Concierge-Service Bei Anruf VIP
mm.de: Mr. Holroyd, beim Stichwort Concierge-Service denken die meisten Leute an einen beflissenen Portier, der Blumen oder Theaterkarten besorgt und den Anzug aus der Reinigung holt. Ihre 130 Angestellten sitzen bis auf wenige Ausnahmen im englischen Cambridgeshire am Telefon. Was macht Ihr Unternehmen genau?
Holroyd: Ganz einfach: Wir bieten unglaublichen Kundenservice - und das weltweit. Unser Angebot umfasst drei Bereiche: vom Notfalldienst über einen Reise- und Informationsservice bis zum Lifestyle-Management. Es gibt quasi keine Anfrage, die wir nicht annehmen sofern sie sich im ethisch und legal vertretbaren Rahmen bewegt.
Wir kümmern uns um verlorene Kreditkarten, um Restaurantreservierungen und Tickets, aber wir retten unsere Kunden auch aus peinlichen Situationen. Hat ein Kunde seinen Hochzeitstag vergessen, ruft er uns an und sagt: Ich stecke bis mittags im Meeting, hier sind 2000 Euro, bitte besorgt jetzt sofort etwas unglaublich Tolles für meine Frau. Oder ein Kunde will ein Streichquartett, das abends mit ihm vor der Haustür steht. Für ein Unternehmen in Zürich haben wir einmal ein Kamel als Highlight einer Party besorgt.
mm.de: Solche Anfragen sind aber doch eher die Ausnahme, oder?
Holroyd: Uns erreichen zwischen 500 und 700 Anfragen am Tag. Etwa jeder sechste Auftrag ist eher ungewöhnlich. Unsere Mitarbeiter verbringen zwar einen Großteil ihrer Arbeitszeit damit, Hotels, Flüge und Mietwagen zu buchen. Aber einer von sechs Anrufen kann so einer sein wie: "Ich stehe mit meinem Auto irgendwo in einem riesigen Wald in Frankreich. Ich weiß nicht genau, wo ich bin, und ich habe kein Benzin mehr." Oder: "Ich war gerade in einem Hotel, in dem mir die Bilder an der Wand gut gefallen haben. Bitte finden Sie heraus, wer der Künstler ist und welche seiner Werke zum Verkauf stehen."
Es geht nicht immer nur um Extravaganzen oder Wünsche, die mit viel Geld verbunden sind. Uns erreichen auch ganz simple Anfragen: Jemand steht in einer spanischen Apotheke und möchte seine Beschwerden beschreiben. Ein deutscher Kunde hat uns angerufen, ob wir seinem Sohn bei den Hausaufgaben helfen könnten. Der Junge sollte drei sehr schwierige Fragen über Tiere im Internet recherchieren, und selbst der Vater hat auch nach zwei Tagen die Antworten nicht gefunden. Dann hat er uns beauftragt.
mm.de: Welche Anfragen lehnen Sie ab?
Holroyd: Ab und zu ruft uns ein Kunde morgens um drei Uhr aus dem Hotel an und möchte, dass ihn jemand auf dem Zimmer besucht. Unsere Antwort lautet dann, er möge einen Kaffee trinken und uns in einer halben Stunde noch einmal anrufen. Dieser zweite Anruf kommt aber nie. Was wir nicht annehmen, sind illegale Anfragen - in England etwa gibt es gesetzliche Bestimmungen, die einen Wiederverkauf von Fußballtickets ausschließen. Wir bieten oder verkaufen auch nicht im Namen unserer Kunden auf Ebay, auch wenn diese Anfragen häufig vorkommen.
"Incentive für hochrangige Angestellte"
mm.de: Was sind wirklich schwierige Aufgaben?
Holroyd: Wenn Kunden aus dem Ausland in letzter Minuten noch VIP-Reservierungen für das Oktoberfest suchen. Wir schaffen das, aber es ist nicht einfach. Oder einen Tisch in Ferran Adriàs Restaurant El Bulli an der Costa Brava zu organisieren - das hat nur sechs Monate im Jahr geöffnet und ist normalerweise zwei Jahre im Voraus ausgebucht.
