Weltweit betrachtet kann kaum ein Getränk mit einem heißen Tee mithalten. Die Ostfriesen beispielsweise genießen jährlich rund 2,5 Kilogramm des indischen Exportschlagers. Doch Tee ist nicht gleich Tee: Auch unter den zahlreichen Teesorten gibt es den Champagner.
Hamburg/Leer - Robert Scheibler gießt Tee auf - allerdings nicht zum Vergnügen, jedenfalls nicht ausschließlich. Vor ihm auf dem Tisch stehen sechs weiße Tassen. Und der Aufguss in jeder einzelnen unterscheidet sich schon rein optisch erheblich von den anderen.
Die Unterschiede zu kennen, zu bewerten und dann seine Schlüsse für den Einkauf daraus zu ziehen, das ist Scheiblers Job: Er ist Tea-Taster bei einem der traditionellen Hamburger Teehandelshäuser, dem Unternehmen J. Fr. Scheibler. Das Wort Job ist allerdings nicht hundertprozentig treffend: Sich mit Tee zu beschäftigen, ist für Scheibler auch Leidenschaft.
Dazu gehört, gegen das Vorurteil anzuarbeiten, Tee schmecke im Großen und Ganzen immer gleich. Von Kräuter- und Früchtetees einmal ganz abgesehen, ist schon die Palette an Schwarz- und Grüntees äußerst breit.
Sortenvielfalt ist in diesem Zusammenhang ein wenig gebräuchlicher, aber treffender Begriff. Angebaut wird Tee weltweit: in Ecuador und Argentinien genauso wie in Kenia oder Südafrika, in der Türkei oder Australien. Die Haupterzeugerländer sind allerdings die Regionen, in denen er seinen Ursprung hat: China und vor allem Indien - heute der weltweit größte Teeproduzent.
Große Spannbreite: Geschmack und Farbe des Tees sind abhängig von der Sorte, der Plantage und der Erntezeit
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Importware Tee: Das wichtigste Herkunftsland ist Indien
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Teekultur aus Japan: Typisch für das ostasiatische Land ist der Sencha, ein grüner Tee, der in der Provinz Shizuoka am Fudschijama angebaut wird
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Vielfältiges Heißgetränk Bitte klicken Sie auf ein Bild, um zur Großansicht zu gelangen.
In globalem Maßstab gibt es kaum ein Getränk, das mit Tee mithalten kann: "Nichts außer Wasser wird so viel getrunken", sagt Monika Beutgen, Geschäftsführerin des Deutschen Teeverbandes in Hamburg.
Europameister im Teetrinken sind die Iren, die es jährlich auf 2,7 Kilogramm pro Kopf bringen. "In Deutschland sind es nur 250 Gramm", sagt Beutgen - mit starken regionalen Unterschieden. "Die Ostfriesen kommen im Schnitt auf das Zehnfache." Denn im äußersten Nordwesten Deutschlands herrschen gewissermaßen irische Verhältnisse: Tee gehört dort einfach zum Lebensstil.
Die typische ostfriesische Teemischung ist allerdings ein Produkt der jüngeren Vergangenheit. "Tee kam lange Zeit nur aus China", erklärt Egbert Kolthoff, Tea-Taster und Prokurist bei Bünting, dem ältesten ostfriesischen Teehandelshaus mit Sitz in Leer. Echter Ostfriesen-Tee ist aber vor allem eine Mischung aus nordindischen Assam-Tees - bei Bünting sogar ausschließlich. Bei anderen Teehandelshäusern bestehen die Mischungen zu geringeren Anteilen auch aus Java-, Sumatra- oder Ceylon-Sorten.
Geschmack abhängig vom Erntezeitpunkt
Geschmack abhängig vom Erntezeitpunkt
Der Ostfriesen-Blend, wie es ihn seit gut einem halben Jahrhundert gibt, ist relativ kräftig. Das ist auch bei Robert Scheibler sofort zu sehen: Der Assam sieht in der weißen Tasse deutlich dunkler aus als zum Beispiel der Darjeeling daneben. Und geschmacklich liegen Welten dazwischen. Robert Scheibler bemerkt solche Unterschiede zuerst mit der Nase: "Bei Assam zum Beispiel riecht man sofort das Malzige", beschreibt der Tea-Taster den Geruch.
Doch Tee ist noch erheblich vielseitiger: Sogar bei ein und derselben Sorte könne es deutliche Unterschiede zwischen einzelnen Plantagen geben, sagt Scheibler. "Auch der Erntezeitpunkt spielt eine große Rolle."
Darjeeling, der "Champagner unter den Tees", ist dafür das beste Beispiel. Er ist ein Tee aus dem Nordwesten Indiens an der Grenze zu Nepal. "Der Tee wächst sehr langsam auf Plantagen in bis zu 2500 Metern Höhe", erläutert der Experte. "Die erste Pflückung beginnt schon im März und heißt First Flush." Dieser Frühlings-Tee von den Südhängen des Himalayas schmeckt frisch und blumig und wird von Teekennern gerade wegen seines feinen Aromas geschätzt.
Aber auch wer es kräftiger mag, ist bei Darjeeling nicht verkehrt. "Der Second Flush wird ab Juni geerntet und ist stärker und voller", sagt Scheibler. Neben dieser Sommervariante gibt es sogar noch einen Herbsttee, der erst ab Oktober gepflückt wird - und dessen grüne, braune und schwarze Blätter an Herbstlaub erinnern.
Vom Kaffe zum Tee
Zu Hause trinkt Robert Scheibler neben Assam und Darjeeling am liebsten Ceylon-Tees. Ceylon, der alte Name für Sri Lanka, war lange eine Insel des Kaffeeanbaus. Erst als eine Pilzkrankheit Ende des 19. Jahrhunderts fast alle Kaffeepflanzen vernichtete, änderte sich das.
Mehr als 2000 Teegärten gibt es heute auf Sri Lanka - und die Erntemengen steigen seit langem von Jahr zu Jahr. Als Spitzentees gelten insbesondere solche aus Lagen über 1300 Metern.
Spitzentee Highgrwon
Highgrown heißen diese Tees, zum Beispiel aus dem Anbaugebiet Nuwara-Eliya, wo die Pflanzen auch in bis zu 2400 Metern Höhe noch prächtig wachsen. Die Höhe hat enormen Einfluss auf das Aroma: Im kühlen Klima der Berge wachsen die Pflanzen langsamer, die Blätter bekommen daher ein intensiveres Aroma.
Ceylon-Tees unterscheiden sich deshalb erheblich je nachdem, wo genau der Teegarten liegt. Der leicht rötliche Nuwara-Eliya-Ceylon etwa hat ein Zitrusaroma. Der Ceylon aus den Anbauregionen Uva und Uda Pusselawa schmeckt frisch und kräftig. Genau das ist es, was Robert Scheibler an Tee so schätzt: Die Unterschiede liegen im Detail - und keiner schmeckt wie der andere.