George Sandeman Don Sherry

Er ist Sherry-Experte in siebter Generation: George Sandemans gleichnamiger Vorfahr gründete 1790 das Traditionshaus Sandeman, das heute zur Familienfirma Sogrape Vinhos gehört. Im Interview spricht der Don über Trinkkultur, Markengenese und seine Familie.

mm.de: Herr Sandeman, was haben Sie gestern Abend getrunken?

Sandeman: Wollen Sie das wirklich wissen?

mm.de: Ja.

Sandeman: Also, ich hatte Weißwein. Aber angefangen habe ich mit einem trockenen Amontillado Sherry. Das haben Sie wahrscheinlich erwartet, oder? Das genieße ich, wenn ich nach Hause komme: Ich begrüße meine Kinder, ziehe mich um und gönne mir ein Glas Amontillado Medium Dry.

mm.de: Reden wir über Sherry. Welche Trinktemperatur ist denn nun richtig? Die Expertenmeinungen gehen ja weit auseinander ...

Sandeman: Es ist immer besser, Sherry gekühlt zu trinken. Wenn Sie die Flasche in einem normalen Kühlschrank lagern, dann hat er durch die geringe Erwärmung beim Einschenken im Glas genau die richtige Temperatur. Manche Leute trinken Fino Sherry extrem kalt. Aber für jeden Wein gilt: Wenn Sie ihn zu kalt trinken, können Sie ihn nicht mehr schmecken. Und Sherry ist ein Wein. Er muss auch wie ein guter Weißwein genossen werden.

mm.de: Warum mögen die Briten süße Likörweine so gerne, und die Deutschen weniger?

Sandeman: Ich glaube, das hat historische Gründe. Manche Regionen produzieren den Wein, der dort konsumiert wird, auch selbst, andere nicht. In England, Holland, Skandinavien, auch Belgien und sogar Nordfrankreich werden daher gern traditionelle Importweine wie Sherry und Port getrunken. Das hat damit zu tun, dass das sehr stabile Weine sind, die unter dem Transport nicht leiden. Die Beliebtheit von Sherry in England fing zu Shakespeares Zeiten an. Aber wir verkaufen auch viel Sherry in Deutschland, obwohl es dort gute Weine gibt.

mm.de: Steigt der Absatz in Deutschland?

Sandeman: Auf dem deutschen Markt konnten wir im vergangenen Jahr bei Portwein ein überproportionales Absatzwachstum verbuchen. Bei Sherry nimmt vor allem der Absatz der Premiumsorten zu, der teuren und alten Qualitätsweine.

"Sehr, sehr, sehr kalt verkostet"

mm.de: Warum?

Sandeman: Sherry galt in der Vergangenheit als Massenware. Aber das Wissen um guten Wein verbreitet sich; und je mehr die Verbraucher über Wein wissen, umso mehr erfahren sie auch über Sherry und Port, und sie können Qualität erkennen. Um eine Parallele aufzuzeigen: Vor vielen Jahren dachte man, wenn man an deutschen Wein dachte, ausschließlich an Liebfrauenmilch. Heute weiß man zum Glück allgemein, dass es in Deutschland beispielsweise fantastischen Riesling gibt.

mm.de: Apropos Liebfrauenmilch - es geht ein Gerücht über Sie um, dass Sie in Ihren Anfangsjahren im Weingeschäft Liebfrauenmilch verkauft haben, der so gewöhnungsbedürftig war, dass Sie ihn vor der Verkostung tiefgefroren haben ...

Sandeman: Nun ja, ich habe in den Vereinigten Staaten gearbeitet, und die Firma, für die ich im Marketing tätig war, wollte Liebfrauenmilch am Markt etablieren. Die Sorte wurde auch sehr beliebt. Ich war der Marke gegenüber sehr loyal. Aber sagen wir so: Dieser Wein war ein wenig süßer, als ich es gewohnt war. Deshalb habe ich ihn sehr, sehr, sehr kalt verkostet.

mm.de: Was isst man am besten zu Sherry? Oder trinkt man ihn besser solo?

Sandeman: Wenn man Wein trinkt, sollte man immer etwas dazu essen. Sogar zum Aperitif gibt es mittlerweile ja fast immer etwas Kleines zu essen, wie die Tapas in Spanien. Und Tapas können alles sein, das muss auch nicht unbedingt etwas Spanisches sein. Der Vorteil von Sherry ist, dass es so viele verschiedene Geschmacksrichtungen gibt. Fino ist sehr trocken; Amontillado hat einen schwereren Körper, kann auch süß sein, und es gibt auch ausgewiesene, reiche Süßweine. Man kann also alle möglichen Speisen dazu kombinieren.