Wenn ein Restaurant 50 Tische hat, und alle sind reserviert, können wir auch nichts machen. Wir sind Concierges, keine Schreiner, wir können keinen 51. Tisch bauen, auch wenn es oft so aussieht, als hätten wir das geschafft. Durch unser Auftragsvolumen haben wir sehr gute Beziehungen. Aber wenn ein spezieller Wunsch nicht erfüllt werden kann, finden unsere Lifestyle-Manager eine bessere Alternative - das Geheimtipp-Restaurant um die Ecke, das um Klassen besser ist als der gerade angesagte In-Treff und in dem unsere Kunden bevorzugt behandelt werden.
mm.de: Lifestyle-Manager ist ja eine tolle Berufsbezeichnung
Holroyd: Großartig, nicht wahr? Wenn wir neue Mitarbeiter rekrutieren, nennen wir sie allerdings eher Customer Service Specialists. Für deren Job sind normierte Qualifikationen vollkommen irrelevant. Ich brauche engagierte Muttersprachler, die einen interessanten Hintergrund haben, und idealerweise viel gereist sind. Ich habe jüngst einen Mitarbeiter eingestellt, der einige Jahre lang in einem Shop auf einem Kreuzfahrtschiff in der Karibik gearbeitet hat. Überall, wo er hinkam, hat er sich alles angeschaut. Er weiß, wo die Einheimischen essen, wo man was einkaufen kann. Das ist die Art von Wissen, nach der wir suchen.
Ein Lifestyle-Manager muss in der Lage sein, unsere mehr als 80 Firmenkunden jeweils gut zu repräsentieren. Denn die Art, wie eine Bank ihre Kunden ansprechen will, kann sich sehr davon unterscheiden, wie eine Eisenbahngesellschaft oder ein Kasino das haben möchte. Ich brauche gar kein großes Team, das sich nach neu eröffneten Hotels und Restaurants umschaut. Die meisten Unternehmen informieren uns von sich aus. Wenn ein neues Luxushotel eröffnet, sucht das Management als Erstes Kontakt zu Concierge-Diensten. Zusätzlich haben wir sechs Spezialisten, die sich nur mit Anbietern, Locations und Wissensmanagement beschäftigen.
mm.de: Sie agieren als White Label Company. Was bedeutet das?
Holroyd: Unsere Kunden sind Banken, Fluggesellschaften, Automobilhersteller, Reiseagenturen. Die bieten unseren Service unter ihrem eigenen Namen an. Die meisten Leute, die uns anrufen, wissen in der Regel nicht, dass es nicht die Firma selbst ist, die diesen Service anbietet.
mm.de: Warum ist das wichtig?
Holroyd: Unsere Auftraggeber wollen durch unseren Service eine emotionale Bindung zwischen ihrer Marke und den Kunden herstellen. Es würde diese Botschaft verwässern, wenn wir als White Concierge auftreten würden.
Manche unserer Kunden haben aber auch nichts dagegen, genannt zu werden. Wir arbeiten zum Beispiel für die Arab National Bank, die zweitgrößte Bank in Saudi-Arabien, für Barclaycard, All Nippon Airways und JCB. Wir haben weltweit etwa 85 Firmenkunden, darunter auch sieben große deutsche Finanzinstitute.
Und wir stoßen in völlig neue Geschäftsbereiche vor. Wir werden oft gefragt, wie groß unser potenzieller Markt ist. Das ist heute noch überhaupt nicht abschätzbar. Nehmen Sie Onlinekasinos. In England ist das ein sehr großer Markt - jeder zehnte Mann hat dort einen solchen Account. Zwischen den Anbietern gibt es einen massiven Wettbewerb, und unser Service leistet einen Beitrag zur Kundenbindung. Eine große deutsche Firma bietet unseren Service ihren Managern im Ruhestand an, die dann keine eigene Sekretärin mehr haben. Auch als Incentive für hochrangige Angestellte werden Concierge-Dienste eingesetzt.
"Wir wollen kein Klub werden"
mm.de: Wie viele Endkunden betreuen Sie? Und wie groß ist der Anteil in Deutschland?
Holroyd: Das Gesamtvolumen beträgt mehrere Millionen Endkunden. Nehmen Sie Barclaycard: Jeder Karteninhaber hat indirekten Zugang zu unserem Notfalldienst. Wenn er am Wochenende seine Karte verliert, besorgen wir Ersatz und kümmern uns darum, dass er vor Ort Bargeld für das Nötigste bekommt.
