochjacke. "Barbecue- und Grill-Abende sind ein ganz wichtiger Teil der amerikanischen Kultur. Sie sind ein sehr beliebter Anlass, damit Nachbarn, Freunde und Verwandte zusammenkommen. Bei uns grillt jeder und natürlich habe ich als Kind diese Abende geliebt", erzählt er routiniert.
Ein letztlich belangloses kulinarisches Vergnügen
Doch nach der High School stand ihm zunächst der Sinn nach einer ganz anderen Karriere. Purviance wurde Lehrer und arbeitete an einer internationalen Schule in Jakarta. "In Indonesien wird fast nur draußen gekocht. Die Indonesier sind wahre Experten in Sachen Outdoor-Küche, das hat mich sofort fasziniert", fährt er fort.
Zu seinem Haushalt gehörte eine Köchin. Sie wollte gerne Englisch lernen, er kochen. Und so standen sie viele Abende zusammen am Grill. Purviance Kochkünste verbesserten sich, allerdings nicht in dem Maße, das er sich gewünscht hatte. Also ging er zurück in die USA und startete eine Ausbildung am renommierten Culinary Institute of America - das kurz und praktisch CIA genannt wird.
Seinen ersten Job als Koch hatte er auf einem Weingut im Napa Valley, wo er in einer kleinen Küche mitunter 100 Gäste bekochen sollte. "So etwas geht wirklich nur, wenn man draußen einen Grill aufstellt", meint er. Langsam aber sicher entwickelte er sich zu einer Koryphäe in Sachen Kerntemperatur und Raucharoma und begann parallel zu seiner Arbeit als Koch Rezepte und Artikel zum Thema Grillen zu veröffentlichen. Irgendwann wurde die Firma Weber auf den damals noch unbekannten Koch und Autor aufmerksam - und es kam zu der finanziell höchst erfolgreichen Allianz.
Der Grillbibel folgten schnell Werke wie "Weber's Seafood", "Weber's Chicken" und "Weber's Veggie". Alle Bücher zeichnet die bewährte Mischung aus solide zusammengestellten Rezepten und handfesten Grilltipps aus. Für sein neuestes Buch "Weber's Burger" hat Jamie Purviance "Schweineburger mit Fünf-Gewürze-Pulver, Hoisin-Sauce und Weißkohlstreifen" sowie den "Garnelenburger mit Frühlingszwiebeln, Speck und Zitronenmayonnaise" komponiert.
Am liebsten ganz klassisch fettig und ungesund
"Es ist Zeit, neu zu definieren, was ein Burger ist. Die Möglichkeiten sind vielfältig: Man kann wunderbare Fisch-Burger oder vegetarische Burger zubereiten....." philosophiert Purviance. Sein neuster Lieblingsburger ist allerdings eine Kombination aus Rindfleisch, Cheddar, gegrilltem Speck und einem Spiegelei. Ganz klassisch fettig und ungesund.
Es erfordert wenig Phantasie sich vorzustellen, dass der beschriebene Cheddar-Burger schwierig zu goutieren und damit nicht gerade tauglich für eine Abendveranstaltung ist. Bei der Präsentation des Buches setzt Jamie Purviance deshalb auf weniger saftige Exemplare und serviert einen eher unauffälligen Cheeseburger, einen vegetarischen "Caprese-Burger" mit Tomaten, Mozzarella und Basilikum und eine Variante mit Lachs.
Zwei Assistenten schleppen Platten mit akkurat geformten Burger-Pattys und ordentlich geschnittenen Käse heran. Jamie Purviance verrät, dass man in die Hackfleisch-Pattys unbedingt eine Delle drücken sollte. So verhindert man, dass sich die Fleischscheibe beim Brutzeln frisbeescheibenartig verformt. Jeder Handgriff sitzt, die Männer kontrollieren die Temperatur von Fleisch und Fisch und passen auf, dass der Käse leicht anschmilzt, aber nicht auf dem Rost zerläuft. Zum Schluss werden die Brote noch kurz angeröstet. Der Aufwand, mit dem die Burger entstehen, ist beachtlich.
Egal ob Fisch-, Fleisch- oder Käse-Burger - alle Exemplare, die Jamie Purviance an dem Abend serviert, schmecken um Längen besser als das, was unter ähnlichen Namen bei Fastfood-Ketten serviert wird. Das Brot bleibt außen knusprig, das Innere ist überaus saftig und zerläuft im Mund zu einem undefinierbaren, salzigen aber dennoch leckeren Melange. Dennoch: Ein überwältigendes Geschmackserlebnis bieten auch Purviance' First-Class-Burger nicht. Sie sind ein belangloses kulinarisches Vergnügen, das schnell satt macht und das man beinahe ebenso schnell vergisst. "Burger bringen mich zurück zu dem Punkt, an dem alles angefangen hat", hatte Jamie Purviance zuvor erklärt. So kann man das natürlich auch sagen.