Traditionelles, lokales Essen, leichte Tapas, Meeresfrüchte, Räucherfleisch, Salzhering, bis hin zu Knoblauchkartoffeln - aber auch, wie in Südspanien, Eintöpfe mit Schweinefleisch oder Chorizo. Dazu würde man einen Amontillado trinken, einen Medium Dry. Man kann aber auch ein leichtes Sushi essen. Dazu passt ein Fino besser, oder ein Seco.

Wenn Sie ein Schokoladendessert haben, nehmen Sie einen Cream Sherry. Die einzige Einschränkung ist die Lust am Experimentieren. Wenn Sie sehr mutig sind, wollen Sie mit allem experimentieren. Wenn Sie sehr konservativ sind, dann trinken Sie einfach ein Glas Sherry als Aperitif und erfahren dann eben nie die breite Skala von Aromen, die dazu passen können.

Die Leute denken immer, mit Sherry sei man auf der sicheren Seite - ein kleines Gläschen Wein, das man jederzeit anbieten kann. Aber man muss auch daran denken, dass Sherry aus demselben Land stammt wie der Flamenco. In jedem Glas steckt eine Menge davon.

"Sherry-Cocktails sind fantastisch"

mm.de: Und was sind absolute Don'ts?

Sandeman: Man darf Sherry nicht zu warm trinken. Man darf ihn nicht mit Dingen mixen, die den Geschmack töten. Und man darf vor allem nicht zu viel trinken. Trinken muss Genuss bleiben.

mm.de: Mögen Sie Sherry oder Portwein lieber?

Sandeman: Ich liebe Wein generell. Welchen, hängt von meiner Stimmung ab, und davon was ich gerade esse. Der einzige Wein, dem ich wirklich dauerhaft die Treue halte, ist Sherry. Die meisten Leute trinken Fino. Ich neige eher zum Amontillado. Ich trinke ein oder zwei Gläser zum Essen. Wenn ich spät nach Hause komme, essen wir nur etwas Leichtes, eine Suppe etwa. Dazu einen Amontillado Medium Dry - das ist etwas sehr Schönes. Aber ich mag Portwein auch sehr gerne. Nach dem Essen oder zum Dessert. Ein gekühlter Tawny ist etwas sehr Feines, auch als Aperitif; und in letzter Zeit gibt es auch wieder mehr Cocktails und Longdrinks mit Sherry und Portwein.

mm.de: Cocktails? Sind Sie kein Purist?

Sandeman: Nein. Sherry-Cocktails sind fantastisch. Man hat das Aroma, aber sie sind nicht so alkoholisch wie Cocktails mit Gin oder Wodka. Davon bekommt man keinen Schwips.

mm.de: Wie alt waren Sie, als Sie Ihr erstes Glas Sherry getrunken haben?

Sandeman: Heutzutage muss man mit der Antwort auf eine solche Frage sehr vorsichtig sein. Ich hatte die gesetzliche Altersgrenze erreicht. Die lag früher allerdings irgendwie weiter unten ... Ich kann mich nicht selbst daran erinnern, aber angeblich soll mein Großvater mir bei meiner Taufe Port eingeflößt haben. Ich weiß nicht, ob das stimmt. Da war ich etwa zwei Monate alt.

Aber ich kann mich erinnern, dass ich mit ihm unterwegs war, von England nach Südspanien, um die Bodegas zu besuchen. Zum Mittagessen gab er mir Wein - aber er hatte den Kellner angewiesen, ihn mit Wasser zu verdünnen. Mein Großvater war sehr beeindruckt, dass ich ihm sagte, dass ich den Wein nicht mochte, weil er verdünnt war. Er fand es gut, dass ich das mit meinen fünfeinhalb Jahren schon schmecken konnte.

"Ich wollte in einer Rockband spielen"

mm.de: Sie leiten das Unternehmen Sandeman in siebter Generation. Wie hat diese dynastische Prägung Ihr persönliches Leben beeinflusst? Haben Sie sich nie gewünscht, auszubrechen und etwas gänzlich anderes zu tun?

