
Göteborg Schwedens Gourmettempel
Göteborg - In diesem Jahr war die Hafenstadt Göteborg Schwedens kulinarische Hauptstadt. Was nicht heißt, dass mit dem Ende des Jahres auch die kulinarischen Genüsse in Göteborg vorbei sind. Im Gegenteil: zum einen wirkte die Ernennung wie ein Jungbrunnen für die über Jahrzehnte in Sahnesoßen und kalorienhaltiger Tradition erstarrte Küche der Stadt.
Die neuen Gourmettempel kreieren ihre Gerichte mit luftiger Leichtigkeit, in respektvoller Anlehnung an Althergebrachtes und einer gehörigen Portion frecher Innovation. Zum anderen nähert sich nun eine besondere Zeit mit einer besonderen schwedischen Sitte: Die Adventszeit, in der viele Restaurants traditionelle "Weihnachtstische" aufbauen. Dann sitzen alle Gäste zusammen und bedienen sich von einem Büfett mit traditionell geprägten Gerichten.
Das sich kulinarisch viel tut in der zweitgrößten Stadt Schwedens, mag manchem neu sein, doch erstaunlich ist es nicht. Göteborgs Charakter ist durch und durch maritim. Nicht nur der Hafen, die Meernähe machen dies aus, auch die stete Präsenz der großen Fähren, der salzige Wind, der durch die Stadt weht, die Fischhallen und Auktionshäuser, die Tradition des Bootsbaus und der Fischerei, all das ist eine bunte Menagerie wie aus einer Seemannsgeschichte.
Unverfälschter Geschmack
Der Fokus der neuen Küche liegt auf frischem Fisch und Schalentieren, die mit möglichst unverfälschtem Geschmack auf den Teller kommen, ergänzt mit von leichter Hand bereiteten Beilagen. Vier der Restaurants der Stadt sind bereits mit einem Michelin-Stern ausgezeichnet, das mag wenig sein, wenn man andere große Städte damit vergleicht, aber viel, wenn man bedenkt, dass einem Schweden nie in den Sinn kam, wenn man von guter Küche sprach.
Mit Sicherheit eine der exquisitesten kulinarischen Adressen ist das Sjömagasinet im Klippan Kulturreservat, direkt an der Göteborger Hafenfront. Das Restaurant ist in einem ehemaligen Lagerhaus der schwedischen East India Company untergebracht und sowohl der Charakter der Lagerhalle als auch der Kontore sind erhalten geblieben. Beim Eintritt schlägt einem der Geruch von Lagerfeuer und Holz entgegen, und es ist ein guter Geruch.
Im Dienste der Tradition
Prägender Einfluss und Besitzer ist Ulf Wagner, ein Name, den man zumindest in Schweden kennt. Der eher rustikale Charakter des historischen Hauses wird vorsichtig durch schlichte Eleganz aufgelockert. Weder Einrichtung noch das, was auf den Teller kommt, ist bei Wagner prätentiös. Sjömagasinet, das wird gleich deutlich, fühlt sich der Tradition der alten Seefahrer, dem Aufbruchcharakter jener Zeit verpflichtet, aus der das Haus stammt.
Die Auswahl der Gerichte ist eher klein, aber sprichwörtlich fein. Nicht, dass das Hauptgericht geschmälert werden soll, aber man ließe sich etwas entgehen, probierte man Wagners Vorspeisen nicht, besonders die Hummer-Consommé. Hat man dazu einen Fensterplatz, kann man dabei das Kreuzen der Fähre beobachten, die die Stadt Göteborg mit dem gegenüberliegenden Hisingen verbindet, kann die Lichter des Stadtteils Eriksberg sehen und sich hineinträumen in die Zeit, als in diesem Haus mit Gewürzen, Seide und Elfenbein gehandelt wurde.
Typisch skadinavischer Geschmack
Ein ganz anderes, modernes Ambiente findet man im Fond, das sich in der Göteborger Kunsthalle im Erdgeschoss angesiedelt hat. Dort kocht der ausgesprochen fröhliche Stefan Karlsson. Sein Publikum: Jungunternehmer, Künstler, beste Freundinnen, aber auch Familien.
