Sherry Der perfekte Begleiter
Langeoog/Düsseldorf - Von blassem Gelb über goldigen Bernstein bis zu sattem Dunkelbraun reicht die Palette: Schon an den Farben der unterschiedlichen Sherrys lässt sich erkennen, dass der spanische Wein aus der Gegend um Jerez de la Frontera keinesfalls nur ein Aperitif ist. "Sherry ist eines der vielseitigsten und abwechslungsreichsten Getränke der Welt", sagt Michael Recktenwald, Küchenchef im Restaurant "Seekrug" auf Langeoog und ehemaliger Sherry-Botschafter. Ob Fisch, Fleisch, Käse oder Dessert: Zu jedem Gericht gibt es den passenden Sherry.
Hergestellt wird er in einem ausgeklügelten Reifeverfahren, der sogenannten Solera. "Es gibt fast keine Jahrgangssherrys", erläutert Recktenwald. Denn das Getränk wird verschnitten: "Auf diese Weise frischt der junge Wein den alten auf und erhält zugleich den komplexen Geschmack des alten." Das Solera-System besteht aus mindestens drei übereinanderliegenden Fassreihen, aus deren unterster Lage fertiger Sherry entnommen wird. Aufgefüllt werden diese Fässer mit Wein aus der mittleren Lage, die ihrerseits aus der obersten Lage nachgefüllt wird. Oben hinein kommt frischer, einjähriger Grundwein.
Fast alle Sherrytypen gehen auf zwei Grundtypen zurück: den unter einer dicken Hefeschicht (Flor) gereiften Fino und den unter Einfluss von Sauerstoff gereiften und daher wesentlich dunkleren Oloroso. Der trockene, leichte Fino hat eine helle Farbe und wird wie seine enge Verwandte, die Manzanilla, gern als Aperitif gereicht. "Beide sind das, was man klassisch im Restaurant als "Sherry dry" angeboten bekommt", sagt Recktenwald. Die Trinktemperatur sollte bei 5 bis 7 Grad Celsius liegen.
Kühl lagern, bald verbrauchen
Angebrochene Flaschen werden wie ein Weißwein immer im Kühlschrank gelagert und am besten innerhalb von zehn Tagen getrunken. Wegen ihres dezent nussig-salzigen Geschmacks sind beide Sherrys ideale Begleiter von leichten Fischgerichten: Recktenwald kombiniert sie mit Matjes, Krabben oder einem Schollenfilet in Mandelkruste. "Wer das einmal ausprobiert hat, trinkt nie wieder einen Riesling dazu."
Stefan Muhl, Küchenchef des "Lilium" im "Privathotel Lindtner" in Hamburg, empfiehlt Manzanilla auch zu einem mild geräucherten Störfilet, das er auf einer Rote-Beete-Mousseline mit Apfel-Meerrettich serviert. Der bernsteinfarbene Amontillado reift ebenfalls mindestens drei Jahre "unter Flor", danach zusätzlich noch unter Sauerstoffeinfluss. "Er hat die Frische des Fino, bekommt aber durch die Oxidation eine Holz-, Vanille- und Orangennote", sagt Jürgen Mathäß, Wein-Fachautor aus Landau in der Pfalz. Mit 18 bis 20 Prozent liege der Alkoholgehalt etwas höher als bei Fino und Manzanilla, die ideale Trinktemperatur beträgt 14 Grad.
"Amontillado ist wie ein Palo Cortado mit seinem kräftigen, starken Aroma ein toller Begleiter zu pikant-asiatisch gewürzten Suppen oder Zwischengerichten", sagt Recktenwald. Wer an den Silvester-TV-Klassiker "Dinner for One" denkt, erinnert sich, dass Miss Sophie Sherry zu ihrer Mulligatawny-Suppe verlangt û zur indischen Curry-Geflügelsuppe also.
300 Sonnentage im Jahr
300 Sonnentage im Jahr
Beim kräftigen Oloroso verhindert die Zugabe von reinem Alkohol gleich zu Beginn der Reifung, dass sich Florhefe ausbildet. Der Alkoholgehalt beträgt 17 bis 20 Prozent, die Serviertemperatur darf mit rund 16 Grad etwas wärmer sein als beim Amontillado. Man kann ihn aber auch gern mal leicht gekühlt bei 10 bis 12 Grad trinken.
Übersetzt bedeutet der Name des fast mahagonifarbenen Weins: duftend, wohlriechend. "Eine rauchige Note, Bitterschokolade, Gewürze und ganz leicht Kaffee und Datteln", macht Wein-Fachmann Mathäß beim Oloroso aus. Verwendet wird er oft für reduzierte Soßen bei Wildgerichten und roten Fleischsorten. "Aber auch Fisch lässt sich mit diesem Sherry vermählen", sagt Mathäß. Küchenchef Muhl etwa serviert einen kross auf der Haut gebratenen, festen Loup de mer auf Belugalinsen à la crème mit Olorosojus.
Der tiefbraune Pedro Ximénez (PX) hat eine fast ölige Konsistenz und ist mit 400 Gramm Zucker je Liter ein echter Süßwein. Denn vor dem Keltern werden die Trauben zwei Wochen lang in der Sonne auf Strohmatten getrocknet, erklärt Mathäß. Die Früchte verlieren so ihre Feuchtigkeit und gewinnen an Süße. Duft und Aroma erinnern an "Mokka, Rosinen, Feigen und getrocknete Datteln", das harmoniere mit kräftigen Nachtischen. "Wobei cremig-schokoladige, karamellige Desserts eindeutig besser passen als fruchtige Desserts", sagt Recktenwald. Wer den PX nicht zu Muhls Mokka-Crème-Brûlée mit Bitter-Schokoladen-Sorbet genießen will, könne auch zu einem "ganz alten, ganz scharfen Käse" greifen. Die ideale Temperatur liegt bei 15 bis 16 Grad.
Das Hauptanbaugebiet für Sherry liegt in einem Dreieck zwischen den andalusischen Städten Jerez, El Puerto de Santa María und Sanlúcar de Barrameda. Nur Weine aus dieser Region dürfen sich Sherry nennen und die geschützte Ursprungsbezeichnung Jerez-Xérèz-Sherry tragen. Rund 2800 Produzenten bauen dort Trauben an. 300 Sonnentage im Jahr sorgen für die Reife, ein beständiger Nord-West-Wind vom Atlantik bringt ausreichend Feuchtigkeit, die der leuchtend weiße Kalkboden, Albariza genannt, lange speichern kann. Nach der Ernte stellen über 60 Bodegas mit dem Solera-System eine Vielzahl von Sherrytypen her.
Nina C. Zimmermann, dpa
Sherry: Der Allrounder unter den Weinen