Sandeman: Als ich 18 war, habe ich meinem Vater gesagt, ich würde jetzt etwas völlig anderes machen. Wir hatten einen Riesenkrach. Wir haben drei oder vier Tage nicht miteinander gesprochen. Danach ging ich ins Weingeschäft.

mm.de: Und was hatten Sie werden wollen?

Sandeman: Mit 18? Ich weiß nicht mehr so recht. Ich glaube, ich wollte in einer Rockband spielen. Meine persönliche Version der Rolling Stones. Aber zum Glück für mich wusste mein Vater, dass ich nicht singen konnte.

mm.de: Jetzt sind Sie der Vater. Sie sind 53, Ihr Sohn ist 29 Jahre alt, lebt in Berlin, leitet sein eigenes Stadtführerunternehmen und macht keine Anstalten, bei Ihnen einzusteigen ...

Sandeman: Richtig. Der macht sein Ding. Ich muss das respektieren.

mm.de: Kein Riesenkrach?

Sandeman: Nein. Überhaupt kein Krach. Er war auf der Universität, er hat dort hart gearbeitet. Er hat dann entschieden, dass er Erfahrungen sammeln will. Er ist für eine Weile nach Amerika gegangen und hat dort für verschiedene Firmen gearbeitet. Dann wollte er nach Berlin, eigentlich nur für ein halbes Jahr - jetzt ist er schon fünf Jahre da. Und er ist sehr erfolgreich mit seinem Tourismuskonzept für junge Reisende. Wenn er sich je entscheidet, etwas anderes zu machen, kommt er vielleicht ins Weingeschäft.

mm.de: Wird er das tun?

Sandeman: Das weiß ich nicht. Er ist ein harter Arbeiter, und er versteht etwas von Wein. Er war oft hier, monatelang, und hat einen fundierten Hintergrund in Marketing, Verkauf und Management. Ich mache mir keine Sorgen um ihn.

mm.de: Wären Sie nicht traurig, wenn nach sieben Generationen keines Ihrer Kinder die Tradition fortsetzen würde?

Sandeman: Ich habe fünf Kinder, einen Sohn und vier Töchter. Zwei wohnen noch zu Hause. Die beiden jüngsten wachsen hier in der Anbauregion mehr mit dem Weingeschäft auf als die älteren, die einen Großteil ihrer Jugend mit uns in Amerika verbracht haben.

Man muss geduldig sein. Ich kann mir schon vorstellen, dass eines meiner Kinder die Reihe fortsetzt. Ich bin sehr froh darüber, dass mein Vater mich ins Weingeschäft gebracht hat. Aber ich würde niemals eines meiner Kinder zwingen wollen, etwas zu tun, womit sie sich nicht wohlfühlen.

"Ein sehr dramatisches Symbol"

mm.de: Ihr Urahn, George Sandeman, gründete 1790 die Firma. Er war einer der ersten, der seinen Namen auf eine Flasche schrieb ...

Sandeman: Damals war es sehr ungewöhnlich, einen Wein mit dem Etikett des Händlers zu versehen. George Sandeman hatte sich als Weinhändler schon international einen Namen gemacht; aber in England hatte er es schwerer, weil man es zu kommerziell fand, Wein zu bewerben. Aber das war wichtig für die Firma. Der große Wendepunkt kam dann in den 20er Jahren mit der Einführung des Markenzeichens, der Schattenfigur des Don.

mm.de: Warum war das so wichtig?

Sandeman: Das ist ein sehr dramatisches Symbol. Wer es kennt, erkennt es sofort wieder, wer es nicht kennt, den macht es neugierig. Der Don war als Marketinginstrument, als Logo seiner Zeit weit voraus.

mm.de: Sie sind in England und in Spanien aufgewachsen, Sie haben in Amerika gelebt und wohnen heute in Portugal. Wo sind Sie zu Hause?

Sandeman: Das ist eine sehr schwierige Frage. Wenn ich in England bin, fühle ich mich schon zu Hause. Aber ich fühle mich nicht unbedingt als Engländer. Auch in Jerez fühle ich mich nicht hundertprozentig als Einheimischer. Ein Portugiese bin ich auch nicht, obwohl meine Urgroßmutter Portugiesin war. Ich bin ein wenig hin- und hergerissen zwischen England, Andalusien und Porto.

mm.de: Das sind Länder mit sehr unterschiedlicher Trinkkultur. Welcher neigen Sie zu?

Sandeman: Tendenziell eher der mediterranen: Getrunken wird nur zum Essen und mit ähnlicher Zurückhaltung, mit der ich auch Speisen verzehre.

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