Frankreich Gebietskämpfe im Champagnerland

Wertvolle Felder: Die Grenzen der Region, in der in Frankreich der Champagner angebaut werden darf, sind hart umkämpft
Reims - Es muss keine Königskrönung sein und auch kein Sieg in der Formel Eins. Schon ein Geburtstag oder ein Picknick mit Freunden reichen als Grund für ein Glas Champagner aus. Es gibt unangenehmere Dinge, als mit dem "Wein der Könige" anzustoßen. Und es gibt unangenehmeren Besitz als einen Weinberg in dem Gebiet, das die geschützte Ursprungsbezeichnung Champagner tragen darf. "Wenn Sie hier ein Rübenfeld haben, ist es vielleicht 10.000 Euro wert", sagt Terence Kenny, der Exportleiter der Champagnerkellerei Pannier in Reims. "Wird es als Champagnergebiet ausgewiesen, steigt der Preis gleich mal auf eine halbe Million."
Kein Wunder, dass rund um die früheren Schlachtfelder im Osten Frankreichs gerade ein neuer Kampf ausgetragen wird - der Kampf darum, wer nach der neuen Festlegung der Gebietsgrenzen künftig Champagner machen darf. Denn die Bezeichnung "Appelation d'Origine Contrôlée" (AOC) ist so etwas wie eine Lizenz zum Gelddrucken: Zwar brach der Absatz mit der Wirtschaftskrise kurzfristig ein. Aber im vergangenen Jahr lag er schon wieder bei 320 Millionen Flaschen, fast soviel wie im Rekordjahr 2007.
Wer zum glücklichen Club der Champagnermacher gehört, wurde 1927 per Gesetz festgelegt. Aber die rechtliche Lage wurde mit der Zeit "sehr kompliziert", wie Daniel Lorson sagt, der Leiter des Dachverbandes, in dem der Großteil der Weinbauern und Kellereien der Champagne organisiert ist. Denn das über 80 Jahre alte Gesetz ist nicht mehr schlüssig - heute zerschneiden die Trassen des Hochgeschwindigkeitszuges TGV die Landschaft, führen Straßen durch das Anbaugebiet, die es damals nicht gab, hat sich die Neigung von Hängen verändert.
Das Gros der Revision steht noch bevor
Als das kleine Dorf Fontaine-sur-Aÿ in der Nähe von Epernay vor einigen Jahren darauf pochte, dass seine Böden genauso gut wie die der umliegenden Gemeinden für den Anbau von Champagnerwein geeignet seien und vor Gericht damit Recht bekam, zog der Dachverband seine Schlüsse und begann mit einer Revision der Gebietsgrenzen.
Ein Ausschuss von Fachleuten begann zu prüfen, welche Gemeinden als Traubenproduktionsgebiet weiterhin beziehungsweise ebenfalls anzuerkennen sind und machte einige dutzend neue Orte aus. Worauf es aus den abgewiesenen Gemeinden wie erwartet Beschwerden hagelte - "mehr als 1300 Einsprüche" waren abzuarbeiten, wie der Verbandsvorsitzende Lorson sagt.
Selbst jetzt, wo die neuen Grenzen des Anbaugebietes abgesteckt sind, steht das Gros der Revision noch bevor: Denn nun nimmt der Ausschuss jede einzelne Agrarfläche in den insgesamt 357 Gemeinden unter die Lupe und prüft, auf welchen Parzellen tatsächlich einmal Champagnerwein angebaut werden darf. "Das wird noch kompliziert und langwierig", schätzt Lorson. Beim "Comité Interprofessionnel du vin de Champagne" rechnet jedenfalls niemand damit, dass die Anbaufläche vor 2020 feststeht.
"Und dann dauert es Jahre, bis man ernten kann", sagt Terence Kenny von der Kellerei Pannier. "Am Besten ist der Ertrag, wenn die Rebe 30 bis 50 Jahre alt ist." Pannier gehört zu den Champagnerhäusern, die nicht nur unter ihrem eigenen Namen verkaufen, sondern auch Hausmarken für Unternehmen wie das Pariser Luxushotel Ritz produzieren. "Neuen" Champagner wird es also erst in ein paar Jahrzehnten geben, meint Exportchef Kenny.
Interessant ist nicht nur, wer künftig dazugehört und wer draußenbleiben muss. Sondern auch, wie lange das heutige Gebiet die Nachfrage noch decken kann. Vergangenes Jahr wurden gut 134 Millionen Flaschen Champagner ins Ausland verkauft. Der größte Teil ging nach wie vor in europäische Länder - aber in Drittländern wie Brasilien, China und Russland stieg der Export um sagenhafte 29 Prozent und erreichte knapp 54 Millionen Flaschen. Tendenz steigend.