Winzer Keine Angst vor "Coca-Cola-Weinen"
Hamburg - Kaum ist der Kampf der deutschen Winzer gegen das Inkrafttreten des neuen Weinhandelsabkommens mit den USA verloren, wird im deutschen Weinbau umgedacht. Nicht mehr von der Rettung des deutschen Kulturgutes Wein vor industriellen "Coca-Cola-Weinen" aus USA ist bei Deutschlands Spitzenwinzern die Rede. Nun wollen sie vielmehr den "Schulterschluss der besten Winzer mit gleichgesinnten Spitzenweingütern in USA und anderen Ländern".
Der Verband der Prädikatsweingüter (VDP) hat die Forderung nach einem umfassenden Reinheitsgebot für deutschen Wein fallen gelassen. "Das halten wir für utopisch", sagte VDP-Sprecherin Hilke Nagel.
Die Idee sei zwar für die eigenen Mitglieder realisierbar, nicht aber als Maßstab für alle deutschen Weine. Dabei hatte sich Bundeslandwirtschaftsminister Horst Seehofer (CSU) die Idee inzwischen zu Eigen gemacht.
Vor "unaufrichtiger Polarisierung" zwischen bösen Industrieweinen aus den USA und den guten deutschen Weinen warnt nun der VDP, obwohl er an der Konfrontation selbst nicht unschuldig ist.
Verbandspräsident Michael Prinz zu Salm-Salm ist über nationalistische Töne in der Debatte erschrocken: Im Wahlkampf in Rheinland-Pfalz warb sogar die NPD mit dem Slogan "Deutscher Wein statt Ami-Fusel".
Aber eigentlich hatte das Nachdenken schon während der heftigen Fachdiskussion der Branche um die Öffnung des EU-Marktes für industriell aufbereitete US-Weine zum Jahresanfang begonnen.
Die Sorge vor billigen US-Weinen ohne genaue Kennzeichnung, die per Zentrifuge in Wasser, Alkohol und Aromen zerlegt, verdünnt und mit neuem Geschmack wieder zusammengemischt wurden, ist nur die eine Seite.
Die andere ist, dass Wein in Deutschland zwar nicht verdünnt, aber seit je durch Zucker angereichert werden darf. Mit anderen Worten: Der reine Wein ist gar nicht so rein, wie man vielleicht vermutet hat.
Es wird kein Reinheitsgebot geben
Es wird kein Reinheitsgebot geben
Der ehemalige rheinland-pfälzische Weinminister Werner Langen, heute für die CDU im Europaparlament, nannte so ein Reinheitsgebot für Wein auch gleich eine "Schnapsidee". Die Grenzwerte für einzelne Weinbehandlungsmittel seien in den USA erheblich niedriger als in Europa.
"Insbesondere die Anreicherung mit Zucker, die Säuerung und Entsäuerung des Weines, diverse "Schönungsmaßnahmen" und die Schwefelung" müssten auf den Prüfstand, sagt er. Sonst verdiene ein Reinheitsgebot den Namen nicht und drohe zur Verbrauchertäuschung zu werden.
Salm weiß, wie sehr die Industrie auf weniger Beschränkungen für die Weinbereitung auch in Europa hofft. Und Brüssel dürfte bald entscheiden, dass auch in der EU der Eichenholzton im Wein mit Hilfe von Holzchips erzeugt werden darf - statt durch lange Fasslagerung. Frankreich hat bereits seinen Winzern den Einsatz der modernen Techniken erlaubt.
Das Landwirtschaftsministerium in Paris erklärte kürzlich, künftig dürften die Weine mit Holz-Chips aromatisiert werden. Dieses Verfahren sei bereits von der Europäischen Union zugelassen und werde bald in nationales Recht umgesetzt.
Die Aromatisierung mit Holz-Chips verhilft dem Wein auch im preiswerten Stahltank statt im teuren Eichenfass zu dem gefragten Barrique-Aroma. Winzer in jungen Weinbauländern wie Australien, Chile oder den USA greifen seit langem auf das Verfahren zurück, das von den traditionsbewussten Franzosen bislang abgelehnt wurde.
Die deutschen VDP-Winzer wenden sich derweil gegen eine pauschale Verunglimpfung von US-Weinen. Der neue Kurs ist auch im Weinabkommen selbst begründet. Es sieht weitere Gespräche mit Washington vor, um wichtige, noch offene Fragen zum Schutz deutscher Qualitätsweine zu klären.
Damit in den USA kein "Johannisberger Riesling" aus Kalifornien mehr verkauft werden darf, muss der umfassende Schutz von traditionellen europäischen Lagenbezeichnungen gesichert sein. Und die edelsüßen deutschen Auslesen und Beerenauslesen sind wegen ihres geringen Alkoholgehalts in den USA überhaupt noch nicht als Wein anerkannt. "Für uns geht es jetzt darum, wie Europa reagiert", sagt Salm.
dpa, ap