Regelrechten Concierge-Service bieten wir für 800.000 Kunden an. In Deutschland haben mehr als 20.000 Endkunden Zugang zum Concierge. Mit etwa 10 Prozent Umsatzanteil ist Deutschland einer unserer Kernmärkte. Die meisten Endkunden sind Menschen mit mehr als 100.000 Euro Jahreseinkommen - also nicht unbedingt nur die Privatjetflieger, obwohl die natürlich auch zu unserer Klientel zählen, sondern eben auch die, die nicht so viel verdienen, aber sehr viel reisen müssen.
mm.de: Was bezahlt der Endkunde für Ihren Service?
Holroyd: In den meisten Fällen nichts. Unsere Preispolitik ist sehr transparent: Wir werden vom Geschäftskunden, zum Beispiel einer Bank, bezahlt. Die zahlt für unseren Service, den sie dann als Zusatzleistung beim Private Banking oder der Kreditkarte anbietet. Wenn wir also für einen Kunden mit viel Aufwand noch zwei Karten für eine ausverkaufte Opernaufführung auftreiben, und die Karten selbst kosten 400 Euro, dann bezahlt der Kunde auch nur diese 400 Euro.
mm.de: Sie beschränken sich rein auf Geschäftskunden. Warum bieten Sie selbst keinen Endkundenservice an?
Holroyd: Wir wollen kein Klub werden. Es gibt viele gute Concierge-Klubs, die meist auf eine bestimmte Großstadtregion fokussiert sind. Das ist ein ganz anderes Modell, die Preispolitik ist anders, die Abrechnung viel aufwendiger.
mm.de: Macht sich die Finanzkrise in Ihrem Geschäft bemerkbar?
Holroyd: Ja. Und zwar eindeutig positiv. Unser Geschäft wächst. Es ist für unsere Geschäftskunden wichtiger als je zuvor, ihre profitablen Kunden zu halten - und dafür sind wir ein gutes Werkzeug.
Bei den Endkunden beobachten wir, dass sie unseren Service häufiger in Anspruch nehmen, weil sie jetzt mehr arbeiten müssen, länger im Büro sind und weniger Zeit haben, ihr Leben zu gestalten. Früher haben sie am Freitagnachmittag vielleicht selbst im Internet nach Reisezielen für den nächsten Urlaub gesucht. Jetzt sitzen sie länger an ihrem Schreibtisch. Sie haben immer noch Geld, nur eben immer weniger Zeit.
"Rabatt für die 10.000-Euro-Uhr"
mm.de: Ändern sich die Erwartungen der Kunden?
Holroyd: Vor einem halben Jahr haben die Leute noch nach dem größten Jet oder der tollsten Jacht gefragt. Heute wollen sie wissen, wie sie die Kunden binden können, die sie unbedingt halten wollen.
Und viele unserer Endkunden rufen uns an, wenn sie zum Beispiel 10.000 Euro für eine Uhr ausgeben wollen. Es ist ihnen peinlich, zu einem Juwelier zu gehen, dort die teure Uhr anzuprobieren und dann nach einem Rabatt zu fragen. Europäische Kunden tun so etwas nicht gerne. Die rufen lieber uns an, sagen, welches Modell sie haben möchten, und lassen uns die Verhandlung führen.
mm.de: Wagen Sie eine Zukunftsprognose? Wie wird sich Ihr Geschäft entwickeln?
Holroyd: Unser Produkt gibt es seit mehr als zehn Jahren. Seit 18 Monaten sind wir mit neuem Management unter dem Namen White Concierge am Markt. Mit drei Investoren und der Unterstützung einer österreichischen Privatbank haben wir das Produkt von Travelex übernommen, das seinerzeit gemeinsam mit Thomas Cook entwickelt worden war, um neben Notfalldiensten einen Zusatznutzen für Premiumkunden zu bieten. Da war ein Team, das erstaunliche Arbeit geleistet hat, aber das war weithin unbekannt. Das Produkt war untervermarktet.
Wir haben das Team verstärkt und einen Geschäftsbereich in ein eigenes Geschäft umgewandelt. Wir haben bereits mehr als eine Million britische Pfund investiert. Und im ersten Jahr ist das Geschäft um 30 Prozent gewachsen. Ich denke etwa drei Jahre voraus, und ich erwarte, dass diese Wachstumsrate in diesem Zeitrahmen stabil bleiben wird.