Tropenausstellung Wuchernde Pracht
Berlin - Der pinkfarbene Schreibtisch ist verwildert und wirkt komplett surreal: Auf ihm wächst ein hoher Baum, der mit Blüten und Tieren, aber auch Handys und CDs in Grün, Gelb, Orange und Gold üppig geschmückt ist. "Bürokult" nennen die Schweizer Künstler Gerda Steiner und Jörg Lenzlinger ihre Installation. "Aus dem Baum sprießt die ganze tropische Vielfalt", sagt Lenzlinger. Das märchenhafte Kunstwerk ist in der Ausstellung "Die Tropen. Ansichten von der Mitte der Weltkugel" im Martin-Gropius-Bau in Berlin zu sehen.
In Brasilia und Rio de Janeiro lockte die Schau nach Angaben der Veranstalter bereits eine halbe Million Besucher an. Bis 5. Januar ist das Gemeinschaftsprojekt des Goethe-Instituts und des Ethnologischen Museums Berlin, das von einem umfangreichen Kulturprogramm mit Konzerten, Filmen und Vorträgen begleitet wird, nun erstmals in Deutschland und in erweiterter Form zu sehen.
Präsentiert werden 200 Exponate aus Afrika, Asien, Ozeanien und dem tropischen Amerika. Diesen gegenübergestellt werden Arbeiten von 40 zeitgenössischen internationalen Künstlern - darunter auch von den Deutschen Franz Ackermann, Andreas Gursky, Marcel Odenbach und Candida Höfer.
Die Reästhetisierung der Tropen
Die Tropen regen europäische Künstler seit mehr als 100 Jahren zu Interpretationen an. Dort wiederum entstehen bereits seit zwei Jahrtausenden künstlerische Werke. "Der Begriff der Tropen war von Beginn an ein kulturelles Konstrukt", sagt der Kurator der Ausstellung und Leiter des Goethe-Instituts Rio de Janeiro, Alfons Hug. "Bis heute prägen die Künstler unsere Vorstellung der Tropen." Und bis heute halte die von der Region ausgehende Faszination an.
Die Kuratorin und Direktorin des Ethnologischen Museums, Viola König, sagt: "In den Tropen muss etwas anders sein." Damit seien nicht nur Landschaften und Klima gemeint, auch die Menschen lebten anders. "Entsprechend anders muss ihre Kunst sein."
Ausgeklammert hat die Schau politische Aspekte. "Wir wollten zeigen, dass die Tropen neben Krisenszenarien und Armutsdebatten noch etwas Anderes zu bieten haben", sagt Hug. Die Region werde immer mit Katastrophen, Elend und Umweltschäden assoziiert. Die Kunst könne das zeigen, "was sonst immer vernachlässigt wird". Eine "Reästhetisierung" der Tropen lautet entsprechend das erklärte Ziel der Kuratoren, zu denen neben Hug und König auch der Kurator des Ethnologischen Museums, Peter Junge, gehört.
Sintflut und barocker Prunk
Sintflut und barocker Prunk
Die Ausstellung ist in sieben Themen gegliedert: "Nach der Sintflut", "Das kurze Leben", "Die Farben der Vögel", "Das verbotene Lachen", "Tropischer Barock" und "Das städtische Drama".
In den einzelnen Segmenten geht es etwa um Natur und Landschaft, Menschenbilder und Porträts oder die Farben und Klänge der Tropen.
Zu den unterschiedlichsten zeitgenössischen und vormodernen Exponaten gehören Fotos von Flusslandschaften aus Vietnam und dem Amazonasgebiet, eine Videoinstallation über den Straßenkarneval in Rio de Janeiro, Totenmasken und Ahnenporträts aus Indonesien, mythische Figuren von Amazonas-Geistern, Königsfiguren aus Kamerun und Zeichnungen von Ureinwohnern aus alten Kolonialzeitschriften.
Hug sieht bei deutschen Künstlern übrigens "einen Aufbruch" in die Tropen wie zu Zeiten des Naturforschers Alexander von Humboldt. So fahre der deutsche Videokünstler Marcel Odenbach regelmäßig in die Tropen und habe auch ein Haus in Ghana. Der Maler Franz Ackermann reise oft durch Südamerika und lasse sich dort inspirieren.
Nadine Emmerich, ddp
Fotostrecke: Die Tropen zu Gast in Berlin