Wein Komponist des feinen Geschmacks
Hamburg - Hendrik Thoma blickt in die Kamera und lächelt. In der Hand hat er ein Weinglas, er schnuppert daran und fängt an zu erzählen, was das Besondere an diesem Schlückchen sei. Thoma moderiert die Sendung "Hauptsache Wein" im NDR-Fernsehen. Auch für den TV-Sender Vox gab er im "Kochduell" seine Empfehlungen ab. Sein eigentliches Wirkungsfeld ist jedoch nicht das Fernsehen, sondern die Gastronomie des Hotels Louis C. Jacob an der Elbchaussee in Hamburg.
Thoma arbeitet seit fast zehn Jahren in dem renommierten Gourmettempel. Dort hat sich der 37-Jährige einen weltweiten Ruf als Master-Sommelier erworben. In Deutschland gibt es nur zwei Master-Sommeliers, erklärt er im Gespräch mit manager-magazin.de. Während seiner Ausbildung machte er Stationen im kalifornischen Weinmekka Napa Valley, im Johannishof im Rheingau und in der Hotelfachschule Heidelberg.
Seine Weinkarte für das Jacobs Restaurant gilt als exzellent. Rund 1200 Positionen sind dort zu finden. Circa 50.000 Flaschen lagern im Keller. Für seine "Komposition", wie er es nennt, ist er mehrfach ausgezeichnet worden. Das amerikanische Weinmagazin "Wine Spectator" urteilte, die Weinkarte gehöre zu den besten der Welt und der Gault-Millau kürte die Auswahl in diesem Jahr zur "Weinkarte des Jahres".
Manchmal ist der Aufwand groß, um ein paar Flaschen einer bestimmten Winzerei zu bekommen. Farbe, Geschmack und Geruch müssen stimmen, und den kann man nicht per Ferndiagnose feststellen. Um die edelsten Tropfen ausfindig zu machen, fährt er zwei- bis dreimal im Jahr auf Messen, geht dort Empfehlungen nach und holt sich Anregungen von Weinkritikern wie Robert Parker oder René Gabriel. "Die muss man aber nicht eins zu eins übernehmen", betont er. Auch Weinmagazine böten viele Anregungen.
Viel häufiger als die Messen besucht Thoma jedoch die Winzer vor Ort, ob in Deutschland, Frankreich oder Portugal. Dabei spiele es keine Rolle, ob es sich um kleine oder große Winzer handelt. In acht von zehn Fällen fahre er allerdings enttäuscht wieder ab. "Ein kleiner Winzer produziert nicht unbedingt den besseren Wein", sagt Thoma. Lafite-Rothschild in Bordeaux stelle beispielsweise große Mengen her und sei dennoch exzellent. Das ganze Jahr über hält Thoma Kontakt mit den Winzern, per Telefon, per E-Mail, je nachdem. Manchmal sei die Sprache ein Hindernis, doch beim Weintesten finde man schnell zusammen.
Die Wiederentdeckung des Merlots
Die Wiederentdeckung des Merlots
Echte Highend-Weine wie Château Latour, Vega Sicilia oder Romanée-Conti, Château Petrus seien allerdings rar. Diese Perlen sind oft nur in Kleinstmengen vorhanden. "Die kann man meist gar nicht beim Winzer direkt kaufen, sondern bezieht sie über einen Händler, der sie verteilt.
Die meisten Weine lernt Thoma allerdings kennen, wenn die Winzer und Händler direkt vorstellig werden. Oft erhalte er Proben. "Viele davon landen aber schnell in der Küche zur Weiterverarbeitung." Neulich habe er sogar per Post einen Wein aus Chile erhalten. "Eine äußerst unübliche Zustellart." Dennoch, von dem Tropfen will er einige Flaschen bestellen.
Fragt man den Sommelier nach seiner neuesten Entdeckung, winkt er ab. Nein, Wiederentdeckung. Er sei eigentlich kein Merlot-Fan, doch habe er nun einen aus Südafrika gefunden, der ihn überzeugt. Sein Interesse geweckt haben zunehmend auch immer mehr Weine, die nach besonderen natürlichen, biologischen Richtlinien gekeltert werden. Diese riechen und schmecken anders, haben mehr Ecken und Kanten und bieten ein größeres Spektrum an Duft und Geschmack. Ganz anders sei es bei den fruchtig industriellen, einfachen biederen Weinen, die auf der Weinkarte keinesfalls fehlen dürften. Man muss auch Mainstream haben. "In der Neuen Welt haben das die Winzer begriffen, um ein breiteres Publikum zu erreichen."
Thomas Klassiker wie Riesling Kabinett von Franz Künstler aus dem Rheingau oder ein Sancerre aus dem Hause von André Vatan von der Loire hat er immer im Weinkeller. Dabei verlässt er sich über die Jahre auf die einzelnen Winzer, bleibt in Kontakt, um sich über den neuen Jahrgang zu informieren. Geht ein Wein zur Neige und der Winzer hat keine Flaschen mehr vorrätig, dann sucht Thoma nach Händlern, die den Tropfen vertreiben. "Manchmal ist das eine richtig aufwändige Recherchearbeit."
Dass das Portemonnaie vieler Weintrinker schmaler geworden ist, beobachtet Thoma ebenfalls. Anonyme Discountweine seien gefragt, der Absatz der Weine im Mittelfeld gehe dagegen zurück. Doch in Jacobs Restaurant trinke man nach wie vor Spitzenweine. Zwar sei es nicht mehr wie Ende der 90er Jahre. "Da konnte es nicht teuer genug sein", erinnert er sich. "Der Umschlag dieser Weine hat sich verlangsamt, aber er ist noch da." Um einen langen Arbeitstag zu beenden, empfiehlt der Sommelier übrigens keinen stillen Wein. "Ein Tag geht am schönsten mit einem Glas Champagner zu Ende", lacht Thoma und macht sich ans Tageswerk.