Karlsson bietet einen leichten Mittagstisch mit viel frischem Gemüse, leichtem Fisch und Salaten und eine etwas elegantere und schwerere Kost am Abend. Auch er setzt auf Göteborgs Meernähe und experimentiert mit Fisch und Schalentieren. Auch wenn das Fischereiwesen und der Bootsbau die Stadt nicht mehr wie einst prägt, sei sie eine Arbeiterstadt geblieben, sagt Karlsson, und genau das solle sich auch in seiner Küche spiegeln. "Ich koche gerne erdgebunden, nichts Abgehobenes. Ich bleibe bei dem, was schon immer schwedische Gerichte ausmachte und führe es in ein neues Zeitalter."
Gemütliche Küche
Karlsson war einer der ersten, der in Göteborg eine Rückbesinnung predigte und erhielt dafür nicht nur einen Michelin-Stern, sondern auch die Auszeichnung Schwedischer Koch des Jahres. "Traditionelle und vor allem heimische Zutaten, leichte Zubereitung und dieser typisch skandinavische Geschmack mit Dill und anderen Gewürzen, das macht die neue schwedische Küche aus." Göteborg, sagt Karlsson, nehme eine besondere Stellung ein. "Natürlich ist die Küche in Stockholm innovativer, experimenteller. Das Tempo der Stadt ist viel größer. Göteborg ist behäbiger, gemütlicher, und das soll auch die Küche spiegeln.
Der dritte im Bunde der neuen schwedischen Köche ist Preben Pedersen. Dem zugewanderten Dänen fehlt zwar noch ein Stern, doch wer seinen Rundgang durch Schwedens neue Küche in einem besonderen Ambiente beschließen möchte, der nimmt eine der gelben Fähren von Göteborgs Festlandhafen Lilla Varholmen und fährt damit auf die Öckerö-Inseln, Göteborgs nördliche Schären.
Schlemmen auf dem Eiland
Eine dieser Inseln heißt Hönö, und sieht genauso aus, wie man sich das von einer schwedischen Schäre vorstellt. Ein windumwehtes Eiland aus Granitfelsen, wie von einer scherzenden Hand ins Meer geworfen, gepunktet mit bunten Häusern und stolzen Holzvillen aus der Jahrhundertwende. Einst hatte Hönö den größten Fischereihafen Schwedens, doch als in den 60er Jahren der Kattegatt leer gefischt war, blieben auch die Fischerboote im Hafen. Dennoch sind die Öckerö-Inseln nach wie vor eine andere Welt als die nur wenige Kilometer entfernte Stadt Göteborg.
In Pedersens Restaurant kommt das Meer nicht nur auf den Tisch, sondern auch an das Gebäude, schwappt mit seinen Wellen unter der Veranda durch und sein Rauschen dringt durch die Fenster. Das "Tullhuset" ist Hönös ehemaliges Zollhaus im Hafen des kleinen Ortes Klova. Pedersen hat, als er es 2001 übernahm, beschlossen, nur Fisch zu servieren, und sich genau damit schnell einen Namen gemacht.
Weil sein Restaurant dazu am äußersten Zipfel der Insel liegt und man von dort wie Pedersen behauptet, den spektakulärsten Blick der gesamten Westküste hat, drang sein Ruf bis nach Göteborg. Nicht nur im Sommer, auch jetzt, wenn die späten Herbststürme über die Inseln heulen und die Dunkelheit schon am späten Nachmittag über Hönö herfällt, kommen die Gäste mit der Fähre aus der Stadt hinüber. "Es dauert, bis sich herumspricht, dass man hier am Ende der Welt wunderbar essen kann und die Konkurrenz in Göteborg ist groß, aber ich bin der Meinung, die beste Küche Schwedens findet man heutzutage in den kleinen Orten, nicht in den Städten", sagt Pedersen selbstbewusst.